OGH 13Os142/93

OGH13Os142/9322.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Obergmeiner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard L* wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 31.März 1992, GZ 28 Vr 1.521/91‑21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00142.9300000.1222.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde Gerhard L* (1) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB und (2) des Vergehens (richtig: Verbrechens) der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

1. von August 1988 bis August 1989 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Claudia S* in wiederholten Angriffen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich über seine Rückzahlungsfähigkeit und ‑willigkeit sowie durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei schwer erkrankt und müsse Operationen an sich vornehmen lassen, zur Übergabe von Bargeldbeträgen von insgesamt 518.000 S und weiteren Beträgen von zusammen ca 40.000 S verleitet, wodurch Claudia S* am Vermögen um einen 500.000 S übersteigenden Betrag geschädigt wurde und wobei er die Betrügereien in der Absicht begangen hat, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

2. im Herbst 1989 in Enns die Claudia S* durch die Drohung, er werde sie durch Freunde umbringen lassen, wenn sie eine Anzeige gegen ihn erstattete, wobei er dazu auch bemerkte, daß er in Zuhälterkreisen Freunde habe, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung einer Anzeigenerstattung genötigt.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 1, 3, 5, 5 a, 8, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Daß an der Verhandlung und Entscheidung ein entgegen der Vorschrift des § 240 a StPO nicht beeideter Schöffe teilgenommen hat, vermag den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1 StPO von vornherein nicht herzustellen, weil die Frage der Beeidigung eines Laienrichters für die gehörige Besetzung des Gerichtshofes, die die Beschwerde unter diesem Nichtigkeitsgrund rügt, ohne rechtliche Relevanz ist, sofern der Betreffende nur in der aktuellen Dienstliste aufscheint und damit zur Ausübung dieses Amtes befugt ist.

Zwar kann die Unterlassung der Beeidigung eines Schöffen als Verletzung der Bestimmung des § 240 a StPO Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO begründen, doch liegt im gegenständlichen Fall auch dieser Nichtigkeitsgrund nicht vor, weil nach dem ‑ vom Vorsitzenden aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde zulässigerweise (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 33 zu § 271) berichtigten ‑ Hauptverhandlungsprotokoll die ordnungsgemäße Beeidigung beider Schöffen klargestellt worden ist (S 3 h verso, 108).

Die Überschreitung der vierzehntägigen Ausfertigungsfrist des § 270 Abs 1 StPO begründet ebensowenig eine Urteilsnichtigkeit (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 4 zu § 270) wie der Umstand, daß das Hauptverhandlungsprotokoll vom Vorsitzenden handschriftlich ergänzt, aber vom Schriftführer nicht mehr unterfertigt worden ist. Mit Nichtigkeit ist nur die gänzliche Unterlassung der Protokollierung bedroht (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 22 zu § 271).

Zu Punkt 1. des Schuldspruches:

Entgegen der in der Mängelrüge (Z 5) vertretenen Auffassung konnte eine Erörterung der Aussage des Zeugen Mag.B* unterbleiben, da dessen Ausführungen lediglich die Bemühungen des Angeklagten um nachträgliche Schadensgutmachung (S 140 ff) und damit keine Tatsachen betreffen, die für die Entscheidung der Schuldfrage von Bedeutung sind. Mit der Aussage der Zeugin Z* aber haben sich die Tatrichter ohnedies eingehend auseinandergesetzt (S 190 f, 206 f).

Die reklamierte Aktenwidrigkeit in Ansehung der Urteilsfeststellung, Claudia S* habe (erst) im Juli 1989 von den finanziellen Schwierigkeiten des Angeklagten erfahren, wohingegen sie in der Hauptverhandlung angegeben hat, von seinen Schulden (bereits) im Juni 1989 Kenntnis erlangt zu haben (S 158), liegt schon deshalb nicht vor, weil eine unrichtige Wiedergabe der Zeugenaussage gar nicht behauptet wird. Das Erstgericht hat vielmehr festgestellt, daß der Angeklagte im Juli 1989 seine finanziellen Schwierigkeiten gegenüber S* eingestehen mußte (S 199). Diese Feststellung findet aber in der Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung (S 166) volle Deckung und steht auch mit ihren von der Beschwerde zitierten Angaben (S 158), die sie in der Folge noch dahin präzisierte, von Exekutionen erstmals im Juli 1989 gewußt und zu deren Abwendung dem Angeklagten am 15.August 1989 60.000 S gegeben zu haben (S 176), nicht im Widerspruch.

