Spruch:
Die Revision wird hinsichtlich eines Teilbetrages von S 2.625,--, über den das Berufungsgericht entschieden hat, zurückgewiesen.
Im übrigen wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Die Klagsforderung besteht mit S 120.375,-- samt Anhang zu Recht.
Die Gegenforderung besteht im Betrage von S 7.875,-- zu Recht.
Der Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin den Betrag von S 112.500,-- samt 4 % Zinsen seit dem 27.November 1989 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 72.431,90 samt 4 % Zinsen ab dem Tag der Klagszustellung (27.November 1989) sowie von 4 % Zinsen aus S 44.931,80 vom 5.Oktober bis 20.November 1989 wird abgewiesen.
Der Beklagte ist weiters schuldig, der Klägerin die mit S 29.132,63 (darin Umsatzsteuer S 3.511.58 und Barauslagen S 8.927,16) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Beklagte ist weiters schuldig, der Klägerin die mit S 8.801,76 (darin enthalten S 606,96 Umsatzsteuer und S 5.160,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 30.April 1988 ereignete sich im Gemeindegebiet von H***** Bezirk W***** ein Verkehrsunfall, bei welchem die Klägerin als Lenkerin des PKW VW 1300 St ***** sowie der Beklagte als Radfahrer beteiligt waren.
Die Klägerin behauptet das Alleinverschulden des Beklagten, der als Radfahrer vom rechten Fahrbahnrand ohne Handzeichen nach links in eine Sportplatzzufahrt eingebogen sei, ohne auf die gerade überholende Klägerin zu achten. Sie habe den Unfall nicht mehr vermeiden können, den Beklagten niedergestoßen und sei selbst gegen eine Hausmauer geprallt, wobei sie schwer verletzt worden sei. Die Klägerin begehrte daher Schmerzengeld in der Höhe von S 100.000,--, den Ersatz von Sachschäden und der unfallskausalen Besuchskosten sowie des Fahrzeugschadens einschließlich der An- und Abmeldekosten. Letztere Forderung (in der Höhe von S 10.500,--) sei ihr von ihrem Ehemann, der Halter des Fahrzeuges gewesen sei, abgetreten worden.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens; das Alleinverschulden treffe die Klägerin, die zu schnell gefahren sei und verspätet reagiert habe. Sie hätte von ihrem Überholmanöver Abstand nehmen und das Einbiegemanöver des Beklagten abwarten müssen. Gegen das Klagebegehren wurden die eigenen Ansprüche des Beklagten in der Höhe von S 203.000,-- compensando eingewendet.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Forderung der Klägerin mit S 123.000,-- zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es verhielt daher den Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von S 123.000,-- samt 4 % Zinsen seit dem 27.November 1989 und wies das Feststellungsbegehren sowie ein Zinsenmehrbegehren ab. Eine Abweisung des Leistungsmehrgehrens von S 61.931,80 unterblieb.
Es ging dabei von nachstehenden wesentlichen Feststellungen aus:
Der Unfall ereignete sich auf der Bundesstraße 54 im Bereich der Zufahrt zum Sportplatz H*****. Die Straße verläuft im Bereich der Unfallstelle über mehrere 100 m gerade, horizonal und übersichtlich im Freiland und ist 7,6 m breit. Es herrschten gute Sichtverhältnisse. Die Klägerin befuhr die Straße in Richtung Westen und überholte einen vor ihr in der Mitte seines Fahrstreifens fahrenden Traktor. Als sie sich auf gleicher Höhe mit dem Traktor befand, hätte sie den Beklagten wahrnehmen können, der zu diesem Zeitpunkt eine Geschwindigkeit von rund 20 km/h einhielt. Als sich die Klägerin etwa 32 m von der späteren Kollisionsstelle befand, war der Beklagte noch 30 m vor ihr. Er hielt zu diesem Zeitpunkt einen Abstand von rund 0,6 m vom rechten Fahrbahnrand ein und lenkte etwa 1,5 Sekunden vor der Kollision sein Fahrrad nach links, um in die Sportplatzzufahrt einzubiegen. Kurz vor der Kollision nahm die Klägerin den Beklagten durch das rechte Seitenfenster wahr und verriß ihr Fahrzeug. Im Bereich der Fahrbahnmitte kam es zur Kollision, wobei das Fahrrad eine Winkelstellung von 45 Grad zur Fahrbahnlängsachse, der PKW der Klägerin jedoch eine fahrbahnparallele Stellung hatte. Nach der Kollision legte der PKW noch eine Strecke von ca. 48 m zurück und stieß gegen die Mauer eines Hauses. Das Erstgericht traf im Rahmen der Beweiswürdigung die negative Feststellung, daß nicht festgestellt werden könne, ob ein Abbiegezeichen des Beklagten erfolgt sei oder nicht.
