OGH 4Ob160/93

OGH4Ob160/9330.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. O***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. O***** Gesellschaft mbH, beide ***** beide vertreten durch Dr.Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien und Gegnerinnen der gefährdeten Parteien 1. M***** GesmbH & Co KG, 2. M***** Gesellschaft mbH, beide ***** 3. K***** Gesellschaft mbH, ***** alle vertreten durch Dr.Giger, Dr. Ruggenthaler und Dr. Simon Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 20. August 1993, GZ 5 R 103/93-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. März 1993, GZ 38 Cg 63/93-6, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der Klägerinnen auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen, worauf das Klagebegehren gerichtet ist, wird den Beklagten für die Dauer dieses Rechtsstreites verboten, im geschäftlichen Verkehr mit Tageszeitungen zu Wettbewerbszwecken bei der Veröffentlichung von Marktforschungsergebnissen Behauptungen über angebliche Veränderungen der Leserzahlen der Tageszeitung 'Der Standard' zu verbreiten - insbesondere dieser gehöre zu den Verlierern, sein Anteil an den Studenten in der Leserschaft sei gesunken - , wenn diese Behauptungen in den bezogenen Marktforschungsergebnissen keine Grundlage finden, weil die Veränderungen in der Fehlerbandbreite liegen.

Die Klägerinnen haben die Kosten ihrer Gegenäußerung vorläufig selbst zu tragen; die Beklagten haben die Kosten der Äußerung endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen, die Beklagten haben diese Kosten endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Erstklägerin ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Der Standard"; die Zweitklägerin ist ihre persönlich haftende Gesellschafterin. Die Erstbeklagte ist Verlegerin der Tageszeitung "Kurier", die Drittbeklagte Medieninhaberin. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten.

In der Ausgabe des "Kuriers" vom 24.Februar 1993 wurde über die Ergebnisse der Optima-Analyse (ua) wie folgt berichtet:

"Zu den Verlierern gehört der 'Standard', dessen Anteil an den Studenten in seiner Leserschaft gesunken ist: Von 26,5 % Reichweite fiel der 'Standard' auf 25,8 % zurück".

Die Bedingungen für die Veröffentlichung von Optima-Resultaten sehen (ua) vor:

"Wenn ein Vergleich mit früheren Untersuchungen vorgenommen wird, muß die Fehlerspanne berücksichtigt werden, die in den Übersichtstabellen ausgewiesen ist. Liegt der frühere Wert innerhalb dieses Fehlerintervalls, dann darf kein Unterschied zwischen den alten und den neuen Werten interpretiert werden."

Die Klägerinnen begehren zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten für die Dauer des vorliegenden Rechtsstreites zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr mit Tageszeitungen bei der Veröffentlichung von Marktforschungsergebnissen Behauptungen über angebliche Veränderungen von Leserzahlen der Tageszeitung "Der Standard" zu verbreiten - insbesondere dieser gehöre zu den Verlierern, sein Anteil an den Studenten in der Leserschaft sei gesunken -, wenn diese Behauptungen in den bezogenen Marktforschungsergebnissen keine Grundlage finden.

Der behauptete Leserrückgang liege innerhalb der statistischen Fehlerbandbreite. Die beanstandete Veröffentlichung sei grob irreführend und wettbewerbswidrig, weil eine angebliche Veränderung behauptet und der "Kurier" als "Verlierer" bezeichnet werde; beides finde in den Marktforschungsergebnissen keine Grundlage. Der Komplementär sei als Unternehmer legitimiert, wettbewerbsrechtliche Ansprüche geltend zu machen.

Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Zweitklägerin sei nicht aktiv legitimiert. Als alleinige persönlich haftende und geschäftsführende Gesellschafterin der Erstklägerin könne sie diese jederzeit dazu verhalten, von dem Exekutionstitel Gebrauch zu machen. Es sei nicht richtig, daß die bekanntgegebenen Leserzahlen in der Optima-Untersuchung keine Grundlage fänden; richtig sei nur, daß daraus, weil innerhalb der statistischen Schwankungsbreite gelegen, kein Unterschied zwischen alten und neuen Werten abgeleitet werden dürfe. Der Erstklägerin stehe daher nur ein Anspruch auf Unterlassung von Veröffentlichungen zu, die entgegen den Veröffentlichungsbedingungen erfolgen, weil die ausgewiesene Veränderung in der Fehlerbandbreite liegt. Es bestehe keine Gefahr, daß die Beklagten frei erfundene Zahlen veröffentlichten. In diesem Sinn boten die Beklagten der Erstklägerin folgenden Vergleich an:

"1.) Die Beklagten verpflichten sich bei sonstiger Exekution, es im geschäftlichen Verkehr mit Tageszeitungen zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbes bei der Veröffentlichung von Marktforschungsergebnissen Behauptungen über Veränderungen der Leserzahlen der Tageszeitung 'Der Standard' zu verbreiten - insbesondere, diese gehöre zu den Verlierern, ihr Anteil an den Studenten in der Leserschaft sei gesunken - , wenn diese Veränderungen nach den Veröffentlichungsbedingungen der bezogenen Marktforschungsergebnisse aus diesen nicht abgeleitet werden dürfen und/oder in deren Fehlerbandbreite liegen.

