OGH 2Ob586/93

OGH2Ob586/939.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Sparkasse, ***** vertreten durch Dr.Reinhold Fend, Rechtsanwalt in Hohenems, wider die beklagte Partei Siegfried S*****, vertreten durch Dr.Nikolaus Schertler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 379.707,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 8.Juli 1993, GZ 2 R 156/93-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26.März 1993, GZ 10 Cg 426/91-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22.9.1988 eröffnete der Beklagte bei der klagenden Sparkasse ein anonymes Wertpapierdepot. Zu diesem Zeitpunkt war dem Beschäftigten der Klägerin der Name des Beklagten nicht bekannt. Es wurde ein Stammblatt ausgefüllt, in welchem der Beklagte eigenhändig das Losungswort, welches eine Zahlenkombination darstellte, eintrug. Zugleich wurde ein Verrechnungskonto eingerichtet, welches über ein Überbringersparbuch abgewickelt wurde. Dem Beklagten wurde ein Wertpapierbuch ausgehändigt, in welchem jeweils die Verkaufsaufträge eingetragen wurden. Das Wertpapierbuch samt Losungswort stellte die Verfügungsberechtigung über das Wertpapierdepot dar. Es war zunächst vorgesehen, die Wertpapierkasse vom Guthaben des Überbringersparbuches abzuwickeln und somit die Wertpapierkäufe zu finanzieren.

In der Folge kam es zu zahlreichen Dispositionen durch den Beklagten. Soweit diese telefonisch erfolgten, meldete sich der Beklagte mit der Kontonummer des Wertpapierbuches und dem Losungswort. Im Zuge telefonischer Rückfragen erfuhren die Angestellten der Klägerin den Namen des Beklagten. Im Oktober 1989 war aufgrund der Wertpapierankäufe das Guthaben auf dem Überbringersparbuch ausgeschöpft. Daraufhin wurde von der Klägerin vom Überbringersparbuch auf das Verrechnungskonto umgestellt. Als sich der Negativsaldo immer weiter vergrößerte, wurden durch die Klägerin ohne Order des Beklagten sämtliche Wertpapiere realisiert. Den Negativsaldo auf dem Verrechnungskonto deckte der Beklagte nicht ab.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 397.707 s.A. mit der Begründung, dieser Saldo hafte aus den über Auftrag des Beklagten durchgeführten An- und Verkäufen von Wertpapieren aus. Die AGBöKr seien der Geschäftsverbindung mit dem Beklagten zugrundezulegen.

Der Beklagte bestritt und wendete ein, mit der Klägerin in keinem Rechtsverhältnis zu stehen; die Klägerin habe ihm auch keine Kredite zugezählt, die AGBöKr seien gemäß KSchG nichtig. Die behaupteten An- und Verkäufe von Wertpapieren seien nicht auf seine Rechnung bzw. zu seinen Gunsten getätigt worden, da über die angekauften Wertpapiere lediglich durch Vorlage des Wertpapieres bzw. Nennung der Kontonummer und des Losungswortes verfügt habe werde können. Die Klagsforderung sei nicht fällig, insbesondere sei sie dem Beklagten gegenüber nie qualifiziert fälliggestellt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf es im wesentlichen folgende Feststellungen:

Als der Beklagte feststellte, daß die Klägerin vom Überbringersparbuch auf das Verrechnungskonto umgestellt hatte, sprach er mit einem Bediensteten der Klägerin. Es wurde ihm erklärt, ein Verrechnungskonto sei besser praktikabel. Im August 1990 fand ein Gespräch zwischen dem Beklagten und einem Angestellten der Klägerin statt, wobei dem Beklagten vorgeschlagen wurde, er solle eine mit einem Wechsel besicherte schriftliche Erklärung abgeben, für das Verrechnungskonto verantwortlich zu sein. Der Beklagte ging auf diesen Vorschlag jedoch nicht ein. Eine Kreditvereinbarung wurde zwischen den Streitteilen nicht geschlossen.

Am 10.8.1980 erteilte der Beklagte den letzten Auftrag zum Ankauf von Wertpapieren. Das Sparkassen-Wertpapierbuch, welches dem Beklagten bei Beginn der Geschäftsbeziehung ausgehändigt wurde, enthält auf der Rückseite die "Besonderen Bedingungen zum Sparkassen-Wertpapierbuch", gemäß Punkt 16 dieser Bedingungen gelten für die gesamte Geschäftsbeziehung die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditunternehmungen" sowie die "Sonderbedingungen für Auslandsgeschäfte in Wertpapieren und ähnlichen Werten".

