OGH 1Ob628/93

OGH1Ob628/9321.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z-***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Christa Grohmann, Rechtsanwältin in Bruck an der Mur, wider die beklagten Parteien 1. Ing.Karl Heinz H*****, 2. Christa H*****, beide vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 167.367 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Juli 1993, GZ 1 R 107/93-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das (End)Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 3. März 1993, GZ 8 Cg 279/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 8.969,40 S (darin 1.494,90 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die P*****gesellschaft mbH (folgend Gesellschaft) erhielt von der Rechtsvorgängerin der klagenden Bank am 5. September 1989 einen, in laufender Rechnung ausnützbaren Kontokorrentkredit über 200.000 S eingeräumt; sie verpflichtete sich als Kreditnehmerin zur Zahlung von 8,5 % Zinsen und 16,5 % Verzugszinsen p.a. Der Erstbeklagte war einziger Geschäftsführer der Gesellschaft, seine Gattin, die Zweitbeklagte (mit 25 %) deren Minderheitsgesellschafterin. Beide Beklagte waren über das (Kontokorrentkredit)Konto jeweils allein zeichnungsberechtigt. Die Beklagten erklärten in Punkt 3. des Kreditvertrages: „Für alle Verbindlichkeiten, die aus diesem Kreditverhältnis entstehen, haften neben dem Kreditnehmer als Schuldner zur ungeteilten Hand: ... (Erstbeklagter), ... (Zweitbeklagte). Den Kreditantrag unterfertigte der Erstbeklagte als Geschäftsführer der Gesellschaft und als Mitschuldner, die Zweitbeklagte als Mitschuldnerin. Der Kreditrahmen wurde ab 4. Dezember 1989 laufend überzogen, die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei räumte formlos kurzfristige Überziehungen ein. Die Beklagten beteuerten immer wieder, daß die Überziehung nur kurzfristig und es daher - entgegen dem Wunsch der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei - nicht erforderlich sei, für eine kurzfristige Überziehung einen neuen Kreditvertrag abzuschließen, um dadurch zusätzliche Gebühren zu ersparen. Wegen der Überziehungen gab es immer wieder Gespräche der Parteien über den Abbau der Überziehung. Per 11. Juni 1992 betrug der Debetsaldo 367.367 S; die Verzinsung des Überziehungskredites entsprach der Kreditvereinbarung.

Gegen die mitbeklagte - insolvente und zwischenzeitig im Firmenbuch gelöschte - Gesellschaft erließ das Erstgericht am 29. Oktober 1992 ein klagsstattgebendes rechtskräftiges Versäumungsurteil über 367.367 S sA (ON 2); die Beklagten anerkannten im Verfahren einen Teilbetrag von 200.000 S - worüber das rechtskräftige Teilanerkenntnisurteil ON 9 erging - und bestritten den Restbetrag mit der Begründung, laut Kreditvertrag bloß die mitschuldnerische Haftung für 200.000 S übernommen zu haben.

Die Vorinstanzen entschieden iS des restlichen Klagebegehrens auf Zahlung von weiteren 167.367 S sA. Die zweite Instanz vertrat, folgend der Entscheidung SZ 57/160, die Auffassung, die Beklagten hätten durch Ausstellung von Überweisungsaufträgen (von Schecks) trotz Erschöpfung des Kreditrahmens ein konkludentes Anbot zur Vertragsänderung durch Erweiterung des Kreditrahmens an die Rechtsvorgängerin der klagenden Partei gestellt, das diese durch tatsächliche Ausführung der Überweisungaufträge angenommen habe; damit seien Kreditverträge zustande gekommen, wofür die Beklagten als Mitschuldner hafteten. Damit stimme auch Punkt 3. des Kreditvertrages überein, weil es sich um eine Verbindlichkeit handle, die mit Wissen und Willen der Beklagten aus dem (ursprünglichen) Kreditverhältnis entstanden sei. Abgesehen davon, daß sich die Beklagten im Verfahren erster Instanz auf die Unklarheitenregeln des § 915 zweiter Halbsatz ABGB nicht berufen haben, könne von einer „undeutlichen Äußerung“ iS der zitierten Gesetzesbestimmung keine Rede sein. Die Aufstockungen des Kredites erfolgten über Antrag der Beklagten und mit Zustimmung der Bank, Überziehungen eines Kontokorrentkredites seien durchaus banküblich.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagten tragen vor, daß sie für die Kontoüberziehung(en) nicht hafteten, weil sie als Mitschuldner kein konkludentes Anbot an die Rechtsvorgängerin der klagenden Bank gestellt hätten, aus denen sich ihre erweiterte Mithaftung ergebe. Dem ist folgendes zu erwidern:

Die Beklagten waren nach dem Inhalt des schriftlichen Kreditvertrages - unbestritten - Mitschuldner iS des § 1347 ABGB der Gesellschaft als Kreditnehmerin für einen über den Betrag von 200.000 S eingeräumten „revolvierenden“ Kontokorrentkredit. In Ansehung dieses Betrages (ohne Nebengebühren) liegt das rechtskräftige Teilanerkenntnisurteil ON 9 vor. Für den durch Verfügungen der Beklagten (Einreichung von Schecks und Aufträge zur Durchführung von Überweisungen) sowie deren Ausführung seitens der Bank schlüssig gewährten Überziehungskredit (BankArch 1989, 740; SZ 57/160 = JBl 1986, 42 mit Anm Berger = EvBl 1985/27 = RdW 1985, 149; Avancini-Iro-Koziol, Österr. Bankvertragsrecht II Rz 1/92 mwN) besteht aber, anders als für die Gesellschaft, nur dann ihre (mitschuldnerische) Haftung, wenn sie eine solche vertraglich übernommen haben. Beide Beklagte haben durch die Einreichung von Schecks und Erteilung von Überweisungsaufträgen ungeachtet der fehlenden Deckung des Kreditkontos (Überschreitung des Kreditrahmens) als zeichnungsberechtigte Kontoinhaber der hauptschuldnerischen Gesellschaft gehandelt.

