OGH 7Nd512/93

OGH7Nd512/9327.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Lukas W*****, wohnhaft bei seiner Mutter Barbara W*****, infolge Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz und dem Bezirksgericht Ried i.I. nach § 111 Abs.2 JN den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache vom Bezirksgericht für ZRS Graz an das Bezirksgericht Ried i.I. wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Eltern des Minderjährigen lebten bis März 1992 in Lebensgemeinschaft in Graz. Als der Vater nach Linz verzog, stellte die Mutter einen Unterhaltsfestsetzungsantrag, den das Bezirksgericht für ZRS Graz antragsgemäß bewilligte. Dieser Beschluß wurde über Rekurs des Vaters mit Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 20.11.1992 (ON 21) mit dem Auftrag behoben, das Einkommen des Vaters im Jahre 1992 durch dessen Einvernahme und durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Buchprüferfach zu erheben. Dies veranlaßte das Bezirksgericht für ZRS Graz im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Linz. Der Vater erhob in der Folge einen Besuchsregelungsantrag, dem die Mutter widersprach und dazu die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Beeinträchtigung des Kindes durch eine Besuchsrechtsausübung durch den Vater beantragte. Die Mutter wiederum erhöhte daraufhin das Unterhaltsbegehren auf monatlich S 2.500,-- für das Kind, worauf sich der Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.500,-- bereiterklärte. Das zur Stellungnahme zum Besuchsrechtsantrag des Vaters gebetene Amt für Jugend und Familie in Graz teilte dem Bezirksgericht für ZRS Graz am 23.7.1993 mit, daß die Mutter mit dem Kind nach Beendigung ihres Studiums Mitte Juli 1993 nach Ried i.I. übersiedelt sei und ersuchte um Übermittlung des Aktes an das zuständige Gericht. Daraufhin übertrug das Bezirksgericht für ZRS Graz die Pflegschaftssache dem Bezirksgericht Ried im Innkreis gemäß § 111 Abs.1 JN mit Beschluß vom 4.8.1993 (ON 44). Das Bezirksgericht Ried i.I. lehnte jedoch im Hinblick auf den seiner Ansicht nach entscheidungsreifen Unterhaltsfestsetzungsantrag eine Übernahme der Pflegschaftssache ab.

Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 JN setzt voraus, daß dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies trifft regelmäßig dann zu, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der gewöhnliche Aufenthalt und Mittelpunkt der Lebensführung des Minderjährigen liegt (vgl. 4 Nd 533/72, zuletzt 6 Nd 506/92 sowie EFSlg. 34.315). Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann kann auch die Nichterledigung eines Antrages kein Hindernis für die Übertragung der Zuständigkeit sein. Wurden jedoch alle zur Entscheidung erforderlichen Beweise bereits aufgenommen, kann es im Einzelfall zweckmäßiger sein, die Entscheidung über einen offenen Antrag dem bisherigen Gericht zu überlassen (vgl. 3 Nd 510/87 und 3 Nd 505/90).

Im vorliegenden Fall wurde sowohl über den Antrag auf Unterhaltsfestsetzung als auch über jenen auf Besuchsrechtsfestsetzung noch nicht entschieden. Sieht man von dem längst überfälligen Sachverständigengutachten aus dem Buchprüferfache ab, ist der Unterhaltsfestsetzungsantrag entscheidungsreif. Im Hinblick auf die überlange Verfahrensdauer (die Antragerstellung erfolgte am 27.4.1992) erscheint es im vorliegenden Fall zweckmäßig, daß das bisher damit befaßte Gericht auch darüber entscheidet und erst dann die Übertragung an das Bezirksgericht Ried i.I. gemäß § 111 JN vornimmt, das dann über den noch offenen Antrag auf Besuchsrechtseinräumung abzusprechen haben wird.

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