OGH 1Ob629/93

OGH1Ob629/9325.1.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinrich ***** R*****, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rotraud B*****, vertreten durch Dr. Anton Eichinger und Dr. Michael Augustin, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Aufkündigung (Räumung), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 3. November 1993, GZ R 1044/93-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Leoben vom 18. August 1993, GZ 9 C 706/92z-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution das Grundstück *****, Grundbuch R*****, samt dem darauf befindlichen Forsthaus R*****, Gemeinde M***** - mit Ausnahme des nicht vermieteten und von außen mit separatem Eingang erreichbaren Kellerraums, der zur Lagerung von Wildfutter dient - zu räumen und der klagenden Partei geräumt zu übergeben, sowie der klagenden Partei die mit S 6.981,12 (darin enthalten S 1.073,52 Umsatzsteuer und S 540,-- Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 2.175,36 (darin enthalten S 362,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger vermietete der Beklagten für die Zeit vom 1.7.1985 bis 30.6.1990 das Grundstück ***** Grundbuch R***** samt Forsthaus mit Ausnahme eines näher umschriebenen Kellerraumes als Ferienwohnsitz. Im Mietvertrag wurden monatliche Zinszahlungen vereinbart. Die Beklagte nutzte nach Ablauf der bedungenen Bestandzeit das Mietobjekt weiter und entrichtete weiterhin den Bestandzins. Im Frühjahr 1992 wurde der Beklagten seitens des Klägers der Abschluß eines neuen, abermals auf 5 Jahre befristeten Bestandvertrages angeboten. Die Beklagte erklärte im Zuge eines am 31.3.1992 geführten Telefonats, den angebotenen und ihr übermittelten Mietvertrag nicht unterfertigen zu wollen. Daraufhin wurde der Beklagten mitgeteilt, sie habe die Kündigung zu gewärtigen. Das entsprechende Kündigungsschreiben des Klägers vom 7.4.1992 wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 17.4.1992 dahin beantwortet, daß sie erklärte, die Kündigung nicht anzunehmen. Der Kläger nahm die von der Beklagten geleisteten Mietentgelte ab dem 1.7.1992 nicht mehr an.

Mit der vorliegenden Klage, die am 28.12.1992 beim Erstgericht einlangte, begehrte der Kläger die Übergabe des Bestandobjektes bis längstens 31.1.1993. Die „Aufkündigung“ wurde der Beklagten laut Rückschein am 31.12.1992 durch Hinterlegung zugestellt.

Die Beklagte erhob am 19.1.1993 Einwendungen. Zur Rechtzeitigkeit der Einwendungen führte sie aus, daß ihr die „Aufkündigung“ infolge Ortsabwesenheit tatsächlich erst am 15.1.1993 zugegangen sei. Die Frage der Ortsabwesenheit der Beklagten wurde vom Erstgericht nicht geprüft, die Einwendungen wurden vielmehr als rechtzeitig erachtet. In den Einwendungen führte die Beklagte aus, infolge Entgegennahme des Bestandzinses durch den Kläger nach Ablauf der Bestandzeit gelte der Bestandvertrag als stillschweigend „auf weitere 5 Jahre“ erneuert. Es sei daher von einem zeitlich befristeten Bestandverhältnis bis zum 30.6.1995 auszugehen. Kündigungsgründe lägen nicht vor.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Räumung des Bestandobjektes binnen 14 Tagen. Die Bestimmungen des MRG seien gemäß § 1 Abs. 2 Z 4 leg. cit. auf das vorliegende Mietverhältnis nicht anzuwenden. Gemäß § 1115 ABGB sei von einer stillschweigenden Verlängerung des Bestandvertrags für die Dauer von je einem Monat auszugehen, weil monatliche Zinszahlung im Mietvertrag vereinbart gewesen sei. Mit Ablauf des 30.6.1992 sei der Titel für die Benützung des Bestandgegenstandes weggefallen, weil der Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht habe, das Bestandverhältnis nicht fortsetzen zu wollen.

In ihrer Berufung machte die Beklagte als Feststellungsmangel geltend, daß der Kläger bis in das Jahr 1992, also lange nach Ablauf des auf 5 Jahre befristeten Mietvertrages, keinerlei Veranlassung zu ihrer Entfernung der getroffen und sie weiterhin die vereinbarte Miete bezahlt habe. Daraus ergebe sich die konkludente Zustimmung des Klägers zum Abschluß eines weiteren, 5 Jahre währenden Bestandvertrages. Der Kläger gehe von einer titellosen Nutzung des Bestandobjektes aus, weshalb ein Räumungsbegehren zu stellen gewesen wäre. Das verfehlte Klagebegehren sei schon aus diesem Grunde abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es zu lauten habe:

„Die Aufkündigung vom 18.12.1992, bei Gericht eingebracht am 28.12.1992, ist wirksam.