Die Ausführungen des Schöffensenates, es sei der Zeugin S* zu glauben, sie würde dem Angeklagten kein Geld geborgt haben, wenn sie gewußt hätte, daß er nicht schwer erkrankt ist und derart gravierende Schulden hat (S 206), sind Erwägungen zur Beweiswürdigung und als solche einer Anfechtung im Rahmen der Mängelrüge entzogen. Worin aber zwischen den Feststellungen zu den Äußerungen des Angeklagten anläßlich der Herauslockung von 12.000 S und jenen zum Bereicherungsvorsatz (S 197) ein nach den Denkgesetzen unlösbarer Widerspruch vorliegen soll, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen, übersieht er doch, daß er nach den Urteilsannahmen die Zeugin S* nicht über seine Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Darlehensaufnahme sondern darüber (jedenfalls auch) getäuscht hat, dieses Darlehen jemals zurückzahlen zu wollen.

Soweit der Beschwerdeführer die Konstatierungen über die Herauslockung der Beträge von 19.500 S, 17.000 S und 5.000 S im Juni 1989 (S 199) als in keiner Weise begründet rügt, übersieht er, daß das Erstgericht sämtliche Feststellungen in erster Linie auf die Aussage der Zeugin Claudia S* stützte (S 205 f). Dabei war es nicht verhalten, die Angaben dieser Zeugin in jedem einzelnen Detail einer besonderen Erörterung zu unterziehen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 8).

Zwischen den Urteilsfeststellungen, daß der Angeklagte der Claudia S* im Juli 1989 seine finanziellen Schwierigkeiten eingestehen mußte (S 199), er ihr aber noch im Juli 1989 15.000 S und im August 1989 weitere 60.000 S herauslockte (S 199 f), ist kein Widerspruch zu erkennen. Trotz des Eingeständnisses von Schulden hat nämlich der Angeklagte die Zeugin über das wahre Ausmaß derselben weiterhin im Unklaren gelassen (S 199), sie ersucht, ihm noch über eine "letzte Hürde" zu helfen (S 200), wobei er allerdings gar nicht gewillt war, danach Rückzahlung zu leisten.

Welchem Zweck die verschiedenen Zahlungen im Gesamtbetrag von ca. 40.000 S, die Claudia S* für den Angeklagten übernahm, letztlich dienten, brauchte das Erstgericht nicht im Detail zu untersuchen. Genug daran, daß es auf Grund der Aussage der Zeugin S* feststellte, daß der Beschwerdeführer die Genannte auch insoweit "auf die beschriebene Art und Weise", also über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit mit Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz getäuscht hat (S 200, 208 f).

Indem der Beschwerdeführer die ihm angelastete Gewerbsmäßigkeit seines betrügerischen Vorgehens für mangelhaft begründet hält, gibt er gerade jene Tatsachenfeststellungen wieder, aus denen das Erstgericht zutreffend das in Rede stehende Schuldelement ableiten konnte (S 208 f). Näherer Ausführungen zu seinem aufwendigen Lebenswandel bedurfte es dabei nicht, zumal das Erstgericht aus den Beweisergebnissen ein frei verfügbares Monatseinkommen des Angeklagten von bloß 3.800 S bei Schulden von 900.000 S feststellte (S 191). Unter solchen Bedingungen erweist sich bereits ein durchschnittlicher Lebensstil als zu aufwendig. Mit seinem Vorbringen aber, er habe seine Bitten um Geld immer spontan gefaßt und daher nicht in der Absicht gehandelt, sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weicht er von den Feststellungen des Erstgerichtes ab. In diesem Punkt erschöpft sich seine Rüge ihrem Inhalt und ihrer Zielsetzung nach in einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer Schuldberufung.

