OGH 13Os135/93

OGH13Os135/9315.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Markel, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kramer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernst Peter R* und andere Angeklagte wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs 1 Z 1 und 2, 161 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ernst Peter R* gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14. Jänner 1993, GZ 26 Vr 2.460/91‑51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Aschauer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00135.9300000.1215.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Monate herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst Peter R* der Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB iVm § 161 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Er bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich zum Teil als nicht gesetzmäßig ausgeführt, im übrigen aber als unbegründet erweist.

Nach dem Schuldspruch hat der Beschwerdeführer in Linz

1. in der Zeit vom 9. Juni 1987 bis einschließlich Dezember 1987 als tatsächlicher Geschäftsführer der H* Beteiligungs‑ und Handels‑GesmbH fahrlässig deren Zahlungsunfähigkeit insbesondere dadurch herbeigeführt, daß er übermäßigen Aufwand trieb und unverhältnismäßig Kredit benutzte, und

2. (ohne Angabe der Tatzeit) in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens (fahrlässig) die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft dadurch zumindest geschmälert, daß er neue Schulden einging und bestehende Schulden bezahlte.

Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, daß der Angeklagte mit Notariatsakt vom 3. Dezember 1986 als "Strohmann" für den Mitangeklagten Günther Karl H*, der zum Geschäftsführer bestellt war, ein Viertel des 500.000 S betragenden und erst zur Hälfte einbezahlten Stammkapitals an der H* Beteiligungs‑ und Handels‑GesmbH übernahm, sich zur Abdeckung seines (ohnedies mit 62.500 S begrenzten) Haftungsrisikos in den nächsten sechs Monaten trotz des schlechten Geschäftsganges und der sich an der Grenze zur Zahlungsunfähigkeit bewegenden Liquidität jeweils 12.000 S (oder 14.000 S) unter dem Titel "Aufwandsentschädigung" auszahlen ließ und bereits ab Jänner 1987 einen Geldgeber suchte, den er in der Person des ihm bekannten Herbert Karl V* zu finden hoffte. Tatsächlich übernahm V* Geschäftsanteile und wurde zum Prokuristen bestellt. Unter Ausnützung der Bonität des Herbert Karl V* und unter Mitwirkung des Beschwerdeführers wurde bei der Allgemeinen Sparkasse Linz Ende Mai 1987 ein (weiterer) Kredit von zunächst 200.000 S aufgenommen, der später auf 500.000 S aufgestockt wurde. Ab 9. Juni 1987 übernahm V* (nach dem Mitangeklagten H*) "offiziell" die Geschäftsführung. Auf Grund einer mündlichen Abmachung führte aber in Wahrheit der Beschwerdeführer R* die Geschäfte, zumal V* weiterhin als Geschäftsführer der Firma R* tätig war. V* kümmerte sich um das Unternehmen nur unzureichend, ließ sich wohl vom Beschwerdeführer als seinem Vertrauensmann über wesentliche Dinge informieren und behielt als einziger die Zeichnungsberechtigung gegenüber der Bank, die Geschäfte führte aber praktisch R*. Er sorgte für Angebote, den Ein‑ und Verkauf, führte Inkassos und Barzahlungen durch und nahm auch Arbeitskräfte auf (S 661, 670).

Da das Unternehmen etwa ab Mai 1987 ohne Aufträge war, wandte sich der Beschwerdeführer im Herbst 1987 an das Personalvermittlungsbüro N* (Kosten 33.062 S) und stellte auf dessen Empfehlung mit 1. November 1987 Alfred U* als Verkäufer an, wobei er diesem vertraglich einen monatlichen Bruttolohn von 29.500 S und Tagesdiäten von 1.000 S sowie ein Firmenfahrzeug zugestand (S 662, 663; 673). Andrängende Gläubiger, insbesondere wenn sie bereits Fahrnisexekution führten, wehrte der Angeklagte durch Zuschüsse aus privaten Mitteln ab (S 661, 662). Im Dezember 1987 wurde V* in der (formellen) Geschäftsführung durch den dazu völlig ungeeigneten Hermann H* ersetzt, den der Beschwerdeführer "nach Belieben lenken und beeinflussen konnte" (S 662, 670).