Das Erstgericht vertrat in rechtlicher Hinsicht die Meinung, der Beklagte habe im Laufe der Geschäftsbeziehung zur klagenden Partei nie irgendwelche Erklärungen abgegeben oder Handlungen gesetzt, aus denen die Begründung eines Vertrags- oder Kreditverhältnisses abgeleitet werden könne, sodaß die Klägerin nicht berechtigt sei, vom Beklagten die Abdeckung des anonymen Verrechnungskontos zu begehren. Daß der Beklagte zunächst anonym und dann, der Klägerin ohne sein Zutun namentlich bekannt, Dispositionen getroffen habe, begründe keinen vertraglichen Anspruch der Klägerin ihm gegenüber.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß als Zwischenurteil ausgesprochen wurde, das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den Betrag von S 379.707 s.A. zu bezahlen, bestehe dem Grunde nach zu Recht.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht führte zur Rechtsfrage aus, der Beklagte sei der Klägerin gegenüber als anonymer Kontoinhaber aufgetreten. Zugleich seien Inhaberwertpapiere ausgestellt worden, bei denen sich der Inhaber mit einem Losungswort legitimieren mußte. Gehe man davon aus, daß nach dem Willen der Parteien Kontoinhaber jener Inhaber der entsprechenden Wertpapiere, der sich durch das Losungswort ausweisen konnte, sein sollte, dann wäre das Problem der Passivlegitimation durch Vertrag zugunsten eines Dritten zu lösen. In einem solchen Falle schließe der Kontoeröffner den Vertrag mit der Bank im eigenen Namen und vereinbare mit ihr, daß ein bestimmter Dritter aus diesem Geschäft unmittelbar berechtigt sein solle. Diese Konstruktion führe dazu, daß die Gläubigerposition dem Dritten zustehe, die Schuldnerposition, d.h. vor allem die Haftung für Verbindlichkeiten aus dem Konto, bleibe beim Kontoeröffner, weil es einen Vertrag zu Lasten Dritter nicht gäbe. Damit bestehe der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht. Weil aber seine Höhe in erster Instanz nicht geprüft worden sei, sei das angefochtene Urteil im Sinne eines Zwischenurteils dahin abzuändern, daß ausgesprochen werde, daß die Klagsforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Beklagte vertritt in seinem Rechtsmittel die Ansicht, das Berufungsgericht verkenne, daß das Verrechnungskonto von der Klägerin selbst als internes anonymes Konto eingerichtet worden sei. Von einer anonymen Eröffnung dieses Kontos durch den Beklagten könne nicht die Rede sein, sondern handle es sich um ein internes Konto, das die Klägerin auf eigene Veranlassung errichtet habe. Aus diesem Grunde könne der Beklagte nicht zur Haftung für das von der Klägerin errichtete Verrechnungskonto herangezogen werden. Auch aus dem Umstand, daß der Beklagte über das Wertpapierdepot verfügt habe, lasse sich keine Haftung für das Obligo des Verrechnungskontos ableiten, zumal das Wertpapierdepot nur im "Haben" geführt werde und beim Depot keine Kreditschuld entstehen konnte. Hätte die Klägerin eine Haftung des Beklagten für das Obligo des Verrechnungskontos begründen wollen, so hätte sie mit ihm eine diesbezügliche Vereinbarung zu treffen gehabt; dies habe sie auch versucht, der Beklagte habe es aber abgelehnt. Es fehle sohin ein haftungsbegründendes unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen, sodaß die Forderung der Klägerin nicht zu Recht bestehe.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Der Beklagte hat - wenn auch zunächst nicht unter Bekanntgabe seines Namens - verschiedene Aufträge zum An- und Verkauf von Wertpapieren erteilt, die Klägerin erhielt sohin von ihm den Auftrag zur Durchführung von Effektengeschäften (Avancini-Iro-Koziol, Österr. Bankvertragsrecht II2, Rz 7/1). Daß diese Aufträge des Beklagten und deren Annahme und Durchführung eine Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen begründete, ist evident. Daß der Beklagte dabei seinen Namen nicht offenlegte, kann nicht dazu führen, jede vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen zu leugnen. Ob es sich dabei um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt - wie dies das Berufungsgericht angenommen hat - ist für die Entscheidung unbeachtlich, da die Pflichten aus der mit der klagenden Partei getroffenen Vereinbarung jedenfalls beim Beklagten blieben. Gemäß Punkt 38(1) der AGBöKr führt die Bank die Kommission in der Regel - gegenteilige Behauptungen wurden nicht aufgestellt - durch Selbsteintritt aus. Macht die Bank vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch, so hat sie die vertragsgegenständlichen Wertpapiere selbst als Verkäufer zu liefern oder als Käufer zu übernehmen, was zur Folge hat, daß eine kaufvertragliche Rechtsbeziehung zur Kommission hinzutritt und deren Regeln insofern verdrängt, als sie mit der Position der Parteien als Käufer bzw. Verkäufer unvereinbar sind, also vor allem bezüglich der Hauptleistungspflichten (Avancini-Iro-Koziol, aaO, Rz 7/77). Daraus folgt, daß der Beklagte der klagenden Partei auch den Preis der Wertpapiere zu bezahlen hat. Daß die Abrechnung des Preises über ein Verrechnungskonto erfolgte und daß der Beklagte keinen Auftrag zur Führung eines derartigen Kontos erteilt hat, vermag ihn nicht von seiner Zahlungspflicht zu befreien. Rechtsgrund der Zahlungspflicht des Beklagten ist ja nicht das Verrechnungskonto als solches, sondern sind es vielmehr die auf diesem Verrechnungskonto gebuchten Effektengeschäfte der klagenden Partei. Die herangezogene Bestimmung des Punktes 38 (1) der AGBöKr ist weder ungewöhnlich (§ 864a ABGB) noch gemäß § 6 Abs 1 KSchG unzulässig noch iS des § 879 Abs 1 ABGB nichtig, weil auch die §§ 400 ff HGB ein Selbsteintrittsrecht des Kommissionärs vorsehen.

Zu Recht hat daher das Berufungsgericht die grundsätzliche Zahlungspflicht des Beklagten bejaht, sodaß seiner Revision ein Erfolg zu versagen war.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 393 Abs.4, 52 Abs.2 ZPO.

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