Soweit die Beschwerde die rechtliche Unterstellung der Tat unter den zweiten Fall des § 148 StGB kritisiert, macht sie der Sache nach den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend, übersieht dabei aber, daß das Erstgericht dem Angeklagten ohnedies nur das Verbrechen des schweren, gewerbsmäßigen Betruges nach dem ersten Fall des § 148 StGB zur Last gelegt hat.

Nach Prüfung der Tatsachenrüge (Z 5 a) an Hand der Akten hegt der Oberste Gerichtshof auch keine (erheblichen) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Sachverhaltsannahmen.

Mit seiner undifferenziert ausgeführten Rechts‑ und Subsumtionsrüge (Z 9 lit a und 10) behauptet der Beschwerdeführer zunächst das Fehlen von Feststellungen zur Kausalität des durch die Täuschungshandlungen hervorgerufenen Irrtums der Geschädigten für die Vermögensverschiebungen. Dabei setzt er sich über die klaren Urteilsfeststellungen hinweg, die am Ursachenzusammenhang nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen (S 192 ff), weshalb die Beschwerde nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist. Dasselbe gilt für sein Vorbringen, er habe bei der Erlangung von 12.000 S von Claudia S* am 25.April 1989 nicht mit Täuschungsvorsatz gehandelt, womit er der Sache nach in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft. Soweit er aber Feststellungen zur subjektiven Tatseite anläßlich der Verleitung der Claudia S* zur Vornahme verschiedener Zahlungen für ihn in der Höhe von 40.000 S (S 200) vermißt, übergeht er, daß er dabei "auf die beschriebene Art und Weise" vorgegangen ist, also die Zeugin ‑ wie schon zuvor mehrfach ‑ über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlundswilligkeit getäuscht und auch insoweit mit Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz gehandelt hat (S 200, 208 f).

Die behaupteten Feststellungsmängel zur gewerbsmäßigen Begehung der Betrügereien sind gleichfalls nicht gegeben. Hier übergeht die Beschwerde die detaillierten Ausführungen betreffend die Vorstellungen des Angeklagten über die Erzielung einer fortlaufenden Einnahme durch die fortgesetzte betrügerische Ausbeutung der Claudia S* (S 200, 208 f). Soweit der Beschwerdeführer aber Feststellungen zu seiner Absicht, fortgesetzt schwere Betrügereien zu begehen, vermißt, übersieht er erneut, daß ihm nur die Deliktsqualifikation des ersten Falles des § 148 StGB zur Last liegt.

Zu Punkt 2. des Schuldspruches:

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) versucht der Beschwerdeführer abermals, die Glaubwürdigkeit der Zeugin S* in Zweifel zu ziehen, wobei er den Umstand hervorkehrt, daß die Zeugin erstmals in der Hauptverhandlung über die ihr wiederfahrene Nötigung sprach. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen vermag er damit jedoch auch hier nicht zu erwecken.

Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO wendet der Beschwerdeführer schließlich ein, daß der öffentliche Ankläger die Anklage wegen des Verbrechens nach §§ 105 Abs 1106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB nicht gegen ihn, sondern gegen einen "Reinhard R*" erhoben habe. Die Anklageerhebung wegen dieses Faktums erfolgte in Form einer mündlichen Anklageausdehnung in der Hauptverhandlung (S 176), wobei der Angeklagte im Protokoll fälschlich als "Reinhard R*" bezeichnet wurde. Es war jedoch von Anfang an klar, daß sich die Anklageausdehnung auf den Beschwerdeführer als einzigen Angeklagten bezog, der auch zum erweiterten Anklagevorwurf vernommen wurde und sich darauf sachlich einließ (S 178). Im Sinne der ausgedehnten Anklage hat der Staatsanwalt in seinem Schlußvortrag auch seine Bestrafung beantragt. Es ist daher offenkundig, daß ‑ aus ungeklärter Ursache ‑ versehentlich eine falsche Benennung des Angeklagten unterlaufen ist, die Anklage aber ganz eindeutig gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtet war.

Zur Einleitung des vom Angeklagten angeregten Gesetzesprüfungsverfahrens wegen der unterschiedlichen Regelung des Rechtsmittelverfahrens gegen Urteile von Einzelrichtern und Schöffengerichten hat sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt gesehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung das Oberlandesgericht Linz zuständig ist (§ 285 i StPO).

 

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