Durch die Geschäftstätigkeit des Beschwerdeführers war spätestens im vierten Quartal 1987 die Zahlungsunfähigkeit der H* Beteiligungs‑ und Handels‑GesmbH eingetreten (S 661), was ihm auch klar war (S 673). Trotzdem ging er in der Folge neue Verbindlichkeiten, insbesondere bei Lieferanten ein, wehrte immer wieder drohende Exekutionen mit Privatgeld ab und kassierte für sich zur Abdeckung dieser privaten Zuschüsse am 21. April 1988 einen dem Unternehmen zustehenden Schadenersatzbetrag in der Höhe von 45.000 S. Noch im April 1988 unternahmen vier Personen auf Kosten der Gesellschaft eine Reise nach Griechenland, die der Beschwerdeführer organisiert hatte.

Diesen Sachverhalt beurteilte der Schöffensenat als Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB.

An sich zutreffend führt dazu der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge, mit der er zunächst seine Geschäftsführertätigkeit in Abrede stellt, aus, daß unter selbständiger Führung der Geschäfte die Unabhängigkeit von Weisungen des Schuldners zumindest für einen nach Art und Umfang in Relation zum Geschäftsumfang maßgeblichen Teil der Geschäfte zu verstehen ist, wobei es bloß auf die faktische Geschäftsführung ankommt und nicht darauf, wie weit sie jeweils durch einen formellen Bestellungsakt oder durch Genehmigung des Geschäftsherren gedeckt ist (Mayerhofer‑Rieder StGBü E 1 bis 4 zu § 161). Allerdings stellt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht auf den Urteilsinhalt ab, wonach er nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers Karl H* und ab dem Zeitpunkt der Bestellung des Herbert V* zum Geschäftsführer, sohin ab 9. Juni 1987, alle im Betrieb anfallenden Entscheidungen traf und den bestellten Geschäftsführer V* nur nachträglich "über die wesentlichen Dinge unterrichtete" (S 661, 670). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Bankzeichnungsberechtigung ausschließlich bei V* lag und daher dessen Unterschrift für Überweisungen erforderlich war.

Gleiches gilt auch für die Zeit der formellen Geschäftsführung durch den zur Geschäftsführung ungeeigneten Hermann H* ab Dezember 1987 (S 662, 670).

Demgemäß kann aber nicht zweifelhaft sein, daß der Beschwerdeführer, der alle anfallenden unternehmerischen Dispositionen traf, sohin ‑ um in der Diktion des Beschwerdeführers zu bleiben ‑ alle nach Art und Umfang des Betriebes erforderlichen "typischen Geschäftsführungshandlungen" setzte, als faktischer Geschäftsführer für seine kridaträchtige und im Ergebnis gläubigerschädigende Geschäftsführung als unmittelbarer Täter haftet, zumal Geschäftsführungshandlungen ‑ dem Beschwerdevorbringen zuwider ‑ nicht auf die vom Beschwerdeführer beispielhaft angeführten Tätigkeiten (Aufnahme von Hypothekarkrediten, Führung der Geschäftsbücher, Ausstellung von Wechseln und Schuldurkunden) beschränkt werden können.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang Feststellungen des Inhaltes reklamiert, daß alle Entscheidungen von V* in Eigenverantwortung getroffen worden seien und der Beschwerdeführer nur ausführende Tätigkeiten gesetzt habe, macht er keinen Feststellungsmangel geltend, sondern setzt sich über den gegenteiligen Urteilsinhalt hinweg, der übrigens auch für den Freispruch des Herbert V* vom Kridavorwurf maßgebend war (S 677 f). Solcherart bringt er aber die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Der Hinweis des Beschwerdeführers, daß die Kreditaufnahme bei der Allgemeinen Sparkasse in Linz Ende Mai 1987 (an der der Beschwerdeführer ‑ was er allerdings verschweigt ‑ führend mitgewirkt hat), welche "den Fortbetrieb des Geschäftes ermöglichte", von V* getätigt wurde, versagt schon deshalb, weil diese vor dem mit 9. Juni 1987 beginnenden Deliktszeitraum liegt (im übrigen vgl EvBl 1972/327).

