Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt, einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teiles, zu lauten haben:
"Zur Sicherung des Anspruches der Klägerin gegen die Beklagten auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird den beklagten Parteien ab sofort für die Dauer des Rechtsstreites geboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) Reichweitenvergleiche zwischen in Form einer Werbetarifgemeinschaft vertriebenen Programmbeilagen zu unterlassen, insbesondere der in Form des sogenannten 'tele-Jumbos' vertriebenen Programmbeilagen 'tele' und 'TV-Blick' einerseits sowie der Programmbeilage 'Fernseh- und Radiowoche' der Klägerin andererseits zu verbreiten oder zu veröffentlichen, wenn hiebei die behaupteten Reichweitendaten sich auf Nettoreichweiten der jeweiligen Tages- und Wochenzeitungen als Trägermedien beziehen, denen diese Programmbeilagen beigelegt sind, die im Wege einer gezielten Titelabfrage hinsichtlich der Programmbeilage 'Fernseh- und Radiowoche' sich ergebende Reichweite jedoch über jener für die Trägermedien 'Neue Kronen-Zeitung' und 'Kurier' gemeinsam ermittelten Nettoreichweite liegt
b) bei der Gegenüberstellung von Reichweiten des Vertriebsringes 'tele-Jumbo' mit den addierten Reichweiten von 'Kurier' und 'Neue Kronen-Zeitung' einen Reichweitenvorsprung zu behaupten, wenn dieser innerhalb der statistischen Schwankungsbreite liegt, insbesondere wenn der Vorsprung nicht mehr als 3 Prozentpunkte beträgt.
Das Mehrbegehren, der Beklagten zu untersagen, Reichweiten von in Form einer Werbetarifgemeinschaft vertriebenen Programmbeilagen, insbesondere der in Form des sogenannten 'tele-Jumbos' vertriebenen Programmbeilage 'tele' und 'TV-Blick' einerseits sowie der Programmbeilage 'Fernseh- und Radiowoche' der Klägerin andererseits einander in Werbe- und Druckschriften gegenüberzustellen, wenn die Reichweiten nicht nach der identen Erhebungmethode ermittelt wurden, insbesondere sich die Erhebung nicht auf denselben Zeitraum bezieht und/oder insbesondere einerseits nur indirekt ermittelte Reichweiten von Programmbeilagen in Form der Heranziehung der Reichweitendaten von Trägermedien andererseits Reichweitendaten gegenübergestellt werden, die in Form der direkten Titelabfrage hinsichtlich der Programmbeilagen ermittelt werden, wird abgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 4.488,- bestimmten anteiligen Äußerungskosten (darin S 746,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 5.619,90 bestimmten anteiligen Kosten der Rekursbeantwortung (darin S 936,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Klägerin hat 2/3 ihrer Rekurskosten und die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen, die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier". Beiden Zeitungen ist jeweils am Freitag die "Fernseh- und Radiowoche" beigelegt. Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Programmbeilage "tele-Magazin" ("tele"), welche einer Reihe von Tageszeitungen - etwa den "Salzburger Nachrichten", den "Oberösterreichischen Nachrichten", den "Niederösterreichischen Nachrichten", der "kleine Zeitung", und der "Tiroler Tageszeitung" -, beigelegt ist. In Wien kann "tele" um S 1,- gekauft werden. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.
In der Ausgabe Nr. 36/92 der Zeitung für Marketing, Werbung und Medien "Horizont" wurde im Auftrag der Beklagten folgende Einschaltung veröffentlicht:Die an dieser Stelle befindliche Grafik kann nicht angezeigt werden.
