OGH 2Ob603/93

OGH2Ob603/9327.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden (gefährdeten) Partei Maria L*****, vertreten durch Dr.Franz Hofbauer, Rechtsanwalt in Ybbs, wider die beklagte Partei (Gegner der gefährdeten Partei) Alois L*****, vertreten durch Dr.Eduard Pranz, Dr.Oswin Lukesch und Dr.Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Unterhalt, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 27.Oktober 1993, GZ R 740/93-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mank vom 25. August 1993, GZ C 232/93 t-6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß sie insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Einstweilige Verfügung:

Der beklagten Partei wird aufgetragen, der klagenden Partei

a) ab 1.6.1993 bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreites einen vorläufigen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.200, und zwar die bis zur Zustellung dieses Beschlusses anfallenden Beträge sofort, die künftig fällig werdenden Beiträge am Ersten eines jeden Monats im vorhinein;

b) sowie einen Prozeßkostenvorschuß für das gegenständliche Verfahren von S 10.000 binnen drei Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses

zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 1.800 und eines weiteren Prozeßkostenvorschusses von S 15.000, wird abgewiesen.

Die klagende Partei, die die Kosten des Sicherungsverfahrens im Umfang der Stattgebung vorläufig und im Umfang der Abweisung endgültig selbst zu tragen hat, ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten des Provisorialverfahrens den Betrag von S 4.191,98 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei an Kosten des Revisionsrekursverfahrens den Betrag von S 1.811,50 binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die am 31.8.1927 geborene Klägerin und der am 3.4.1929 geborene Beklagte haben am 23.4.1954 die Ehe geschlossen, der fünf volljährige Kinder entstammen. Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich das von ihnen bewohnte Einfamilienhaus befindet.

Mit der am 27.5.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Frau die Scheidung aus dem Alleinverschulden des Mannes sowie die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von 3.000 S. Mit der Klage verband sie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, daß der Beklagte einen Prozeßkostenvorschuß von S 25.000 und vorläufige monatliche Unterhaltsbeiträge von S 3.000 ab 1.6.1993 zu bezahlen habe.

Die Klägerin brachte dazu vor, der Beklagte erziele ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 25.000 S. Davon bestreite er die Betriebskosten des Hauses und stelle ihr ein monatliches Haushaltsgeld von S 5.000 zur Verfügung, von dem aber auch der Beklagte versorgt werde. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihre persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen, sie könne ohne Unterstützung ihrer Kinder nicht einmal die notwendige Kleidung kaufen.

Der Beklagte sprach sich gegen die beantragte einstweilige Verfügung aus und behauptete ein monatliches Einkommen von S 13.000; davon zahle er an die Klägerin S 5.000 und in den Sonderzahlungsmonaten S 10.000, weiters bestreite er die fixen Kosten des Hauses von rund S 4.000 monatlich. Von seinem Einkommen verblieben ihm somit S 4.000.

Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab, wobei es von folgendem Sachverhalt ausging:

Der Beklagte, dessen Pension im Monatsdurchschnitt S 15.166 netto ausmacht, arbeitete auf Baustellen, wo er neben dem Trinkgeld das Mittagessen und das Nachtmahl erhält. Im Jahresschnitt verdiene er aus dieser Tätigkeit S 3.500 monatlich, so daß sein gesamtes monatliches Durchschnittsnettoeinkommen S 18.666 ausmacht.

Der Beklagte trägt die Betriebskosten des gemeinsam mit der Klägerin bewohnten Einfamilienhauses in der Höhe von durchschnittlich S 4.000 monatlich und stellt der Klägerin ein monatliches Wirtschaftsgeld von S 5.000 und anläßlich der zweimal jährlich anfallenden Sonderzahlungen einen weiteren Betrag von jeweils S 5.000 zur Verfügung. Hievon bezahlt die Klägerin die gesamten Kosten des Haushaltes mit Ausnahme der Betriebskosten. Sie kann von diesem Wirtschaftsgeld S 500 bis S 1.000 monatlich ansparen und finanziert damit das Taschengeld ihrer elf Enkelkinder.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Klägerin habe gemäß § 94 Abs 2 erster Satz ABGB einen Unterhaltsanspruch im Ausmaß von 33 % der Bemessungsgrundlage von S

18.666. Da der Beklagte die Hauptmahlzeiten häufig nicht zu Hause einnehme, verbrauche die Klägerin vom Wirtschaftsgeld von S 5.000 zwei Drittel, also S 3.333. Zudem erhalte sie aufgrund der zweimaligen Zahlung von S 5.000 anläßlich der Sonderzahlungen im Monat durchschnittlich S 833 und entfielen auf sie an vom Beklagten bezahlten Betriebskosten S 2.000. Insgesamt ergebe dies einen Betrag von S 6.166, durch den der Beklagte seiner Unterhaltspflicht nachgekommen sei. Da der Beklagte seine Unterhaltspflicht erfüllt habe und die Klägerin in der Lage sei, monatlich S 500 bis S 1.000 anzusparen, bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses.

Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht änderte die Entscheidung ab und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung eines vorläufigen monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 2.500 und eines Prozeßkostenvorschusses von S 20.000; das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 500 und eines weiteren Prozeßkostenvorschusses von S 5.000 wurde abgewiesen.

Das Rekursgericht wies darauf hin, daß der Anteil von 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen lediglich eine von der Rechtsprechung entwickelte Orientierungshilfe darstelle, welche im Gesetz keine Deckung habe. Die von der Judikatur entwickelten Prozentwerte könnten im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruches zugrunde gelegt werden, nicht aber generell als Maßstab für die Unterhaltsbemessung dienen. Vielmehr seien immer die besonderen Umstände des Einzelfalles für die Festsetzung der Höhe des zu leistenden angemessenen Unterhaltes maßgebend.

Im vorliegenden Fall decke der Beklagte den Wohnbedarf der Klägerin durch Zahlung der monatlichen Betriebskosten und den Bedarf an Nahrung durch Zurverfügungstellung des Haushaltsgeldes - Wirtschaftsgeldes von monatlich S 5.833. Einen geringen Spielraum für andere Bedürfnisse habe die Klägerin insoweit, als sie sich von dem ihr an Haushalts- bzw Wirtschaftsgeld zur Verfügung gestellten Betrag monatlich S 500 bis S 1.000 ersparen könne. Von der Bemessungsgrundlage von S 18.666 verblieben dem Beklagten im Monat durchschnittlich S 8.833, während der Klägerin zur Befriedigung anderer Bedürfnisse nur S 750 zur Verfügung stünden; es stehe sohin dem Mann nahezu der zwölffache Betrag der Frau zu. Dieses Ergebnis sei unbillig und widerspreche dem Prinzip der Partnerschaft und der Gleichberechtigung, weil ein Betrag von rund S 750 nicht ausreichend sei, um über Wohnung und Nahrung hinausgehende Bedürfnisse angemessen zu befriedigen. Zu einem der Rechtslage entsprechenden Ergebnis komme man vielmehr dann, wenn man die prozentuelle Aufteilung des Einkommens nur hinsichtlich jenes Betrages vornehme, der nach Abzug der Betriebskosten des Hauses und des Haushaltsgeldes verbleibe; setze man die Ersparnisse der Klägerin im Mittelwert mit S 750 an, so ergebe der Abzug von S 4.000 und S 5.083 (S 5.833 minus S 750) von S

18.666 einen Betrag von S 9.583; 33 % dieses Betrages machten S 3.162 aus, so daß eine ausreichende Alimentierung vorliege, wenn der Beklagte einen weiteren Betrag von S 2.500 monatlich leiste.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei auch das Haushaltsgeld nicht im Verhältnis 2 : 1 zwischen den Streitteilen aufzuteilen, weil dem geringeren Essensbedarf des Beklagten sicher ein Mehrbedarf etwa in der Form gegenüberstehe, daß die Klägerin mehr verschmutzte Arbeitskleidung für den Beklagten waschen müsse, als für sich selber und daß dieser aufgrund seiner Tätigkeit wohl auch häufiger duschen oder baden werde. Zu bedenken sei auch, daß im Haushalts- und Wirtschaftsgeld nicht nur Aufwendungen für das Essen und Trinken enthalten seien, sondern auch alle jene Aufwendungen an Putz- und Reinigungsmitteln, die zu einer ordentlichen Versorgung des Hauses erforderlich seien.

Zu einem ähnlichen Ergebnis käme man auch, wenn man das Naturaleinkommen des Klägers in Form des Essens und Trinkens, welches ihm aufgrund seiner Arbeitstätigkeit an mehreren Tagen wöchentlich unentgeltlich außer Haus zur Verfügung gestellt werde, entsprechend in Geld bewerte.

Da ein Prozeßkostenvorschuß einen Ausfluß der Unterhaltsbemessung bilde, sei auch der diesbezügliche Anspruch der Klägerin dem Grunde nach berechtigt, doch erscheine vorläufig ein Betrag von S 20.000 ausreichend, zumal im Zuge des Verfahrens weiterhin die Möglichkeit gegeben sei, einen weiteren derartigen Vorschuß zu verlangen.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt, weil in der vom Rekursgericht vertretenen Rechtsansicht ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung erblickt werden könne.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wieder hergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsrekursbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und zum Teil auch berechtigt.

Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, es bestehe kein Grund, von den von der Rechtsprechung entwickelten Prozentsätzen abzugehen. Der vorliegende Fall unterscheide sich in keiner Weise von anderen gleichgelagerten Fällen, in denen ein Unterhalt von 33 % zugesprochen worden sei.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Gemäß § 94 Abs 2 ABGB hat der haushaltsführende Ehegatte einen Anspruch auf Unterhalt. Der Zuspruch eines Unterhalts in Höhe von 33 % des Einkommens des Ehemannes an die einkommenslose Ehefrau entspricht den allgemein üblichen Sätzen (Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 92 E 8). Die von der Rechtsprechung entwickelten Prozentsätze sind als Orientierungshilfe brauchbar, um für Durchschnittsfälle eine "generalisierende Regel" zur Verfügung zu haben (EFSlg 61.752 uva); das aus Berechnungsformeln (Prozentsätzen) resultierende Ergebnis ist dann nicht bindend, wenn besondere vom Durchschnitt abweichende Umstände des Einzelfalles für einen höheren oder niedrigeren Unterhaltsanspruch sprechen (EFSlg 61.753; RZ 1992/95). Insbesondere kommt zur Sicherung des Existenzminimums (Richtsatz für die Gewährung von Ausgleichszulagen) ausnahmsweise eine Erhöhung des Prozentsatzes in Frage (EFSlg 64.912; vgl auch RZ 1992/49).

