OGH 13Os155/93

OGH13Os155/9326.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.‑Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Markel, Dr. Mayrhofer und Dr. Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Josef F* wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 19. August 1993, GZ 7 Vr 476/93‑11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Rabl zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1994:0130OS00155.9300000.0126.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

I. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Kostenausspruch unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Franz Josef F* hat am 14. Oktober 1992 in St. Pantaleon vorsätzlich eine falsche Urkunde, nämlich die Übernahmsbestätigung (§ 163 PostO) betreffend eine Paketsendung auf der Zustellkarte, die er durch Nachmachen der Unterschrift der Empfängerin Mag. Sonja E* hergestellt hatte, im Rechtsverkehr zum Beweis der Tatsache der postordnungsgemäßen Zustellung des Paketes gebraucht, indem er sie seiner Dienststelle bei der Zwischenabrechnung des Zustellganges vorlegte.

Franz Josef F* hat hiedurch das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür nach §§ 37 Abs 1, 223 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen zu 200 S (zweihundert Schilling), für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 30 (dreißig) Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

II. Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO (§ 42 StGB) gestützt wird, wird sie verworfen.

III. Im übrigen wird der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit seiner Berufung auf die zu I getroffenen Entscheidungen verwiesen.

IV. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens, soweit sie durch seine Rechtsmittel verursacht worden sind, zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Postbeamte Franz Josef F* des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die ihm für eine Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen wurde.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 14. Oktober 1992 in St. Pantaleon als Beamter der Post‑ und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg mit dem Vorsatz, die Mag. Sonja E* an ihrem konkreten Recht "auf ordnungsgemäße postalische Behandlung der Sendung" zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er trotz Abwesenheit der Empfängerin Mag. Sonja E* ein Paket auf deren Briefkasten stellte und die Übernahmsbestätigung in der Zustellkarte selbst mit dem Namen der Empfängerin unterfertigte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5, 5 a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), ohne daß der Beschwerdeführer einen Rechtsirrtum ausdrücklich oder durch deutliche Hinweisung auch in dieser Richtung geltend gemacht hätte (§ 290 Abs 1 StPO).

Die "ordnungsgemäße postalische Behandlung von Sendungen" schlechthin ist kein konkretes, von § 302 StGB geschütztes Recht. Damit ist nur die Summe der bei der Beförderung von Postsendungen maßgebenden Postvorschriften angesprochen, denen in dieser allgemeinen Formulierung eben kein konkreter Parteienanspruch gegenübersteht. Nicht jede Verletzung von Vorschriften, die ein Zusteller bei der Behandlung von Postsendungen einzuhalten hat, bewirkt schon für sich gleichzeitig auch die Schädigung an einem konkreten Recht. Ob ein solches besteht und durch die Mißachtung von Vorschriften verletzt wurde, ist vielmehr von Fall zu Fall besonders zu untersuchen und festzustellen (auch in SSt 49/32 [verst. Senat] S. 115 wurde die "ordnungsgemäße postalische Behandlung" nicht schlechthin als geschütztes Recht statuiert, sondern mit der Beförderung und allfälligen Rücksendung eines Paketes konkret umschrieben).

Die hier aktuellen Rechte lassen sich aus den einschlägigen Vorschriften wie folgt konkretisieren:

1. das Recht des Absenders auf Beförderung von Postsendungen zum Empfänger (insb. § 6 PostG; §§ 166 ff. PostO);

2. das Recht des Empfängers auf Zustellung von Postsendungen (insb. § 6 PostG; §§ 142 ff., 166 ff. PostO);

3. das Recht des Empfängers auf Verweigerung der Übernahme von Postsendungen (§§ 202 f. PostO);

4. das Recht des Absenders auf Rücksendung bei Verweigerung der Übernahme durch den Empfänger (§§ 208 ff. PostO).

Damit eine wissentliche Mißachtung von Postvorschriften einem Postbeamten als Mißbrauch der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB zugerechnet werden kann, bedarf es der Feststellung, daß die durch den Befugnismißbrauch (objektiv) drohende Rechtsschädigung auch (subjektiv) vom ‑ zumindest bedingten ‑ Vorsatz des Täters umfaßt ist.

Die dazu im Urteil getroffenen Feststellungen vermögen allerdings den Schuldspruch nicht zu tragen.

Der Sachverhaltsdarstellung (US 3), wonach der Angeklagte das Paket an der Abgabestelle in der Absicht zurückgelassen hatte, die Übernahmsbestätigung (§ 163 PostO) durch die Empfängerin später einzuholen, worauf er in der Folge vergaß, weshalb er in der Annahme, die Empfängerin würde das Paket ohnehin übernehmen, die Übernahmsbestätigung mit deren Namen unterfertigte, läßt sich vielmehr entnehmen, daß der Beschwerdeführer gerade nicht den Vorsatz hatte, den Absender an seinem Beförderungsanspruch oder die Empfängerin an ihrem Recht auf Zustellung der an sie adressierten Sendung oder ersteren an seinem aus einer Annahmeverweigerung durch die Empfängerin resultierenden Rücksendungsanspruch zu schädigen. Daß der Angeklagte solcherart den Beförderungserfolg unter wissentlicher Verletzung von Zustellvorschriften erreichen wollte, begründet nur das Tatbestandselement des Befugnismißbrauchs.

