OGH 12Os153/93

OGH12Os153/932.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Dezember 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Muhammet Mustafa A***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 8.September 1993, GZ 29 Vr 2137/93-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die bisherigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Muhammet Mustafa A***** wurde (1.) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und (2.) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 23. Juni 1993 in Mösern Marion U***** 1. außer dem Fall des Abs. 1 mit Gewalt, indem er sie über eine Böschung in sein Auto zerrte, durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er sie nicht aus seinem Fahrzeug steigen ließ, sondern die Fahrt mit immer höherer Geschwindigkeit fortsetzte, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich durch die Äußerung, es werde etwas passieren, er werde böse, wenn sie nicht bereit sei, mit ihm zu schlafen, zur Duldung des Beischlafs genötigt und 2. durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Äußerung, es werde etwas passieren, wenn sie zur Polizei gehe und Anzeige erstatte, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Anzeigeerstattung, zu nötigen versucht.

Der dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit. a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten - die sich der Sache nach allein gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung richtet - kommt keine Berechtigung zu.

Mit der Behauptung, das Hauptverhandlungsprotokoll weise inhaltliche Mängel auf, wird der relevierte Nichtigkeitsgrund nach der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO nicht dargetan. Denn mit Nichtigkeit ist nur die gänzliche Unterlassung der Aufnahme eines vom Vorsitzenden und vom Schriftführer zu unterschreibenden Protokolls, nicht aber die mangelhafte Protokollierung bedroht (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 271 ENr. 22 und 27; § 281 Z 3 ENr. 51). Gegen die (seiner Meinung nach) mangelhafte Protokollierung wäre dem Beschwerdeführer nur der Weg des Berichtigungsantrages offengestanden (Mayerhofer-Rieder aaO § 271 ENr. 23).

Der Verfahrensrüge (Z 4), in welcher der Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte durch die Abweisung (S 426) der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (S 425 f) geltend macht, ist vorweg zusammenfassend zu erwidern, daß (erst) in der Beschwerde nachgetragene Gründe unbeachtlich sind, weil bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 4 ENr. 41).

Zu den einzelnen Beschwerdepunkten ist ihr unter diesem Aspekt folgendes zu entgegnen:

Mit Bezug auf den Antrag, die Zeugin Heidemarie M***** (die Freundin des Angeklagten) zum Beweis dafür zu vernehmen, "daß der Angeklagte keine Verletzungsspuren aufgewiesen hat, der (gemeint: die) auf einen Widerstand von Marion U***** schließen ließe(n)", ist der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (S 426), uneingeschränkt beizutreten, weil der (ohnehin aktenkundige und von niemandem in Zweifel gezogene) Umstand fehlender Verletzungen beim Angeklagten mit der Darstellung des Opfers über das inkriminierte Tatgeschehen in Einklang steht.

Zu Recht wurde auch die begehrte zeugenschaftliche Vernehmung der Kriminalbeamtin Marion H***** abgelehnt, durch die bewiesen werden sollte, "daß Marion U***** bei der Schilderung keinerlei Erwähnung von der erst später behaupteten Gewalt und Drohung gemacht hat". Hiezu genügt der Hinweis auf das (in der Hauptverhandlung verlesene) polizeiliche Protokoll der Marion U*****, in dem sie - der Beschwerde zuwider - zunächst von sich aus konkrete Angaben über die vom Angeklagten angewendete Gewalt zur Erreichung des von ihm geplanten Geschlechtsverkehrs machte (S 73 = 213) und sodann über konkrete Befragung der Beamtin auch von Drohungen und weiteren körperlichen Attacken sprach (S 77 = 215).

Ebensowenig ist dem Erstgericht eine Nichtigkeit durch die Abweisung des Antrages auf Einvernahme des Zeugen Mustafa S***** unterlaufen, der bestätigen hätte sollen, "daß Marion U***** (gemeint: während der Fahrt im PKW nach Telfs) ihm gegenüber erklärt habe, mit dem Angeklagten geschlechtlich verkehren zu wollen". Denn angesichts der (dem aktuellen Beweisthema geradezu entgegenstehenden) Aussage des

genannten Zeugen vor der Gendarmerie (vgl. insb. S 43 = 253 jeweils

vorl. Abs.; S 47 = 257 iVm S 138) wäre der Beschwerdeführer nach Lage

des Falles verpflichtet gewesen, darzutun, weshalb nunmehr aus der beantragten Zeugenaussage ein von den bisherigen Bekundungen des Mustafa S***** abweichendes Ergebnis im Sinne des geltend gemachten Beweisthemas zu erwarten wäre.