Die Beklagte ist schuldig, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution das Grundstück ***** Grundbuch R***** samt dem dort stehenden Forsthaus R*****, Gemeinde M***** - mit Ausnahme des nicht vermieteten und von außen mit separatem Eingang erreichbaren Kellerraumes, der zur Lagerung von Wildfutter dient - zu räumen und dem Kläger geräumt zu übergeben, sowie dem Kläger S 6.981,12 an bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen.“

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

Den geltend gemachten Feststellungsmangel verneinte das Berufungsgericht, weil die Tatsache, daß der Kläger nach Ablauf der bedungenen Bestanddauer bis zum Frühjahr 1992 keine Maßnahmen ergriff, die Beklagte das Bestandobjekt weiter benutzte und den Bestandzins weiterhin zahlte, den Sachverhaltsfeststellungen ohnehin zu entnehmen sei. Der Kläger habe unmißverständlich das Bestandobjekt gerichtlich aufgekündigt. Die allfällige Verletzung der Kündigungsfrist sei von Amts wegen nicht wahrzunehmen, weil die Aufkündigung rechtzeitig eingebracht worden. Das Bestandverhältnis sei nach Ablauf der im Vertrag bedungenen Zeit (30.6.1990) stillschweigend erneuert worden. Die Verlängerung sei aber im Sinne der nunmehr ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre jeweils nur um eine Zinsperiode, also ein Monat, erfolgt. Durch die gerichtliche Kündigung sei das Bestandverhältnis beendet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Rechtsauffassung, der Kläger habe kein Bestandverhältnis aufgekündigt, sondern (inhaltlich) ein Räumungsbegehren gestellt, ist zu folgen. Er hat zwar seinen das Verfahren einleitenden Schriftsatz ausdrücklich als „Aufkündigung“ bezeichnet, sich auf die Anwendung des § 560 ZPO gestützt und begehrt, der „gekündigten“ Partei aufzutragen, das Bestandobjekt zu räumen und der „kündigenden“ Partei geräumt zu übergeben oder binnen 14 Tagen gegen die „Aufkündigung“ Einwendungen zu erheben. Aus all dem ergibt sich aber noch nicht, daß seitens des Klägers eine Aufkündigung des Bestandobjektes erklärt worden wäre. Vielmehr ist im Begehren des Klägers eindeutig ein Auftrag zur Übergabe des Bestandgegenstandes gemäß § 567 ZPO zu erblicken, woran auch die Verwendung der termini „Aufkündigung“ bzw. „kündigende“ und „gekündigte“ Partei nichts ändern können. Der Kläger hat darauf hingewiesen, daß gemäß § 1 Abs. 2 Z 4 MRG die Bestimmungen des MRG nicht anzuwenden seien, er hat ausdrücklich erklärt, eine gerichtliche Aufkündigung sei (grundsätzlich) nicht nötig, er hat lediglich ein Räumungsbegehren gestellt, und keinen Kündigungstermin genannt, was aber essentielles Erfordernis für eine gerichtliche Aufkündigung wäre (Fasching IV 648; derselbe, Lehrbuch2, Rz 2142).

Damit ist aber für die Beklagte nichts gewonnen.

Nach herrschender Lehre ist nicht der erste Halbsatz des § 1115 (Satz 3) ABGB, sondern dessen zweiter Halbsatz berichtigend auszulegen, da der Gesetzestext offenbar auf die seinerzeitige, heute nicht mehr bekannte Praxis bei Vermietungen zurückgeht, daß es auf die Mietzinsperiode ankommt, sodaß bei monatlichen Mietzinszahlungen die Verlängerung immer nur auf einen Monat eintritt (JBl. 1993, 584; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 1115; Klang in Klang V 105; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 6 zu § 29 MRG). In JBl. 1993, 584 hat der Oberste Gerichtshof erneut zum Ausdruck gebracht, daß die vorhin wiedergegebene Auslegung des § 1115 ABGB durch die herrschende Lehre „überzeugend scheint“, diese Auslegung also vollinhaltlich gebilligt wird, wobei bei dieser Entscheidung die der herrschenden Lehre entgegenstehenden Meinungen von Derbolav und Böhm/Schuster (in Korinek/Krejci, Handbuch zum MRG 438 und 483) Berücksichtigung fanden. Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Revision bieten keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzugehen.

Infolge monatlicher Zinszahlungen hat sich der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Bestandvertrag daher jeweils nur auf einen Monat, also auf bestimmte Zeit, verlängert. Die Rechtsfolgen des Erlöschens eines solchen Bestandvertrages werden unter anderem durch einen vor Ablauf der Bestanddauer zu beantragenden Übergabsauftrag im Sinne des § 567 ZPO, der prozessual der Kündigung nach §§ 560 ff ZPO gleicht, durchgesetzt (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 5 zu § 1113). Diesen Übergabsauftrag hat der Kläger mit der hier vorliegenden Klage gestellt und die Übergabe des Bestandobjektes zum 31.1.1993 gefordert. In Anbetracht der lediglich auf einen Monat eingetretenen Verlängerung des Bestandvertrages ist der Übergabsauftrag des Klägers berechtigt. Das Erstgericht hat seine Entscheidung auch als Übergabsauftrag formuliert, wenngleich es im Urteilsspruch an einer Stelle den terminus „kündigende Partei“ verwendet, weshalb der Spruch vom Revisionsgericht neu gefaßt wurde. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes, welche die Beklagte zwar auch zur Räumung des Bestandobjektes verurteilte, rechtsirrig aber vom Vorliegen einer Aufkündigung ausging, war daher mit dieser Maßgabe zu bestätigen.

Da eine Aufkündigung nicht vorliegt, erübrigen sich Ausführungen zum Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Frist gemäß § 560 Abs. 1 Z 2 lit.d ZPO nicht gewahrt.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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