Spruch:
Im Strafverfahren zum AZ 9 E Vr 2898/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz wurde das Gesetz verletzt
1. durch das Urteil vom 22.Oktober 1993 ON 5 (im Strafausspruch) in den Bestimmungen der §§ 31, 40 StGB;
2. durch den Beschluß gemäß § 494 a StPO vom selben Tag ON 6 in der Bestimmung des § 55 Abs. 3 StGB.
Der Strafausspruch des zu Punkt 1 bezeichneten Urteils und der Beschluß gemäß § 494 a StPO (Punkt 2) werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht für Strafsachen Graz aufgetragen, bei der (neuerlichen) Strafbemessung dem Gesetz gemäß zu verfahren.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20.April 1993, GZ 9 E Vr 153/93-8, wurde Hermann W***** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB (Tatzeit 5.März 1991) schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Dieses Urteil erwuchs mit Ablauf des 23.April 1993 in Rechtskraft.
Mit dem Urteil desselben Gerichtshofes (und desselben Einzelrichters) vom 22.Oktober 1993, GZ 9 E Vr 2898/93-5, wurde Hermann W***** abermals wegen des Vergehens des Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 StGB, begangen "zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahre 1991", zu einer (unbedingten) Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 80 S, im Nichteinbringungsfall zu 75 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Eine Bedachtnahme auf das vorerwähnte Urteil gemäß §§ 31, 40 StGB unterblieb; die "einschlägige Vorstrafe" wurde als erschwerend gewertet (S 91).
Gleichzeitig wurde mit Beschluß gemäß § 494 a (Abs. 1 Z 2 und Abs. 7) StPO vom Widerruf der im Verfahren AZ 9 E Vr 153/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die dort ausgesprochene Probezeit auf fünf Jahre verlängert (S 91 und ON 6). Auch dieser Beschluß ist rechtskräftig.
In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur hinsichtlich des angeführten Urteils vom 22. Oktober 1993, GZ 9 E Vr 2898/93-5, eine Verletzung der Vorschriften der §§ 31, 40 StGB und hinsichtlich des Beschlusses vom 22. Oktober 1993, GZ 9 E Vr 2898/93-6, einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 53 StGB geltend.
Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht.
Die beiden angeführten Urteile stehen zueinander im Verhältnis des § 31 StGB, betrifft doch das Urteil vom 22.Oktober 1993 Taten, die nach der (bloß) dem Jahr (1991) nach determinierten Zeit ihre Begehung schon im vorangegangenen Verfahren AZ 9 E Vr 153/93 hätten abgeurteilt werden können. Richtigerweise wäre daher gemäß § 31 Abs. 1 StGB eine Zusatzstrafe zu verhängen gewesen. Die mit dem bezeichneten Urteil vom 22.Oktober 1993 verhängte Strafe verstößt zwar dem Ausmaß nach nicht gegen die zwingenden Grenzen des § 31 StGB, sodaß der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO nicht verwirklicht ist; gleichwohl kann sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung in der Strafbemessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, weil das Gericht rechtsirrig die einschlägige Vorverurteilung als erschwerend wertete. Überdies sind mit der Unterlassung der Anwendung der genannten Gesetzesbestimmungen tilgungsrechtliche Nachteile (§ 4 Abs. 4 TilgG) verbunden.
Aber auch der gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO (aF) gefaßte Beschluß verstößt gegen das Gesetz: Als Folge der Bedachtnahme nach § 31 Abs. 1 StGB wäre die Frage des Widerrufs nicht anhand der Bestimmung des § 53 Abs. 1 StGB, sondern nach § 55 Abs. 1 StGB zu beurteilen gewesen. Unterbleibt aber der Widerruf und wird (wie hier) im zweiten Erkenntnis eine unbedingte Strafe verhängt, kommt § 55 Abs. 3 StGB nicht zur Anwendung, welche Bestimmung im übrigen - anders als die Vorschrift des § 53 Abs. 2 StGB - eine (fakultative) Probezeitverlängerung durch Richterspruch nicht vorsieht. Der bezügliche Beschluß verletzt daher - entgegen der Meinung der Generalprokuratur - das Gesetz in der Bestimmung des § 55 Abs. 3 StGB.
Da sohin auch die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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