OGH 14Os168/93

OGH14Os168/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erich F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 24.August 1993, GZ 5 Vr 133/93-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB) laut Punkt I/1 des Urteilssatzes sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruches verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem oben näher bezeichneten Urteil wurde Erich F***** im zweiten Rechtsgang - soweit hier für die Rechtsmittelanfechtung von Bedeutung - der Verbrechen (I/1.) der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und (I/2.) der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB sowie der Vergehen (II.) des Diebstahls nach § 127 StGB, (III.) des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB und (IV.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Graz

(zu I) am 24.Dezember 1991 Helga P*****

1. außer dem Fall des § 201 Abs. 1 StGB durch Versetzen von Schlägen und Ohrfeigen, sohin mit Gewalt, zur Duldung des Beischlafes sowie zu einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich zur Durchführung eines Oralverkehrs, genötigt;

2. durch die Äußerung: "Wenn du davon etwas der Polizei erzählst, bringe ich dich um", sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung (der Anzeigeerstattung) zu nötigen versucht;

(zu II) am 24.Dezember 1991 der Helga P***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 300 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;

(zu III) am 24.Dezember 1991 ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW mit dem Kennzeichen G 96 LAB, ohne Einwilligung der Berechtigten Helga P***** in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch den widerrechtlich an sich genommenen Fahrzeugschlüssel, sohin durch eine der im § 129 StGB geschilderten Handlungen, verschaffte;

(zu IV) zwischen dem 24. und 26.Dezember 1991 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Reisepaß der Helga P*****, durch Beiseiteschaffen mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde.

Der Schuldspruch wegen der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB erwuchs bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den nunmehrigen Schuldspruch (abermals) mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist die Beschwerde zunächst, soweit sie "um Wiederholungen zu vermeiden", auf den Inhalt der im ersten Rechtsgang erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (ON 30) verweist (S 262, 264). Denn die Strafprozeßordnung sieht nur eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vor, in der die Nichtigkeitsgründe durch deutliche und bestimmte Bezeichnung geltend zu machen sind; Verweisungen auf andere Schriftsätze sind demnach unbeachtlich (Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 33 f, 36 f zu § 285).

Die darüber hinaus undifferenziert ausgeführte Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) hinwieder erschöpft sich der Sache nach bloß im Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen. Das Erstgericht hat jedoch die Divergenzen in der Aussage der Zeugin P***** ohnedies ausdrücklich in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen; dabei mußte sich das Urteil nicht im voraus mit allen Einwendungen gegen die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin auseinandersetzen, sofern es nur - wie vorliegend geschehen - jene Erwägungen in gedrängter Darstellung anführt (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO), aus welchen die Tatrichter dieser Zeugin Glauben schenkten (vgl. US 10 f). Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch mit dem als Tatsachenrüge (Z 5 a) zu wertenden Vorbringen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Im bisher erörterten Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Berechtigung kommt hingegen der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) zu, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen Vergewaltigung (laut Punkt I/1 des Urteilssatzes) Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite reklamiert.

Bei dem in Rede stehenden Verbrechen muß sich der Vorsatz des Täters insbesondere auch darauf beziehen, daß dieser das Nötigungsmittel einsetzt, obwohl er weiß oder es zumindest ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, daß damit ein erwarteter oder begonnener ernstgemeinter Widerstand des Opfers gegen die Vornahme oder Duldung des Beischlafs bzw. der gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung überwunden wird (Leukauf-Steininger Komm.3 § 201 RN 23 mwN).

Vorliegend lassen die Urteilsgründe jegliche Konstatierungen zur inneren Tatseite vermissen. Nach den Urteilsannahmen nahm Helga P***** den Angeklagten, an dem sie Gefallen gefunden hatte und dem sie zugetan war (US 5, 9), in der Nacht zum 24.Dezember 1991 in ihre Wohnung mit, obwohl sie unmittelbar davor in ihrem PKW wegen der Weigerung, ihm das Fahrzeug zu überlassen, ins Gesicht geschlagen worden war. Aus demselben Grund und als Folge einer durch das Ansinnen, sie könne als Prostituierte mehr Geld verdienen, ausgelösten (weiteren) Meinungsverschiedenheit versetzte der Angeklagte der Zeugin auch in der Wohnung "zahlreiche Ohrfeigen gegen das Gesicht", wodurch sie "geringfügig verletzt" wurde (US 5, 6). Die weiteren Urteilsannahmen, daß für die Zeugin P***** erst durch die vom Angeklagten nach diesen Ohrfeigen an sie gerichtete Aufforderung, "das Bett neu zu überziehen", klar gewesen ist, daß er mit ihr sexuellen Kontakt wollte und daß sie auf Grund der Aggressionshandlungen "beginnend schon im PKW, aber auch in der Wohnung" derart eingeschüchtert war, daß sie praktisch willenlos das Bett überzog, sich über Aufforderung des Angeklagten, er wolle mit ihr "schlafen", angezogen in das Bett legte und von diesem Zeitpunkt an alles tat, was der Angeklagte von ihr verlangte, wobei der anschließend vollzogene Mund- und Geschlechtsverkehr "gegen den Willen der Zeugin nur aus Angst vor weiteren Schlägen und Mißhandlungen durch den Angeklagten" erfolgte, geben den Tatablauf allein aus der Sicht des Tatopfers wider; sie vermögen indes (noch) keine tragfähige Grundlage für den subjektiven Tatbestand nach § 201 Abs. 2 StGB darzustellen, kann doch dem Urteil - welches über das Wissen und Wollen des Angeklagten in bezug auf die ihm angelastete Tatbildverwirklichung keinen Aufschluß gibt - solcherart nicht entnommen werden, ob der Angeklagte angesichts der von der Zeugin P***** nicht in Abrede gestellten Zuneigung und der unmittelbar vorangegangenen Auseinandersetzungen (aus anderem Grund) tatsächlich erkannt hat, bei der Vornahme des Beischlafs bzw. Oralverkehrs einen ernstgemeinten Widerstand des Opfers zu überwinden und insoweit mit zumindest bedingtem Vorsatz handelte. Konstatierungen in diese Richtung wären nicht zuletzt auch angesichts der Aussage der Zeugin P***** in der Hauptverhandlung vom 24.August 1993 - auf welche Bekundungen das Erstgericht die bezüglichen Feststellungen hauptsächlich stützte (US 10, 11) - wonach sie schwer sagen könne, welchen Eindruck der Angeklagte von ihr(em Verhalten) haben konnte, weil sie sich "einfach nicht gewehrt und alles über sich ergehen lassen" habe (S 253), jedenfalls geboten gewesen.

Da der aufgezeigte Feststellungsmangel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden kann, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war hinsichtlich des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (gleichfalls bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung) mit einer Aufhebung des Schuldspruchs laut Punkt I/1 des Urteilssatzes vorzugehen (§ 285 e StPO). Die Aufhebung auch des Schuldspruchs wegen versuchter schwerer Nötigung (Punkt I/2) aus Gründen des Zusammenhanges gemäß § 289 StPO konnte unterbleiben, weil sich der dem Beschwerdeführer insoweit zur Last liegende Versuch, (die schon davor leicht verletzte - US 8) Helga P***** zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung zu nötigen, auf sämtliche "Tätlichkeiten" bezog, sodaß der Schuldspruch wegen versuchter schwerer Nötigung selbst bei Wegfall des Schuldspruchs wegen Vergewaltigung bestehen kann (US 3, 7).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte