OGH 8Ob648/93

OGH8Ob648/933.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.P***** Z*****, ***** vertreten durch Dr.Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) J***** S*****, und 2.) A***** S*****, ***** H*****, beide vertreten durch Dr.Rainer Cuscoleca, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 27.August 1993, GZ 41 R 416/93-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 9.Jänner 1993, GZ 42 C 482/91d-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.189,10 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind 531,50 S Umsatzsteuer enthalten) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kündigt die Wohnung in Wien 6, mit dem Vorbringen auf, die Mieterin sei ohne Hinterlassung eintrittsberechtigter Personen am 10.6. 1991 verstorben, die Wohnung diene nach ihrem Tode nicht dem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen.

Die Beklagten erheben Einwendungen und bringen vor, die Wohnung diene dem eintrittsberechtigten Erben nach der verstorbenen Mieterin zur Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses. Dieser habe als Lebensgefährte mit der verstorbenen Mieterin von 1984 bis zu ihrem Tode am 10.6.1991 in gemeinsamen Haushalt in der aufgekündigten Wohnung gelebt.

Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab; es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der Erstbeklagte war seit 1985 Lebensgefährte der verstorbenen Mieterin. Er wohnte seit dieser Zeit in der Wohnung bei ihr, sie führten gemeinsam den Haushalt und verbrachten gemeinsame Urlaube. Die Mieterin hatte dem Erstbeklagten angeboten, zu ihr zu ziehen, da sie ihn schon seit 1981 kannte und die Wohnverhältnisse in der Wohnung des Zweitbeklagten, in der der Erstbeklagte wohnte, beengt waren, zumal dessen Mutter dort ebenfalls einzog. Die Mieterin wollte den Erstbeklagten adoptieren, unterließ dies jedoch aus rechtlichen Gründen und setzte ihn als Erben ein. Eine sexuelle Beziehung zwischen ihnen lag infolge ihres hohen Alters nicht vor, es bestand jedoch eine innige, emotionelle Beziehung. Diese äußerte sich auch durch die wechselseitige Pflege im Laufe der jeweiligen Erkrankungen. So war auch der Erstbeklagte bei der Mieterin im Spital bis zu ihrer Todesstunde anwesend.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Erstbeklagte sei Lebensgefährte der verstorbenen Mieterin gewesen, mit der er in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Lebensgemeinschaft gelebt habe. Das Bestehen geschlechtlicher Beziehungen - der Altersunterschied zwischen der verstorbenen Mieterin und dem ein Eintrittstrecht behauptenden Erstbeklagten war größer als 40 Jahre - sei nicht maßgeblich, wohl aber hätten persönliche und gefühlsmäßige Bindungen bestanden, weshalb der Erstbeklagte als Lebensgefährte eintrittsberechtigt iSd § 14 Abs 3 MRG sei.

Zufolge Berufung des Klägers änderte das Berufungsgericht dieses Urteil ab, indem es die Aufkündigung für wirksam erklärte und dem Räumungsbegehren stattgab. Es erklärte, zwischen der verstorbenen Mieterin und dem Erstbeklagten habe nicht eine Lebensgemeinschaft iSd § 14 Abs 3 MRG sondern eine Mutter-Sohn-ähnliche Beziehung bestanden. Eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sei zwar vorgelegen, nicht aber eine Geschlechtsgemeinschaft.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Ob eine von jener von Eheleuten verschiedene Gefühlsbeziehung eine Lebensgemeinschaft und damit ein Eintrittsrecht begründen könne, sei bisher noch nicht entschieden worden.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beiden Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern, d.h. die Kündigung aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeanwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerber führen aus, bei dem Eintrittsrecht stehe die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft im Vordergrund. Demgegenüber könnten die geschlechtlichen Beziehungen gegenüber anderen persönlichen Beziehungen in den Hintergrund treten. Anderenfalls würde der Gesetzgeber Lebensgemeinschaft führende ältere Personen vom Eintrittsrecht ausschließen. Die verstorbene Mieterin und der Erstbeklagte hätten einander umfassenden Beistand geleistet.

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG liegt vor, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs 3 MRG) dienen. Eintrittsberechtigt nach § 14 Abs 3 MRG sind der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und Geschwister des bisherigen Mieters, soferne diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis aufweisen und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (SZ 42/129 = MietSlg 21.520; EvBl 1973/103 = MietSlg 24.327; MietSlg 34.454; MietSlg 39.298 und 40.301), ist diese Aufzählung der Eintrittsberechtigten taxativ, welhalb auch Pflegekinder nach dem Tod des Mieters nicht eintrittsberechtigt sind (SZ 64/119). § 14 Abs 3 MRG enthält keine Rechtslücke, das heißt das Gesetz ist, gemessen an seiner eigenen Absicht und der inmmanenten Teleologie, nicht unvollständig oder ergänzungsbedürftig (Koziol-Welser, Grundriß I9, 24).

Durch die eng umschriebene Aufzählung ist der restriktive Charakter der Anspruchsvoraussetzungen des Eintrittsrechtes erkennbar, indem etwa im Vergleich zu anderen Regelungen (vgl § 16 UrlG) Pflegekinder nicht erwähnt sind. Es verstieße daher gegen die erkennbare Absicht des Gesetzgebers, entgegen dieser engen Umschreibung die Anspruchsvoraussetzungen im Wege der Analogie dadurch auszuweiten, daß auch wahlkindähnliche Verhältnisse einbezogen würden.

Im Wege des Umkehrschlusses und aus dem in der Rechtsprechung hervorgehobenen Erfordernis der Eheähnlichkeit folgt weiters, daß die "Lebensgemeinschaft" in einem engeren Sinne als in einem bloß "gemeinsamen Leben" von Personen verschiedenen Geschlechtes zu verstehen ist.

Wegen des großen Altersunterschiedes von über 40 Jahren und der angestrebten, aber nicht verwirklichten Adoption zwischen der verstorbenen Mieterin und dem Erstbeklagten ist hier wohl eine Mutter-Sohn-ähnliche Beziehung, aber keine Lebensgemeinschaft in diesem engen Sinne des § 14 Abs 3 MRG anzunehmen.

Die Kostenentscheidung ist in §§ 41, 50 ZPO begründet.

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