OGH 11Os158/93

OGH11Os158/9314.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Straßegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinz Karl M***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juli 1993, GZ 5 b Vr 1854/93-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Spohn, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz Karl M***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB (I./) und des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (II./) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien

I./ in der Zeit vom 24. November 1992 bis 10. Februar 1993 in vier Angriffen, davon dreimal gewerbsmäßig, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Hotelangestellte durch Täuschung über seine mangelnde Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit als Hotelgast unter Verwendung falscher Urkunden, nämlich durch Unterfertigung von Meldezetteln (richtig: Gästebuchblättern) mit falschem Namen, zur Erbringung von Hotelleistungen verleitet und dadurch einen Schaden von insgesamt 32.288 S herbeigeführt;

II./ am 12. Dezember 1992 eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Sweater im Wert von 898 S, Verfügungsberechtigten der Firma G***** mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde strebt der Angeklagte allein die Ausschaltung der Qualifikationen der gewerbsmäßigen Tatbegehung und des Urkundenbetruges beim Faktenkomplex I./ an. Er bekämpft überdies - ebenso wie die Staatsanwaltschaft zu seinem Nachteil - den Strafausspruch mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Gegen die Urteilsannahme gewerbsmäßiger Begehung der ihm zu den Fakten I./ 2. bis 4. zur Last liegenden Betrugstaten wendet der Beschwerdeführer offenbar unzureichende und aktenwidrige (ersichtlich gemeint: unvollständige) Begründung (Z 5) mit der Behauptung ein, seine Beschäftigungs- und Vermögenslosigkeit sowie die Wiederholung der Betrügereien ließen nicht zwingend auf eine auf fortlaufende Tatverübung gerichtete Tendenz schließen. Die behaupteten Begründungsmängel liegen indes nicht vor, lassen doch die festgestellten Prämissen in Verbindung mit der ferner angenommenen Unterstandslosigkeit (US 5) nach den Gesetzen der Logik und der allgemeinen Lebenserfahrung den vom Erstgericht gezogenen Schluß auf ein Handeln des Beschwerdeführers mit der daraus erkennbaren Absicht zu, sich durch wiederkehrende Begehung der Einmiete- und Zechbetrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Der Beschwerde zuwider stellt ferner die Verantwortung des Angeklagten, er habe bei Begehung der Betrügereien stets mit seiner Festnahme gerechnet (S 116 und 118), der Annahme einer Tatwiederholungsabsicht, die zwar einen längeren, nicht aber einen unbegrenzten Zeitraum umfassen muß, nicht entgegen. Der in der Mängelrüge weiters unternommene Versuch, aus der Verantwortung des Beschwerdeführers, insbesondere aus den von ihm bekundeten tristen Lebensumständen andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen abzuleiten, stellt - ohne daß damit ein formaler Begründungsmangel des Ersturteils aufgezeigt wird - nach Inhalt und Zielsetzung einen im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung dar. Als unberechtigt erweist sich auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die sich gegen die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes (auch) als nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB qualifizierter schwerer Betrug mit dem Einwand richtet, die von den Beherbergungsbetrieben zu führenden Gästebuchblätter seien keine Urkunden im Sinne des § 74 Z 7 StGB.