2.) Die Erstklägerin wird ermächtigt, diesen Vergleich auf Kosten der Beklagten einmal im Wirtschaftsteil der Tageszeitung 'Kurier' in Fettdruckumrahmung sowie unter Fettdruck der Überschrift und der Prozeßparteien, im übrigen jedoch in normalen Drucklettern, auf Kosten der (hiefür zur ungeteilten Hand haftenden) Beklagten zu veröffentlichen.

3.) Die Kostenentscheidung wird dem angerufenen Gericht vorbehalten."

Die Erstklägerin lehnte das Vergleichsanbot als nicht dem Begehren entsprechend ab.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag der Erstklägerin ab. Zur Sicherung des Anspruches der Zweitklägerin verbot es der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Tageszeitungen zu Zwecken des Wettbewerbes bei der Veröffentlichung von Marktforschungsergebnissen Behauptungen über Veränderungen der Leserzahlen der Tageszeitung "Der Standard" zu verbreiten - insbesondere diese gehöre zu den Verlierern, ihr Anteil an den Studenten in der Leserschaft sei gesunken - , wenn diese Veränderungen nach den Veröffentlichungsbedingungen der bezogenen Marktforschungsergebnisse aus diesen nicht abgeleitet werden dürfen und/oder in deren Fehlerbandbreite liegen.

Die Zweitklägerin sei als persönlich haftende Gesellschafterin der Erstklägerin aktiv legitimiert. Richtig sei aber, daß die beanstandeten Behauptungen zwar in den Marktforschungsergebnissen eine Grundlage finden, jedoch innerhalb der Schwankungsbreite liegen, so daß kein Unterschied zwischen den alten und den neuen Werten interpretiert werden dürfe. Der Sicherungsantrag sei daher umzuformulieren gewesen. Durch das Vergleichsanbot an die Erstklägerin sei die Vermutung der Wiederholungsgefahr beseitigt worden; der Erstklägerin sei im Vergleich alles geboten worden, was sie im Rechtsstreit ersiegen könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerinnen nicht Folge; dem der Beklagten gab es hingegen Folge. Das Rekursgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es auch zugunsten der Erstklägerin die einstweilige Verfügung antragsgemäß erließ. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs unzulässig sei.

Nur bei der getrennten Klageführung mehrerer Klageberechtigter könne das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Klagten eine Personengesellschaft und ihr alleiniger persönlich haftender geschäftsführender Gesellschafter als Streitgenossen, dann könne die Rechtsprechung zur Klagenhäufung nicht angewendet werden.

Die beanstandeten Behauptungen der Beklagten fänden in der Optima-Analyse keine Grundlage. Die Beklagten behaupteten fälschlicherweise Veränderungen des Anteils an Studenten in der Leserschaft. Dem entspreche der Sicherungsantrag. Im Verfahren brächten die Beklagten hingegen vor, daß tatsächlich Veränderungen vorlägen, die auf Grund der Veröffentlichungsbedingungen bloß nicht veröffentlicht werden dürften. Diese Behauptung sei aber falsch, weil sich aus den erhobenen Zahlen keinerlei Veränderungen ableiten ließen. Das Unterlassungsbegehren der Klägerinnen orientiere sich an dem konkreten Wettbewerbsverstoß und sei nicht völlig unbestimmt; es sei lediglich durch die Aufnahme der Worte "zu Wettbewerbszwecken" zu verdeutlichen gewesen. Das Vergleichsanbot der Beklagten habe nicht den gesamten Unterlassungsanspruch umfaßt und daher die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht beseitigen können. Das Anbot der Veröffentlichung des Vergleiches nur im "Kurier" habe hingegen ausgereicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag zur Gänze abgewiesen werde.

Die Klägerinnen beantragen, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil ein gleichartiger Sachverhalt bisher nicht Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung war; er ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagten halten an ihrer Auffassung fest, daß die Zweitklägerin nicht aktiv legitimiert sei. Die Rechtsprechung zur Klagenhäufung sei auch beim Auftreten mehrerer Klägerinnen als Streitgenossen abwendbar. Da die Erstklägerin gerade dabei sei, sich einen Exekutionstitel zu verschaffen, fehle der Zweitklägerin das Rechtsschutzbedürfnis für eine eigene Klage.

