OGH 12Os162/93

OGH12Os162/932.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Leoben zum AZ 15 Vr 798/93 anhängigen Strafsache gegen Josef H* und andere Beschuldigte wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 und Abs. 3 Z 3 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Josef H* gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 18. Oktober 1993, AZ 9 Bs 412/93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E33662

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Josef H* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

 

Gründe:

 

Über Josef H* wurde am 11. Juli 1993 wegen des dringenden Verdachtes, den am 9. Juli 1993 erfolgten Verkauf von etwa 320 Gramm Kokain durch die (teilweise mit Pistole und Handgranate bewaffneten) Mitbeschuldigten Johann S*, Alois H* und Rosa R* organisiert und dadurch das Verbrechen nach § 12 (ergänze Abs. 1 und) Abs. 2 und Abs. 3 Z 3 SGG sowie das Vergehen nach § 36 Abs. 1 Z 1, Z 2, Z 3 und Z 4 WaffG begangen zu haben, aus den Haftgründen des § 180 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 2 und 3 lit. b StPO die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Beschluß vom 16. September 1993 (ON 53) ordnete die Ratskammer des Landesgerichtes Leoben unter Ausschaltung der Haftgründe der Flucht‑ und Verabredungsgefahr die Fortsetzung der über Josef H* verhängten Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO an.

Die dagegen von dem Genannten erhobene Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Graz unter Bejahung des Vorliegens des dringenden Tatverdachtes mit der Modifikation als unbegründet verworfen, daß der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nicht in der Gestalt der lit. b, wohl aber in jener der lit. a des § 180 Abs. 2 Z 3 StPO gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung rechtzeitig ausgeführte Grundrechtsbeschwerde des Josef H* geht fehl.

Der Beschwerde zuwider sind die vom Gerichtshof zweiter Instanz einläßlich dargestellten Indizien ‑ in ihrer Gesamtheit gewichtet ‑ durchaus geeignet, den Beschwerdeführer mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für verdächtig zu halten, er habe das eingangs beschriebene Kokaingeschäft als Kopf einer bandenmäßig organisierten Suchtgiftverteilerorganisation in die Wege geleitet.

Damit sind aber sowohl ein dringender Tatverdacht in Richtung der Qualifikation nach § 12 Abs. 2 SGG als auch evidentermaßen ‑ wie das Oberlandesgericht zutreffend erkannte ‑ der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. a StPO im Sinne der jeweiligen gesetzlichen Kriterien ‑ die auf Wahrscheinlichkeitshypothesen im Tatsachenbereich abstellen und mit der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 MRK in keinem Konnex stehen ‑ indiziert.

Daß der Beschluß auf Einleitung der Voruntersuchung auch wegen des Verdachtes eines Vergehens nach § 36 WaffG dem Beschuldigten nach der Aktenlage nicht gehörig kundgemacht wurde, kann, worauf bereits im angefochtenen Beschluß hingewiesen wurde, dahingestellt bleiben. Denn zufolge des Vorliegens des dringenden Tatverdachtes wegen des Verbrechens nach § 12 SGG bedarf es in dem auf die Prüfung der Haftfrage beschränkten Verfahren keiner weiteren Untersuchung, ob auch hinsichtlich der übrigen, den Gegenstand der Voruntersuchung bildenden Fakten der gegen den Beschuldigten gerichtete Verdacht im Sinne des § 180 StPO verdichtet ist (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 8 b zu § 180).

Dem Einwand schließlich, der Beschwerdeführer sei vom Untersuchungsrichter zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nicht vernommen worden, weshalb es an den gesetzlichen Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung dieses Haftgrundes mangle, genügt es zu erwidern, daß es insoweit ‑ abgesehen davon, daß Josef H* vor der Haftverhängung sehr wohl zum Sachverhalt und damit zu den tatsächlichen Bedingungen des in Rede stehenden Haftgrundes befragt worden war ‑ an der vom Gesetz vorgeschriebenen Erschöpfung des Instanzenzuges (§ 1 Abs. 1 GRBG) gebricht, als der Beschwerdeführer gegen den Haftbeschluß seinerzeit kein Rechtsmittel ergriff.

Da sohin durch den bekämpften Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz der Beschuldigte Josef H* im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), war die Beschwerde ‑ in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalprokuratur ‑ als unbegründet abzuweisen.

Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG der Ausspruch über den beantragten Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.

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