Zu Recht verfiel auch der Antrag "auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur Glaubwürdigkeit der Zeugin Marion U***** zum Beweis dafür, daß sie durch die Anschuldigung einer Vergewaltigung durch den Angeklagten eine bestehende ungewollte Schwangerschaft decken wollte", der Ablehnung, weil - und auch hier ist dem Erstgericht zuzustimmen - die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen allein dem Gericht zukommt und der Antrag keinerlei konkrete Hinweise auf Umstände enthält, welche die Beiziehung eines Psychiaters (ausnahmsweise) indizierten (Mayerhofer-Rieder aaO § 150 ENr. 41).

Fehl geht auch die Mängelrüge (Z 5), mit der der Beschwerdeführer (von den Tatrichtern ohnedies gewürdigte) Verfahrensergebnisse als "Ungereimtheiten und Widersprüche" isoliert aus dem Zusammenhang herausgreift, mit hypothetischen Mutmaßungen und Argumenten verwebt und solcherart beweiswürdigend zur Annahme gelangt, Marion U***** habe es von vornherein planmäßig darauf angelegt, ihre unerwünschte Schwangerschaft bzw. deren Beendigung durch die vorgespielte bzw. vorgetäuschte Vergewaltigung zu rechtfertigen.

Formelle Begründungsmängel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes werden damit jedoch nicht aufgezeigt. Nach Inhalt und Zielrichtung des Vorbringens unternimmt der Rechtsmittelwerber in Wahrheit vielmehr bloß den im Nichtigkeitsverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen (und daher unbeachtlichen) Versuch, nach Art einer Schuldberufung die vom Schöffengericht in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) auf der Basis der Gesamtheit der wesentlichen Verfahrensergebnisse sowie unter Verwertung des persönlichen Eindrucks gewonnene, aktengetreu, denkmöglich und auch zureichend begründete Überzeugung (US 7-11) einerseits von der Schuld des Angeklagten, andererseits von der Glaubwürdigkeit der Tatzeugin U***** in Zweifel zu setzen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) schließlich entbehrt zur Gänze einer gesetzmäßigen Ausführung, weil sie nicht - wie es für die erfolgreiche Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes unabdingbare Voraussetzung ist - vom gesamten wesentlichen Urteilssachverhalt ausgeht und mit dem darauf angewendete Gesetz vergleicht, sondern - etwa mit der Behauptung, die konstatierte Drohung des Angeklagten ("es werde etwas passieren bzw. er werde böse") sei gar nicht geeignet, einen Widerstand gegen einen unerwünschten Geschlechtsverkehr zu brechen - bloß eines der mehreren im Urteil festgestellten Nötigungsmittel aus dem Zusammenhang löst und damit die Gesamtheit der (weiteren) Urteilsannahmen übergeht, denenzufolge sich das ihm ausgelieferte Tatopfer nach vorangegangener Freiheitsberaubung und Gewaltanwendung in einer aussichtslosen Lage befand und nur deshalb den solcherart erzwungenen Geschlechtsverkehr über sich ergehen ließ. (Abgesehen davon bezieht sich der Beschwerdeführer, indem er auf die mangelnde Eignung, den Widerstand zu brechen, abstellt, ersichtlich auf den seit der Strafprozeßnovelle 1989, BGBl. 1989/242, nicht mehr in Geltung stehenden Tatbestand der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB (alt) und nicht auf den [seit 1.Juli 1989] geltenden Tatbestand der [minder schweren] Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (neu), nach welchem das Schöffengericht die inkriminierte Tat beurteilt hat.)

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß §§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 iVm 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufung (wegen der Aussprüche über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche) dem Oberlandesgericht Innsbruck zufällt (§ 285 i StPO).

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