Die Beklagten ziehen nicht in Zweifel, daß der persönlich haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft bei Wettbewerbsverstößen, die sich gegen die Gesellschaft richten, aktiv legitimiert ist (ÖBl 1972, 152; ÖBl 1978, 66 u.a.; siehe auch SZ 50/124). Nach ständiger Rechtsprechung muß der nach § 14 UWG Klageberechtigte regelmäßig nicht abwarten, ob ein anderer Berechtigter mit einer auf Grund desselben Sachverhaltes erhobenen Unterlassungsklage zum Ziel kommt; sein Rechtsschutzbedürfnis fällt auch nicht allein dadurch weg, daß andere Mitbewerber oder Verbände bereits einen Exekutionstitel auf Unterlassung der beanstandeten Wettbewerbshandlung erwirkt haben (SZ 59/25; ÖBl 1989, 14; MR 1989, 219 u.a.). Dieses Interesse kann allerdings dann fehlen, wenn im Einzelfall zwischen verschiedenen Klageberechtigten solche tatsächlichen oder rechtlichen Bindungen bestehen, daß nach der Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, das schutzwürdige Interesse eines Klageberechtigten werde durch eine andere Person vollwertig gewahrt. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers kann aber nur dann verneint werden, wenn - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - bereits ein Exekutionstitel vorhanden ist (SZ 63/21). Somit läßt es das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers unberührt, wenn zwischen ihm und einem Streitgenossen eine Nahebeziehung besteht, die den oben dargelegten Kriterien gerecht wird, weil auch sein Streitgenosse noch keinen Exekutionstitel erlangt hat. Daraus folgt, daß die Zweitklägerin aktiv legitimiert ist, obwohl sie persönlich haftende Gesellschafterin der Erstklägerin ist und daher erreichen kann, daß auf Grund eines der Erstklägerin zustehenden Exekutionstitels Exekution geführt wird.

Nach der Auffassung der Beklagten erfasse das Vergleichsanbot all das, was die Erstklägerin mit der Klage zu fordern berechtigt ist. Die von ihnen veröffentlichten Zahlen seien unstrittig; es sei nur nach den Veröffentlichungsbedingungen verboten, aus derart unterschiedlichen Leserzahlen Veränderungen abzuleiten.

Das (wenngleich vom Kläger abgelehnte) Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches beseitigt aber nach ständiger Rechtsprechung die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur dann, wenn der Vergleich dem Kläger all das bringt, was er mit seiner Klage erreichen kann (SZ 51/87; ÖBl 1989, 52; ÖBl 1989, 87 u.a.). Das Vergleichsanbot der Beklagten weicht jedoch in mehreren Punkten vom Begehren ab:

Ist auch nur gegenüber einer dieser Abweichungen das Begehren der Klägerinnen berechtigt, dann wurde die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch das Vergleichsanbot nicht beseitigt, denn auch die durch das Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches begründete Vermutung der ernstlichen Absicht des Beklagten, gleichartige Gesetzesverstöße in Zukunft zu vermeiden, kann im Einzellfall durch den Nachweis besonderer Umstände widerlegt werden, welche die Aufrichtigkeit seines Verpflichtungswillens zweifelhaft erscheinen lassen (ÖBl 1989, 87 u.a.).

Die Zweitklägerin ist, wie oben dargelegt, ebenso wie die Erstklägerin aktiv legitimiert; die Beklagten hätten daher das Vergleichsanbot auch ihr unterbreiten müssen. Daß sie es nicht getan haben, läßt an der Ernstlichkeit ihrer Sinnesänderung zweifeln. Die Wiederholungsgefahr ist daher trotz des Vergleichsanbotes nach wie vor zu vermuten, der Unterlassungsanspruch beider Klägerinnen somit begründet. Da dies schon auf Grund der Beschränkung des Vergleichsanbotes auf die Erstklägerin gilt, ist auf die anderen Abweichungen nicht weiter einzugehen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes war mit der Maßgabe zu bestätigen, daß die Behauptung von Veränderungen untersagt wird, wenn diese in den bezogenen Marktforschungsergebnissen keine Grundlage finden, weil sie in der Fehlerbandbreite liegen. Damit ist klargestellt, worin das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten gelegen ist. Die von den Klägerinnen gewählte Formulierung geht zu weit, weil sie auch die Behauptung von Veränderungen erfaßt, die in den Marktforschungsergebnissen überhaupt keine Grundlage finden, weil sie (zB) frei erfunden sind. Ein solches Verhalten ist aber auf Grund des festgestellten Wettbewerbsverstoßes der Beklagten nicht zu befürchten und kann daher auch nicht untersagt werden (siehe ÖBl 1991, 105; ÖBl 1991, 109 mwN).

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerinnen beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO; §§ 41, 50 ZPO.

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