Ins Leere geht auch der Einwand des Angeklagten, der Tatbestand des "§ 159 Abs 1 StGB" setze voraus, "daß die Tathandlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit gesetzt werden"; da ihm nach dem Schuldspruch nur zur Last liege, in der Zeit von 9. Juni 1987 bis einschließlich Dezember 1987 die Zahlungsunfähigkeit der H* Beteiligungs‑ und Handels‑GesmbH herbeigeführt zu haben, sei "der Tatbestand des § 159 Abs 1 StGB weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht" erfüllt.

Der Beschwerdeführer verkennt, daß der § 159 Abs 1 StGB zwei eigenständige Deliktsfälle der fahrlässigen Gläubigerbenachteiligung pönalisiert, nämlich die durch Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit (§ 159 Abs 1 Z 1) und die durch Handlungen (und Unterlassungen) nach eingetretener Zahlungsunfähigkeit (§ 159 Abs 1 Z 2).

Demgemäß gliedert das Erstgericht den Schuldspruch in zwei Punkte, wobei der erste (Tatzeitraum 9. Juni 1987 bis einschließlich Dezember 1987) das Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 StGB, nämlich die fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit, erfaßt, während der zweite darauf abstellt, daß der Angeklagte in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens (S 673), sohin nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Befriedigung der Gläubiger durch Eingehen neuer und Bezahlung alter Schulden weiter schmälerte. Wenn auch das Erstgericht verabsäumte, in diesem Schuldspruch die Tatzeit anzugeben (vgl. die Anklage: von Anfang Jänner 1988 bis ca. April 1988; S 607), ergibt sich doch sowohl aus dem Schuldspruch als auch (ausdrücklich) aus den (als Einheit zu sehenden) Urteilsgründen, daß damit die Inanspruchnahme weiterer Lieferantenkredite, die Abdeckung eigener Forderungen an die Gesellschaft durch Inkasso des Entschädigungsbetrages von 45.000 S von der Ersten Allgemeinen Versicherungsanstalt am 21. April 1988 (S 661 f) und die Finanzierung einer Reise nach Griechenland im April 1988 (S 663) gemeint waren. Demgemäß ist auch der Schuldspruch wegen Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 2 StGB frei von Rechtsirrtum.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst Peter R* war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht "die zweifache Qualifikation" des Vergehens (richtig: das Zusammentreffen von zei Vergehen ‑ siehe Leukauf‑Steininger Kommü § 159 RN 3) als erschwerend, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten. Es verhängte über ihn nach dem § 159 Abs 1 StGB fünf Monate Freiheitsstrafe, die es für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Antrag, unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB auf eine bedingte Geldstrafe zu erkennen.

Die Berufung ist nur zum Teil begründet.

Angesichts der Umstände, daß seit Beendigung des kridamäßigen Verhaltens des Berufungswerbers im April 1988 nahezu sechs Jahre vergangen sind und er sich seither wohlverhalten hat, und daß ferner die Ursachen des geschäftlichen Niederganges des Unternehmens bereits vor seinem Eintritt als Geschäftsführer grundgelegt waren, womit den Angeklagten jedenfalls nicht das alleinige Verschulden am Zusammenbruch der Gesellschaft trifft, sah sich der Oberste Gerichtshof ‑ auch mit Rücksicht auf den Umfang der Überschuldung von zwei Mio S (S 663) - zu einer Reduktion des Strafausmaßes auf drei Monate bestimmt. Die Verhängung einer (bedingten) Geldstrafe kam jedoch nach Lage des Falles nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

 

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