OGH 15Os23/93

OGH15Os23/939.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Pedro V***** wegen des Verbrechens nach § 3 g VG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Kreis-(nunmehr Landes-)gericht Steyr vom 16.Dezember 1992, GZ 11 Vr 191/92-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek und des Verteidigers Dr.Schaller, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der spanische Staatsangehörige Pedro V***** aufgrund des Wahrspruches der Geschworenen von der wider ihn erhobenen Anklage wegen des Verbrechens nach § 3 g VG gemäß "§ 259 Z 3" (gemeint: § 336) StPO freigesprochen.

Die Geschworenen hatten die an sie gerichtete - einzige - Hauptfrage, ob der Angeklagte schuldig sei, sich am 12.Oktober 1991 in W***** auf eine andere als die in den §§ 3 a bis f VG bezeichnete Weise durch eine im Saal des Hotels Post vor etwa 130 bis 150 Zuhörern gehaltene (in allen wesentlichen Teilen wörtlich wiedergegebene) Rede im nationalsozialistischen Sinne betätigt zu haben, indem er in dieser Adolf Hitler glorifizierte und dessen Doktrin als einzige natürliche, die noch heute Wert hat, bezeichnete, im Stimmenverhältnis 5 : 3 bejaht.

Die Zusatzfrage, ob der Angeklagte das Unrecht dieser Tat wegen eines Rechtsirrtums, der ihm nicht vorzuwerfen ist, nicht erkannt hat, beantworteten die Geschworenen mit 4 Ja- und 4 Nein-Stimmen, mithin gemäß § 331 Abs 1 StPO bejahend.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Freispruch bekämpft die Anklagebehörde mit einer auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Die Beschwerdeführerin greift nämlich lediglich einen einzigen Satz aus dem Abschnitt "Allgemeiner Teil" der Rechtsbelehrung ("Stammt der Täter aus einem anderen Rechtskreis oder sonst aus besonderen Verhältnissen, vermöge welcher er von der im übrigen allgemeinen Einsicht ausgeschlossen war, so ist ihm der unterlaufene Rechtsirrtum in concreto nicht vorzuwerfen") heraus und übergeht die weiteren umfassenden Ausführungen zum Rechtsirrtum nach § 9 StGB (S 8 bis 12 der Rechtsbelehrung). Diese folgen nach Wiedergabe des Gesetzestextes sinngemäß den Ausführungen im StGB-Kommentar3 von Leukauf-Steininger (§ 9 RN 1 bis 17). Es werden darin sowohl das Wesen des Rechtsirrtums wie auch die entscheidenden Kriterien für die Vorwerfbarkeit eines solchen durchaus zutreffend dargestellt. Die Belehrung über die Auswirkungen besonderer Verhältnisse des Täters, die von denen durchschnittlicher Rechtsunterworfener abweichen, entspricht der Lehre und der ständigen Rechtsprechung. Sie ist auch keineswegs in irreführender Weise zu kurz geraten, zumal auch darauf hingewiesen wird, daß dem Täter das Verharren in seiner Unkenntnis vorgeworfen werden und damit der Rechtsirrtum unbeachtlich sein könnte (S 11 der Rechtsbelehrung). Überdies wird im Anschluß daran auf die mögliche Vorwerfbarkeit einer Unterlassung, sich über die maßgeblichen Rechtsvorschriften entsprechend zu informieren und fachkundigen Rat einzuholen, ausführlich hingewiesen.

Eine unrichtige Instruktion der Geschworenen lag somit nicht vor.

Die von der Beschwerde offenbar vermißte Erörterung konkreter Ergebnisse des Beweisverfahrens hatte hingegen in der schriftlichen Rechtsbelehrung zu unterbleiben. Deren Gegenstand können nur rechtliche, nicht aber tatsächliche Umstände sein, die für die Beweiswürdigung in Betracht kommen; auf den konkreten Sachverhalt des zur Beurteilung stehenden Falles ist demnach darin nicht einzugehen (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Z 8 E 15, § 321 Z 8). Auf die Verantwortung des Angeklagten und auf die in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweise darf vielmehr erst in der gemäß § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden mündlichen Besprechung, deren Inhalt nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden kann (vgl Mayerhofer-Rieder aaO § 323 E 1), verwiesen werden.

Die in diesem Zusammenhang von der Nichtigkeitsbeschwerde herangezogene Verantwortung des Angeklagten könnte im übrigen für die Beurteilung der Vorwerfbarkeit eines Verbotsirrtums gar nicht von Bedeutung sein, weil sie dessen Vorliegen betraf. Diese Verantwortung war in ihrem Beweiswert von den Geschworenen zu würdigen. Mit dem Hinweis darauf wird keine Unrichtigkeit der erteilten Instruktion aufgezeigt.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

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