OGH 12Os3/94(12Os4/94)

OGH12Os3/94(12Os4/94)3.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Februar 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Obergmeiner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Josef B***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 erster und zweiter Fall und 15 StGB, AZ 1 c Vr 13475/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, und in der diesen Verurteilten betreffenden Vollzugssache AZ 18 c BE 1067/89 desselben Gerichtes über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang, daß im Verfahren zu 1 c Vr 13475/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und in der bezeichneten Vollzugssache eine unverzügliche Verständigung anderer Gerichte (§ 494 a Abs 8 StPO) unterblieb, sowie gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.August 1993, GZ 18 c BE 1067/89-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalwalt Dr.Fabrizy, des Verurteilten und des Verteidigers Dr.Reich zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1. im Strafverfahren AZ 1 c Vr 13475/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der Vorgang, daß der Vorsitzende weder das Landesgericht für Strafsachen zu AZ 18 c BE 1067/89 noch das Landesgericht Korneuburg zu AZ 14 BE 177/92 als Vollzugsgerichte unverzüglich vom zugleich mit dem Urteil gefaßten Beschluß auf Widerruf der jeweiligen bedingten Entlassung des Franz Josef B***** aus den bezüglichen Freiheitsstrafen verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs 8 StPO (aF);

2. in der Vollzugssache 18 c BE 1067/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der Beschluß vom 30.August 1993 (ON 16) auf Feststellung der endgültigen Entlassung aus der Freiheitsstrafe in dem in § 494 a Abs 4 StPO in Verbindung mit dem XX. Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.Juli 1993, GZ 1 c Vr 13475/92-58, wurde der am 7.Jänner 1951 geborene Franz Josef B***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 erster und zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich faßte der gemäß § 494 a Abs 1 Z 4, Abs 4 StPO hiefür zuständige Schöffensenat den Beschluß auf Widerruf der vom Oberlandesgericht Wien mit Entscheidungen vom 29. März 1990, AZ 23 Bs 123/90 (GZ 18 c BE 1067/89-10 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), sowie vom 31.Juli 1992, AZ 23 Bs 277/92 (GZ 14 BE 177/92-11 des - damals - Kreisgerichtes Korneuburg), jeweils verfügten bedingten Entlassung des Franz Josef B***** aus zuvor über ihn verhängten Freiheitsstrafen. Erst nachdem das einleitend bezeichnete Urteil nach Durchführung der Berufungsverhandlung in Rechtskraft erwachsen war, verfügte der Vorsitzende am 11.November 1993 (ON 74/II) die (nach der alten Fassung dieser Bestimmung) in § 494 a Abs 8 StPO angeordnete unverzügliche Verständigung der beiden im konkreten Fall ingerierten Vollzugsgerichte. Diese Verständigung langte am 15.November 1993 beim Landesgericht Korneuburg ein (GZ 14 BE 177/92-15). Dem Akt 18 c BE 1067/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hingegen ist eine analoge Verständigung nicht zu entnehmen.

In der letzterwähnten Vollzugssache hatte das Landesgericht für Strafsachen Wien - dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgend - mit rechtskräftigem Beschluß vom 30.August 1993 in Unkenntnis der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Entlassung vom 15.Juli 1993 festgestellt, daß die bedingte Entlassung des Franz Josef B***** endgültig sei (ON 16).

Dieser Beschluß steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der zu AZ 1 c Vr 13475/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Rechtskraft erwachsene Widerrufsbeschluß vom 15.Juli 1993 entfaltete (schon vor Eintritt seiner Rechtskraft) dahin Bindungswirkung, daß eine neuerliche gerichtliche Absprache über den Entscheidungsgegenstand vor einer Beschlußaufhebung nicht in Betracht kam. Mit dem Beschluß vom 30.August 1993, AZ 18 c BE 1067/89, nahm daher das Landesgericht für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht eine gesetzlich nicht gedeckte Entscheidungskompetenz in Anspruch (Foregger-Kodek StPO6 Erl VI zu § 494 a; EvBl 1989/64). Demzufolge konnte dieser Beschluß weder den bereits zuvor rechtswirksamen Widerruf der bedingten Entlassung beseitigen noch sonst rechtserhebliche Wirkung entfalten.

In Stattgebung der von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher spruchgemäß zu erkennen.

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