Beide Teile erlitten bei dem Unfall schwere Verletzungen. Festgehalten wurde ebenfalls, daß die Ansprüche aus dem Fahrzeugschaden der Klägerin von ihrem Ehemann zediert worden seien.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls den Beklagten treffe, weil er die Beobachtung des nachkommenden Verkehrs unterlassen und ohne Abgabe eines Handzeichens sowie ohne sich zur Fahrbahnmitte hin einzuordnen, in die Sportplatzzufahrt eingefahren sei. Hingegen sei der Klägerin keinerlei Verschulden anzulasten, weil sie weder eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten noch verspätet reagiert habe. Da die Verletzungen der Klägerin folgenlos ausgeheilt seien, sei das Feststellungsbegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils erhobenen Berufung teilweise Folge.
Es übernahm nach Beweiswiederholung die Feststellungen des Erstgerichtes und hielt ausdrücklich fest, daß eine Feststellung, daß der Beklagte vor dem Abbiegen nach links ein Handzeichen gegeben habe, nicht getroffen werden könnne.
Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß die Klägerin kein Verschulden nach den Bestimmungen des ABGB treffe, doch habe sie als Kraftfahrzeughalterin für die von ihrem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr einzustehen. Ihr sei der Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht gelungen, weil sie den Beklagten auf eine Distanz von rund 50 m hätte wahrnehmen können und müssen und verhalten gewesen wäre, Warnzeichen abzugeben. Sie habe daher die von ihrem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zu vertreten und müsse sich diese auf ihren Ersatzanspruch gegen den nach Verschuldensgrundsätzen haftenden Beklagten zu einem Viertel anrechnen lassen. Der Beklagte habe durch seinen schwerwiegenden Verstoß gegen die Grundregeln der Fahrordnung die den Unfall primär einleitende Ursache gesetzt, sodaß eine Schadensteilung von 3 : 1 zu seinen Lasten vorzunehmen sei.
Die Klägerin bekämpft dieses Urteil mit außerordentlicher Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die Klagsforderung im Betrag von S 123.000,-- samt Anhang als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend festgestellt werde.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Umfang eines Betrages von S 2.625,-- unzulässig, im übrigen teilweise berechtigt.
Vorauszuschicken ist, daß bereits in der Klage behauptet wurde, daß die Klägerin lediglich Lenkerin des Fahrzeuges gewesen sei. Halter sei ihr Ehemann gewesen, der ihr die Schadenersatzansprüche aus dem Fahrzeugschaden zur Geltendmachung gegenüber dem Beklagten abgetreten habe. In der Klagebeantwortung wurde dieses Vorbringen nicht substantiiert bestritten, sondern die Bezeichnung der Fahrzeuge und der Streitteile ausdrücklich als richtig zugestanden. In den Feststellungen des Ersturteils (ON 30 S.9), die vom Berufungsgericht übernommen wurden, wird festgehalten, der Ehegatte der Klägerin habe dieser die Ansprüche hinsichtlich des Fahrzeugschadens zediert. Dies ergibt sich auch aus deren Aussage (ON 18 S.6).