Die Regelung des § 1353 ABGB - die Bürgschaft kann nicht weiter ausgedehnt werden, als der Bürge ausdrücklich erklärt hat - ist analog auch auf den zu Gutstehungszwecken beitretenden Mitschuldner anzuwenden (GlUNF 2775; GlU 13.256; Gamerith in Rummel 2, Rz 4a zu § 1353 ABGB mwN aus der Lehre; referierend Mader in Schwimann, Rz 4 zu § 1347 ABGB). „Ausdrücklich erklärt“ (§ 1353 erster Satz ABGB) bedeutet nur „hinreichend deutlich“ (SZ 51/9 = JBl 1979, 32 = EvBl 1979/2; RZ 1977/76; 2 Ob 672/87 ua; Gamerith aaO Rz 1 zu § 1353 ABGB mwN; Ohmeyer-Lang in Klang 2 VI 219). Im Zweifel ist weiters nach § 915 erster Halbsatz ABGB anzunehmen, daß der Mitschuldner sich eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte. Ob der Umfang einer mitschuldnerischen Erklärung aber überhaupt zweifelhaft ist oder nicht, ob also die Auslegungsregeln der §§ 1353 und 915 ABGB heranzuziehen sind, kann nur unter Bedachtnahme auf die allgemeine Auslegungsregel des § 914 ABGB ermittelt werden (vgl RZ 1977/76; 2 Ob 672/87 zum Bürgen). § 915 ABGB ist nur subsidiär, wenn der Inhalt einer unklaren und zweifelhaften Äußerung mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB nicht ermittelt werden kann, heranzuziehen (Binder in Schwimann, Rz 1 zu § 915 ABGB mwN).

Gemäß § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Zunächst ist vom Wortsinn auszugehen, dann der Willen der Parteien - die vom Erklärungsgegner erkennbare Absicht des Erklärenden (SZ 49/59 ua) - zu erforschen. Die Beklagten haften gemäß Punkt 3. des Kreditvertrages für alle Verbindlichkeiten, die aus diesem Kreditverhältnis entstehen, neben dem Kreditnehmer als Schuldner zur ungeteilten Hand. Da der Gesellschaft lediglich ein Kontokorrentkredit von 200.000 S sA eingeräumt wurde, bezieht sich die Haftungserklärung der Beklagten im Kreditvertrag auch nur auf die Haftungsübernahme bis zum vorgenannten Betrag. Eine Ausweitung des Kredits durch den Hauptschuldner (hier: die Gesellschaft) vermag grundsätzlich die Haftung des Mitschuldners nicht zu erweitern.

Im vorliegenden Fall ist aber zu bedenken, daß die Beklagten selbst als Zeichnungsberechtigte die Kreditausweitung bewirkten. Dieser Fall hat eine ausdrückliche Regelung im Kreditvertrag freilich nicht gefunden. Im Sinne ergänzender Vertragsauslegung unter Bedachtnahme auf die Grundsätze redlichen Verkehrs (vgl Rummel in Rummel 2, Rz 11 zu § 914 ABGB) ist die Haftung der Beklagten aber zu bejahen. Diese können redlicherweise nicht einwenden, daß die Ausweitung des Kredits von ihnen nur in ihrer Eigenschaft als Zeichnungsberechtigte bewirkt worden wäre und hievon ihre Haftung als Mitschuldner zu trennen sei. Bewirkt der Mitschuldner, wie hier, als (alleiniger und ausschließlicher) Vertreter des Hauptschuldners bzw Verfügungsberechtigter die Kreditausweitung, haftet er auch für die durch ihn bewirkte Erhöhung der Verbindlichkeit des Hauptschuldners.

Es steht freilich nicht fest, in welchem Ausmaß jeder der beiden Beklagten die Ausweitung des Kredits bewirkte. Nach den getroffenen Feststellungen erklärten aber beide Beklagte gegenüber der Rechtsvorgängerin der klagenden Bank, daß die Überziehungen nur kurzfristig sein würden und daher - entgegen dem Wunsch der Rechtsvorgängerin der klagenden Partei - ein neuer Kreditvertrag nicht abgeschlossen werden müsse, was zudem den Vorteil der Gebührenersparnis biete. Haben aber die Beklagten selbst darauf hingewirkt, daß ein selbständiger Kreditvertrag, in dem sie die Haftung als Mitschuldner zu übernehmen gehabt hätten, unterbleibt, haften sie nach Auffassung des erkennenden Senates solidarisch für den in Anspruch genommenen weiteren Kredit, gleichgültig, ob die Ausweitung nun konkret vom Erstbeklagten oder der Zweitbeklagten bewirkt wurde.

Die Berechtigung der klagenden Partei, 16,5 % Zinsen p.a. zu fordern, wird im Rechtsmittel nicht mehr in Zweifel gezogen.

Der außerordentlichen Revision ist nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO.

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