Nach den die Annahmen der Qualifikation des Urkundenbetruges tragenden wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes mietete sich der Beschwerdeführer, in einem Fall nach telefonischer Zimmerbestellung unter "ORF Salzburg" (Beil. ./2), in Kenntnis des Umstandes, daß in Hotels gehobener Preiskategorie von Gästen kein Identitätsnachweis sondern nur die Eintragung in das Gästebuch gefordert wird, jeweils unter Angabe falscher Namen und Adressen in den Gästebuchblättern, in den Hotels ein, trug in drei Fällen (I./ 2. bis 4.) überdies in der dafür vorgesehenen Rubrik als Beruf "ORF" ein und unterschrieb die Gästebuchblätter mit dem gerade aktuellen falschen Namen (US 6, 7). Diese Vorgangsweise täuschte nicht nur über die Identität des Angeklagten sondern auch über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit (US 8) und ermöglichte damit die Durchführung des Betruges (US 10). Von diesen Urteilsannahmen unter der gebotenen Gesamtbetrachtung des Spruches und der Gründe ausgehend, ist dem Erstgericht aber auch, was die bekämpfte Qualifikation nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB anlangt, kein Rechtsirrtum unterlaufen: Denn zum einen weisen entgegen der auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien EvBl 1978/81 (vgl dazu Mayerhofer-Rieder StGB³ Anm zu ENr 60 zu § 74, Fiedler in RiZ 1979, 227) gestützten Beschwerdeargumentation die vom Angeklagten verfaßten Gästebuchblatteintragungen alle vier Merkmale der Urkunde im strafrechtlichen Sinn auf (Leukauf-Steininger Komm³ § 70 RN 30; 223 RN 3 ff, insbesondere RN 14 a, wonach, soweit auf eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung abgestellt wird, die Erheblichkeit für irgendeine derartige Tatsache genügt). Zum anderen sind nur mit Beziehung auf einen Meldevorgang (hier Bestätigung der im Gästebuchblatt -§ 10 Abs. 1 MeldeG 1991 - eingetragenen Meldedaten durch die Unterschrift des Gastes § 10 Abs. 5 leg. cit), also solcherart bei einem Rechtsverkehr spezifischer Art, begangene Fälschungen von Unterschriften bloß verwaltungsbehördlich zu ahnden; benützt der Täter das mit falschem Namen unterfertigte Gästebuchblatt (wie hier) auch darüber hinaus im Rechtsverkehr, dann haftet er nach § 223 Abs. 2 StGB und demgemäß bei Begehung eines Betruges (auch) nach § 147 Abs. 1 Z 1 StGB (SSt 51/16), wobei es ohne Bedeutung ist, ob die Person, deren Name der Täter benützt, existent oder nicht existent ist (Leukauf-Steininger aaO § 223 RN 25). Letztlich geht auch der Einwand, dem falschen "Meldezettel" (gemeint: Gästebuchblatt) mangle es im Hinblick auf die unterbliebene Überprüfung der Richtigkeit der Eintragungen an der Täuschungseignung, ins Leere. Denn beim Urkundenbetrug ist nicht entscheidend, ob die schadenskausale Irreführung tatsächlich auf die Benützung des Falsifikates zurückzuführen ist; es genügt vielmehr, daß die Urkunde dem zu Täuschenden mit darauf gerichteter Zielvorstellung zugänglich gemacht wird, mag dieser auch vom Urkundeninhalt gar keine Kenntnis nehmen (Leufkauf-Steininger Komm³ § 147 RN 13, Kienapfel BT II² RN 41 f zu § 147 StGB). Soweit die Beschwerde darüber hinaus die Verwendung der falschen Urkunden als Mittel zur vermögensschädigenden Täuschung und den darauf abzielenden Vorsatz bestreitet, die gegenteiligen Urteilsannahmen (US 8 ff) aber mit Stillschweigen übergeht, wird der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund, dessen gesetzeskonforme Geltendmachung stets ein Festhalten am Urteilssachverhalt voraussetzt, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht.

Die teils unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe.

Es wertete bei der Strafbemessung das Geständnis und eine gewisse Notlage als mildernd, dagegen das Zusammentreffen des in vier Angriffen verwirklichten Verbrechens des Betruges mit dem Vergehen des versuchten Diebstahls, die mehrfache Qualifikation des Betruges, die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall als erschwerend.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der Strafe, der Angeklagte deren Reduktion an.

Keiner der Berufungen kommt Berechtigung zu.

Dem Angeklagten ist zwar zuzugeben, daß weiters der Versuch des Diebstahls als mildernd zu werten gewesen wäre (§ 34 Z 13 StGB), doch fällt dies bei der Gesamtbeurteilung der unrechtsbezogenen Täterschuld (§ 32 StGB) nicht ins Gewicht. Im übrigen aber hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe nicht nur vollständig, sondern im Ergebnis auch ihrem Gewicht nach zutreffend gewürdigt. Die Notlage des Angeklagten zur Tatzeit wertete das Erstgericht ohnehin als mildernd. Entgegen der Berufungsargumentation kann die Tatwiederholung beim Betrug, da sie begrifflich nicht Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit ist, mag sie auch bei einem gewerbsmäßig handelnden Täter die Regel sein, bei der Strafbemessung nicht außer Betracht bleiben (Leukauf-Steininger Komm³ § 33 RN 5). Soweit der Antrag auf Herabsetzung der Strafe auch mit den "überdurchschnittlich hohen Preis der geschädigten Hotels", dem Umstand, daß der Schaden nahe der Wertgrenze des § 147 Abs. 2 StGB geblieben sei und dem Wohlverhalten des Angeklagten in der Zeit von Ende 1984 bis 1990 begründet wird, werden keine für die angestrebte Strafreduktion hinreichenden Grundlagen aufgezeigt.

Aber auch die gegen die Annahme des Milderungsgrundes nach § 34 Z 10 StGB gerichtete Argumentation der Anklagebehörde ist verfehlt, übergeht sie doch, daß der Angeklagte laut Aktenlage den Beruf eines Masseurs erlernte (S 51, 114), bis Dezember 1990 einen landwirtschaftlichen Betrieb gepachtet hatte (S 97) und die Wohnung seiner Freundin Anfang Februar nach einem Streit verlassen mußte (US 6). Davon, daß der Angeklagte - wie zu seinem Nachteil geltend gemacht - bisher "nicht die geringsten Ansätze" erkennen ließ, einen rechtstreuen und arbeitsamen Lebenswandel führen zu wollen und die Notlage auf eine asoziale Grundeinstellung, deren typische Folge sie ist, zurückgeführt werden muß, kann somit bei der gegebenen Sachkonstellation nicht die Rede sein.

Die verhängte Freiheitsstrafe trägt in ihrem auf den unteren Bereich der gesetzlichen Strafdrohung (ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) beschränkten Ausmaß den konkreten Straferfordernissen, insbesondere auch dem raschen Rückfall nach bedingter Entlassung aus einer Freiheitsstrafe, in angemessener Weise Rechnung und bedarf somit keiner Korrektur.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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