Die Ausführungen des Berufungsgerichtes, die Klägerin habe ihre Ansprüche als Lenkerin und Halterin eines PKWs geltend gemacht, entbehren daher der aktenmäßigen Grundlage. Diese dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit mußte aufgegriffen werden, weil sie für das Urteil von wesentlicher Bedeutung war (EFSlg. 44.101) und zugleich einen Verstoß gegen § 498 Abs.1 ZPO begründete (SZ 59/92, SZ 59/87).
Auszugehen ist daher davon, daß Halter des Fahrzeuges der Ehemann der Klägerin war und dieser die aus dem Fahrzeugschaden resultierende Forderung von S 10.500,-- zedierte. Da aber Ansprüche mehrerer Geschädigter aus demselben Unfallereignis, auch wenn sie durch Zession auf einen Kläger übergegangen sind, nicht zusammenzurechnen sind (ZVR 1987/27), war die außerordentliche Revision zurückzuweisen, soweit sie sich auf den zedierten Teilanspruch bezieht. Das Berufungsgericht hat ausgehend von einer Mithaftung der Klägerin von einem Viertel die Klagsforderung lediglich in der Höhe von drei Viertel der berechtigten Ansprüche zu Recht bestehend angesehen. Soweit daher in diesem Ausspruch der Anspruch aus dem Fahrzeugschaden zu einem Viertel (S 2.625,--) als nicht zu Recht bestehend angesehen wurde, ist die Revision unzulässig.
Im übrigen ist sie teilweise berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung (ZVR 1977/211) hat zwar ein Kfz-Halter hinsichtlich seines eigenen Schadens die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zu vertreten. Doch bestehen keine Ansprüche gegenüber dem Lenker, den kein Verschulden trifft (Apathy, EKHG § 5 Rz 3, § 11 Rz 2, ZVR 1991/40; 1984/124; 1983/197 uva). Ein Verschulden der Klägerin am Zustandekommen des gegenständlichen Unfalls ist aber auszuschließen, sodaß nach den oben angestellten Erwägungen auch eine Mithaftung zu verneinen ist. Bei der in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidung ZVR 1980/225 wurde die Mithaftung des PKW-Lenkers deshalb bejaht, weil er zugleich Halter des Fahrzeuges war.
Danach scheidet eine Mithaftung der Klägerin als Lenkerin mangels Verschuldens aus. In der Klagsforderung sind aber auch die ihr zedierten Ansprüche des Fahrzeughalters in der verbleibenden Höhe von S 7.875,-- enthalten. Da eine Zession weder die anspruchsbegründenden Tatsachen noch den Rechtsgrund der Forderung ändert (ZVR 1987/27) und der Fahrzeughalter jedenfalls die von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zu vertreten hat, kann diesem Anspruch die Gegenforderung des Beklagten entgegengehalten werden, weil der Entlastungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG, wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat (§ 500a ZPO) nicht erbracht wurde. Die Gegenforderung des Beklagten war daher als mit S 7.875,-- zu Recht bestehend festzustellen.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1 und 2, 50 ZPO. Die Klägerin ist im Verfahren erster Instanz letztlich mit 78 % ihres Begehrens durchgedrungen und hat daher Anspruch auf Ersatz der Barauslagen in diesem Ausmaß sowie von 56 % ihrer Kosten, ist aber verpflichtet, dem Beklagten 22 % seiner Barauslagen zu ersetzen. Im Verfahren zweiter Instanz hat die Klägerin zu 91 % obsiegt und demnach dem Beklagten 9 % seiner Barauslagen zu ersetzen. Ihr stehen 82 % der Kosten der Berufungsbeantwortung zu. Schließlich ist die Klägerin im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof mit 86 % ihres restlichen Anspruchs durchgedrungen; ihr sind daher die Barauslagen in diesem Ausmaß, die Kosten jedoch nur zu 72 % zu ersetzen.
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