Im vorliegenden Fall erreicht der vom Beklagten geleistete Unterhalt nicht den Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage gemäß § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG in der Höhe von S 6.500 (14mal jährlich), so daß insoferne zur Sicherung des Existenzminimums eine Erhöhung des Unterhaltsbeitrages zu erfolgen hat. Andere Umstände, die ein Abgehen von der üblicherweise geltenden Kriterien rechtfertigten, sind aber nicht erkennbar. Daß der Klägerin wesentlich weniger Bargeld zur Verfügung steht, als dem Beklagten hat seine Rechtfertigung darin, daß der Unterhalt bei aufrechter ehelicher Gemeinschaft im gemeinsamen Haushalt grundsätzlich zum Großteil in natura zu leisten ist (Thöni, Geldunterhalt und Naturalunterhalt in Harrer-Zitta, Familie und Recht, 10 mwN aus Lehre und Rechtsprechung). Unter Zugrundelegung der Feststellungen der Vorinstanzen errechnet sich sohin folgender (vorläufiger) Unterhaltsanspruch der Klägerin:

Auszugehen ist davon, daß der Beklagte an Unterhalt S 2.000 monatlich durch Bezahlung der Betriebskosten von S 4.000 für das Haus, S 2.500 an auf die Antragstellerin entfallendem Wirtschaftsgeld (gegen die vom Rekursgericht vorgenommene Teilung des Wirtschaftsgeldes von S 5.000 im Verhältnis 1 : 1 bestehen keine Bedenken), und S 833 pro Monat (aufgrund der Sonderzahlungen, die dem Beklagten zukommen) leistet. Insgesamt wird sohin durch den Beklagten Unterhalt in der Höhe von S 5.333 geleistet, während der Unterhaltsanspruch der Klägerin unter Zugrundelegung der Prozentsatzmethode S 6.222 beträgt. Nach Ansicht des erkennenden Senates ist aber ein vorläufiger (weiterer) Unterhalt von monatlich S 1.200 angemessen, weil der Betrag von S 6.222 unter dem Existenzminimum liegt.

Auch die Deckung notwendiger Prozeß- und Anwaltskosten zählt zum Unterhalt, sie sind daher aus dem Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB zu decken und nicht als gesonderter Vorschuß außerhalb des einstweiligen Unterhaltes zuzusprechen. Wenn sich allerdings aus der Prozeßgefahr ein besonderer Unterhaltsbedarf ergibt, den der Unterhaltsberechtigte aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen nicht decken kann, ist ein Prozeßkostenvorschuß zuzusprechen, soferne dies dem Unterhaltspflichtigen neben der laufenden Unterhaltsleistung zumutbar ist (Purtscheller-Salzmann, aaO, Rz 333). Da im vorliegenden Fall der Beklagte seine Unterhaltspflicht nicht vollständig erfüllt hat und die Prozeßkosten aus den laufenden Unterhaltsbeiträgen nicht gedeckt werden können, steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß zu, der als einstweiliger Unterhalt (§ 382 Abs 1 Z 8 EO) geltend gemacht werden kann. Der Höhe nach erscheint jedoch ein Betrag von S 10.000 vorläufig ausreichend, zumal ja der Klägerin nunmehr weitere S 1.200 pro Monat zur Verfügung stehen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich in Ansehung der Klägerin auf § 393 Abs 1 EO. Der Beklagte hingegen, dem es gelungen ist, einen Teil des Sicherungsantrages abzuwehren, hat gemäß §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO einen Anspruch auf Ersatz der Kosten in jenem Ausmaß, in dem er im Provisorialverfahren erfolgreich war (ÖBl 1991, 64; 1 Ob 501/93). Die Klägerin hat dem Beklagten gegenüber einen Anspruch in der Höhe von S 61.000 geltend gemacht, sie ist aber nur mit einem solchen von S 24.400 durchgedrungen, so daß es dem Beklagten gelungen ist, den Sicherungsantrag zu 60 % abzuwehren und ihm ein Anspruch auf 60 % seiner Kosten zusteht. Daraus errechnet sich eine Kostenersatzpflicht der Klägerin für das Verfahren erster Instanz in der Höhe von S 4.191,98, am Rekursverfahren hat sich der Beklagte nicht beteiligt. Im Revisionsrekursverfahren ist der Beklagte etwa zur Hälfte durchgedrungen, so daß ihm die Klägerin 50 % der mit S 3.623 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 603,80, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen hat.

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