Die Einschaltung beruht auf der Optimaanalyse 1991/92. Die Werbeaussage der Beklagten bezieht sich auf den Anzeigenverbund der Fernsehbeilagen "tele" und "TV-Blick", welcher seit 1.9.1992 besteht.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes zu unterlassen
a) Reichweitenvergleiche zwischen in Form einer Werbetarifgemeinschaft vertriebenen Programmbeilagen, insbesondere der in Form des sogenannten "tele-Jumbos" vertriebenen Programmbeilagen "tele" und "TV-Blick" einerseits sowie der Programmbeilage "Fernseh- und Radiowoche" der Klägerin andererseits zu verbreiten oder zu veröffentlichen, wenn hiebei die behaupteten Reichweitendaten sich auf die Nettoreichweiten der jeweiligen Trägermedien beziehen, denen diese Programmbeilagen beigelegt sind, die im Wege einer gezielten Titelabfrage hinsichtlich der Programmbeilage "Fernseh- und Radiowoche" sich ergebende Reichweite jedoch über jener der für die Trägermedien "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" gemeinsam ermittelten Nettoreichweite liegt;
b) Reichweiten von in Form einer Werbetarifgemeinschaft vertriebenen Programmbeilagen, insbesondere der in Form des sogenannten "tele-Jumbos" vertriebenen Programmbeilagen "tele" und "TV-Blick" einerseits sowie der Programmbeilage "Fernseh- und Radiowoche" der Klägerin andererseits einander in Werbe- und Druckschriften gegenüberzustellen, wenn die Reichweiten nicht nach der identen Erhebungsmethode ermittelt wurden, insbesondere sich die Erhebung nicht auf denselben Zeitraum bezieht und/oder wenn insbesondere einerseits nur indirekt ermittelte Reichweiten von Programmbeilagen in Form der Heranziehung der Reichweitendaten von Trägermedien, andererseits Reichweitendaten gegenübergestellt werden, die in Form der direkten Titelabfrage hinsichtlich der Supplements (Programmbeilagen) ermittelt wurden;
c) bei der Gegenüberstellung von Reichweiten des Vertriebsringes "tele-Jumbo" mit den addierten Reichweiten von "Kurier" und "Neue Kronen-Zeitung" einen Reichweitenvorsprung zu behaupten, wenn dieser innerhalb der statistischen Schwankungsbreite liegt, insbesondere wenn der Vorsprung nicht mehr als 3 Prozentpunkte beträgt.
Die Werbeaussage der Beklagten sei zur Irreführung geeignet, weil die Reichweiten von Trägermedien mit denen der Programmbeilagen anderer Medien verglichen würden. Eine direkte Gegenüberstellung der Programmbeilagen-Reichweiten würde für die "Fernseh- und Radiowoche" eine größere Reichweite als für die in "tele-Jumbo" zusammengefaßten Programmbeilagen ergeben. Die Einschaltung erwecke den Eindruck, es lasse sich bereits auf Grund der Optimaergebnisse 1991/92 für den "tele-Jumbo" eine Reichweite von 3,248.000 ermitteln, während der "tele-Jumbo" erst seit September 1992 bestehe. Die Richtigkeit des Reichweitenvorsprunges sei überhaupt zu bezweifeln, weil der ermittelte Vorsprung innerhalb der Fehlerschwankungsbreite liege; in einem solchen Fall dürfe ein Unterschied zwischen den verglichenen Werten weder behauptet noch interpretiert werden.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Beide Untersuchungsmethoden, sowohl die Titelkartenabfrage als auch die Abfrage der Reichweite der Trägermedien, seien allgemein anerkannt. Seit September 1992 lasse sich durch Addition der Nettoleserreichweiten aller Trägerzeitungen die Reichweite der in "tele-Jumbo" zusammengefaßten Beilagen ermitteln. Die Einschaltung sei aber nicht irreführend, weil sie sich an ein Fachpublikum richte. Diesem sei die Schwankungsbreitenproblematik vertraut. Eine allfällige Fehlerspanne bei den absoluten Zahlen sei für alle Zeitungen im gleichen Ausmaß gegeben. In der Einschaltung seien die absoluten Zahlen richtig und kommentarlos zitiert.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die von den Beklagten gewählte Untersuchungsmethode sei in der Marktforschung allgemein anerkannt. Die einander gegenübergestellten Zahlen seien nach derselben Methode ermittelt worden. Da der "tele-Jumbo" im Zeitpunkt der beanstandeten Einschaltung bestanden habe, gehe es nicht nur um die Frage, ob Reichweitendaten auf die Zukunft umgelegt werden dürfen. Die angegebenen absoluten Zahlen seien richtig; sie würden von der Beklagten nicht interpretiert. Als wahrheitsgemäße vergleichende Werbung sei die Gegenüberstellung zulässig.
Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es Punkt a) des Begehrens stattgab; im übrigen wurde die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigt. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Irreführungseignung der Reichweitengegenüberstellung sei zu bejahen, weil nicht deutlich genug dargestellt werde, daß die Reichweiten der Trägerzeitungen von "tele" und "TV-Blick" addiert wurden. Dadurch werde der unzutreffende Eindruck erweckt, es handle sich einerseits um Titelkartenabfragen der Programmbeilagen der einen Zeitungsgruppe und andererseits um Trägerzeitungsabfragen einer anderen Zeitungsgruppe. Das sei für die Klägerin insofern nachteilig, weil ihre Wochenendbeilage weiter verbreitet sei, also die Trägerzeitungen. Der Leser könne daraus schließen, die Beilagen von "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier" würden weniger gelesen als die des tele-Verbundes. Daß es für "tele-Jumbo" im Untersuchungszeitraum noch keine Daten gegeben habe, schade nicht, weil die Reichweite der Trägerzeitungen addiert worden sei. Die angegebenen Zahlen seien richtig; die Beklagten hätten sie nicht interpretiert. Ein Fehlerinterwall bestehe auf beiden Seiten; die Angabe absoluter Reichweitenzahlen sei daher nicht zur Irreführung geeignet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß Punkt c) des Antrages stattgegeben werde.
Die Beklagten beantragen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
Die Klägerin verweist darauf, daß sich die Beklagten nicht darauf beschränkt hätten, die Reichweitezahlen einander gegenüberzustellen, sondern daß sie der Gegenüberstellung die rhetorische Frage "Warum sollte man sich mit 3,247.000 Österreichern zufriedengeben, wenn man 3,248.000 Österreicher haben kann" voranstellen. Damit wird aber, ebenso wie in dem der Entscheidung 4 Ob 146/90 zugrunde liegenden Fall, das Ergebnis der Optimaanalyse "interpretiert", obwohl der Unterschied zwischen den beiden Ergebnissen, wie auch die Beklagen nicht bestreiten, innerhalb der Fehlerbandbreite liegt. Der behauptete Vorsprung kann daher bestehen, muß es aber nicht, so daß die in der oben wiedergegebenen Frage enthaltene Behauptung, mit einer im tele-Verbund geschalteten Anzeige erreiche man um 1.000 Leser mehr als mit einer Anzeige in der "Fernseh- und Radiowoche", den Tatsachen widerspricht.
Auch eine wahrheitswidrige Angabe verstößt nur dann gegen § 2 UWG, wenn sie in für den Kaufentschluß relevanter Weise zur Irreführung geeignet ist. Das trifft zu, wenn ein nicht völlig unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise der Ankündigung in ungezwungener Auslegung etwas entnimmt, was nicht den Tatsachen entspricht und geeignet ist, den Kaufentschluß zu beeinflussen (siehe Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17, 497 § 3 dUWG Rz 27; ÖBl 1976, 19 uva).
Die Einschaltung ist in der Zeitschrift für Marketing, Werbung und Medien "Horizonte" erschienen. Diese Zeitschrift richtet sich schon nach den angegebenen Fachbereichen nicht nur an Personen, die sich mit Reichweitenuntersuchungen befassen und denen somit die Problematik der Fehlerbandbreite bekannt sein wird. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise auf Grund der Behauptung der Beklagten annimmt, ein Inserat in den Programmbeilagen der Beklagten erreiche mehr Leser als ein Inserat in der "Fernseh- und Radiowoche" und sei daher vorzuziehen. Die tatsachenwidrige Werbebehauptung der Beklagten ist demnach auch in bezug auf das angesprochene Fachpublikum im Sinne des § 2 UWG zur Irreführung geeignet: Die Beklagten vergleichen in irreführender Weise die Reichweite ihrer Programmbeilagen mit der der "Fernseh- und Radiowoche" und nehmen gleichzeitig eine Spitzenstellung für sich in Anspruch. Alleinstellungswerbung, die zur Irreführung geeignet ist, verstößt ebenso gegen § 2 UWG wie vergleichende Werbung die Elemente der Irreführung enthält (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 26 f; ÖBl 1990, 113; ÖBl 1991, 80; ÖBl 1991, 71 ua).
Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren dahin abzuändern, daß auch dem Punkt c) des Sicherungsantrages stattgegeben wird.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO; § 41, 50 ZPO.
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