Die Konstatierung (US 4) hinwieder, dem Angeklagten sei bewußt gewesen, daß er durch die Verletzung der Vorschriften die Empfängerin an ihrem "Recht auf ordnungsgemäße postalische Behandlung der Sendung" verletzen würde, und daß er sich damit abgefunden hätte, ist deshalb unzulänglich, weil ein solches durch § 302 StGB geschütztes allgemeines Recht auf Einhaltung von Zustellvorschriften ‑ wie oben ausgeführt ‑ nicht besteht.

Die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Überlegung (US 4), daß dem Angeklagten "sehr wohl bewußt gewesen sein mußte, die 'übergabslose' Zurücklassung des Paketes und die Fälschung der Übernahmsbestätigung würde die Empfängerin an ihrem Recht auf ordnungsgemäße Zustellung beeinträchtigen und ihr auch die Möglichkeit nehmen, von ihrem Annahmeverweigerungsrecht Gebrauch zu machen", ist ihrerseits schon deshalb ‑ abgesehen von der undeutlichen Umschreibung der Wissenskomponente des Vorsatzes mit der Wortfolge: "mußte .... bewußt gewesen sein" ‑ in rechtlicher Hinsicht mangelhaft, weil sie keine ausreichende Aussage zum voluntativen Vorsatzelement enthält.

Die in der rechtlichen Beurteilung zum Ausdruck gebrachte Konstatierung (US 5/6), daß dem Angeklagten "bewußt war", durch sein vorschriftswidriges Vorgehen "die Empfängerin in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Zustellung, insbesondere auch in ihrem Recht, die Annahme zu verweigern", zu beeinträchtigen, läßt gleichermaßen die Frage offen, ob sich der Beschwerdeführer mit einem solchen Erfolg auch abgefunden hat.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite sind somit nicht bloß ‑ wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO ansatzweise rügt ‑ mit sich selbst im Widerspruch, es liegen zum Schädigungsvorsatz vielmehr überhaupt keine tragfähigen Feststellungen vor, sei es, daß der Begriff des als geschädigt angesehenen Rechtes rechtsirrtümlich überdehnt wurde, sei es, daß in Ansehung des konkreten Rechtes der Empfängerin auf Annahmeverweigerung ein wesentliches Vorsatzelement nicht konstatiert worden ist. Dies war von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO).

Die fehlenden Feststellungen lassen sich nach der Aktenlage aber auch in einem zweiten Rechtsgang nicht nachholen, geht doch das Erstgericht in Übereinstimmung mit den Verfahrensergebnissen selbst (zunächst) davon aus, daß der Angeklagte subjektiv davon überzeugt war, Mag. Sonja E* würde die Annahme des Paketes, wie schon früher in ähnlichen Fällen, nicht verweigern (US 3).

Das Urteil war daher sogleich zu kassieren.

Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen hat der Angeklagte allerdings die Übernahmsbestätigung der Empfängerin vorsätzlich nachgemacht und diese falsche Urkunde bei der Zwischenabrechnung seines Zustellganges auch vorsätzlich gebraucht (S. 52). Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO konnte demnach in der Sache selbst sogleich auf Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB erkannt werden, zumal von mangelnder Strafwürdigkeit der Tat (§ 42 StGB), keine Rede sein kann, weil mit Rücksicht auf die gegebenen formellen Voraussetzungen einer Strafschärfung nach § 313 StGB das tatbildmäßige Verhalten des Angeklagten hinter dem in der Strafdrohung des § 223 StGB typisierten Unrechts‑ und Schuldgehalt keineswegs erheblich zurückgeblieben ist.

In letzterem Punkte (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) war die ausdrücklich unter dem Aspekt der geänderten rechtlichen Beurteilung ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen. Im übrigen aber war auf sie angesichts der getroffenen Sachentscheidung, mit der dem Beschwerdeanliegen sonst im Ergebnis Rechnung getragen wurde, nicht mehr einzugehen.

Bei der Strafneubemessung wurde als erschwerend gewertet, daß der Angeklagte die Tat unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit begangen hat (§ 313 StGB); mildernd war hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel und sein Geständnis. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 StGB war statt auf eine nach dem Gesetz angedrohte Freiheitsstrafe auf eine Geldstrafe zu erkennen, die in der Höhe von 60 Tagessätzen der unrechtsbezogenen Schuld des Angeklagten entspricht (§ 32 StGB). Der Tagessatz wurde unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Monatsnettoeinkommens von ca. 15.000 S bei zwei Sorgepflichten mit 200 S festgesetzt.

Die Berufung des Angeklagten ist damit gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO und bezieht sich nur auf die Verfahrenskosten, die in Erledigung der Rechtsmittel selbst aufgelaufen sind, nicht jedoch auf die Kosten der amtswegigen Maßnahme (vgl. Mayerhofer‑Rieder StPO E 14 zu § 390 a).

 

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