OGH 6Ob642/93

OGH6Ob642/9325.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Helmut R*****, vertreten durch Dr.Robert Mühlfellner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. K***** Bau- und Beteiligungsgesellschaft mbH, ***** und 2. H***** Baugesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 3,688.193,10 S samt Nebenforderungen, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das zum Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 12.Juni 1992, GZ 1 Cg 11/90-83, ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 21. Januar 1993, AZ 6 R 202/92 (ON 90), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision des Klägers wird stattgegeben und das angefochtene Berufungsurteil derart abgeändert, daß es lautet:

Der Berufung der zweiten beklagten Partei wird nicht stattgegeben und das erstinstanzliche Urteil, das in Ansehung der ersten beklagten Partei mangels Anfechtung unberührt bleibt, in Ansehung der zweiten beklagten Partei bestätigt.

Die zweite beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 139.906,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Barauslagen S 48.000,-- und an Umsatzsteuer S 15.317,67) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein Salzburger Gemeindeverband hatte - nach einer Ausschreibung mit Zuschlag an die zweite beklagte Partei - mit der zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen zweiten beklagten Partei und einer Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter die erste beklagte Partei war, über die Durchführung von Erdarbeiten mit einer Auftragssumme von rund 30 Mio S einen - zunächst zu etwa 2/3 auszuführenden - Bauvertrag geschlossen. Als Vertragsgrundlagen wurden in der folgenden Rangordnung 1. Auftragsschreiben, 2. Leistungsverzeichnis, 3. Planangaben, 4. Allgemeine Bedingungen und 5. technische und rechtliche Ö-Normen oder DIN-Normen festgelegt. Diese Vertragsgrundlagen boten insofern eine Quelle für Auslegungsschwierigkeiten, als der Ausschreibung des Jahres 1978 ohne ausdrücklichen Hinweis nicht die seit Mai 1976 in Geltung gestandene Fassung der Ö-Normen B 2205, sondern die bis dahin in Geltung gestandene Vorläuferfassung aus dem Jahr 1964 zugrundegelegt worden war. Das hatte allerdings die ARGE-Partnerin der zweiten beklagten Partei als deren Mitbewerberin bei der Ausschreibung schon anläßlich ihrer Anbotstellung aus den Fomulierungen im Leistungsverzeichnis erkannt; dem Geschäftsführer der zweiten beklagten Partei waren bei Durchsicht deren Anbotes Ungereimtheiten in dieser Hinsicht aufgefallen, ohne diesen jedoch weiter nachzugehen. Nach dem Inhalt des Bauvertrages sollten die Auftragnehmer über alle seit Baubeginn durchgeführten Bauleistungen fortlaufend numerierte Verdienstausweise vorlegen dürfen, um deren durch die Bauleitung anzuerkennenden Betrag zu 90 % als Teilzahlung erhalten zu können. Die Ansätze der Massenberechnung hatten dabei übersichtlich und leicht prüfbar gehalten zu sein und erforderlichenfalls durch klare deutlich codierte Skizzen belegt zu werden. Zur Anerkennung solcher Leistungsausweise wurde vereinbart, daß sie unter Vorbehalt der im Rahmen der Schlußrechnung durchzuführenden Überprüfung erfolge.

Im Zusammenhang mit dem erwähnten Bauvorhaben hatte der Gemeindeverband mit dem Kläger einen Architektenvertrag geschlossen, nach dem der Kläger unter anderem auch die dem Gemeindeverband als Bauherrn gelegten Rechnungen der Bauführer zu überprüfen hatte.

Anläßlich der ersten von der ARGE gelegten Leistungsausweise wurde offenkundig, daß die Auftragsnehmer eine Bewertung ihrer Leistungen unter Zugrundelegung der neuen Ö-Normen anstrebten, der Bauauftraggeber aber nur eine Entlohnung der Leistungen im Sinne der alten Ö-Norm-Fassung als vereinbart erachtete. Letztlich einigten sich Gemeindeverband und ARGE-Partner darauf, daß für die Erdarbeiten die alte Fassung der Ö-Norm B 2205 gelten sollte.

Die ARGE legte dem Gemeindeverband zu Handen des Klägers in der Folge Leistungsausweise ohne die zur Überprüfung erforderlichen Massenblätter. Der Kläger forderte ab dem zum 31.Mai 1979 erstellten (fünften) Leistungsausweis immer wieder, aber vergeblich von der ARGE prüfbare Massenermittlungen und prüfte die Leistungsausweise im wesentlichen nur rein rechnerisch. Auf dieser Grundlage bewirkte der Gemeindeverband Teilzahlungen an die ARGE.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der von der ARGE erstellten Schlußrechnung stellte sich der Gemeindeverband auf den Standpunkt, unter Anwendung der früheren Ö-Norm-Fassung als Berechnungsgrundlage sowie unter Berücksichtigung einer Doppelverrechnung von Straßenwiederherstellungsarbeiten sowohl gegenüber der Gemeinde als auch gegenüber dem Gemeindeverband bereits eine das vertraglich gebührende Entgelt um 2,830.825,36 S übersteigende Überzahlung geleistet zu haben und forderte die Rückzahlung dieses Betrages.

Die ARGE-Partner vertraten durch ihren Geschäftsführer dagegen die Auffassung, daß unter der bei richtiger Anwendung der Ö-Normen in der zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden Fassung noch eine Werklohnforderung von mehr als 11 Mio S unberichtigt aushaftete und kam demgemäß dem Rückzahlungsbegehren des Gemeindeverbandes nicht nach.

Der Gemeindeverband klagte den nunmehrigen Kläger auf Ersatz des den ARGE-Partnern auf deren vom nunmehrigen Kläger nur ungenügend geprüften Leistungsausweise über die vertraglich gebührenden Beträge hinaus geleisteten Überzahlungen. In diesem Rechtsstreit wurde der nunmehrige Kläger rechtskräftig zur Zahlung an den Gemeindeverband verpflichtet.

Der Haftpflichtversicherer des nunmehrigen Klägers leistete auf diese urteilsmäßige Verpflichtung an den Gemeindeverband, trat aber die damit kraft Gesetzes an ihn übergegangenen Ansprüche wieder an seinen Versicherungsnehmer, den nunmehrigen Kläger, ab.

Der Kläger begehrte von den beiden beklagten Handelsgesellschaften die Bezahlung des Betrages samt kapitalisierter Zinsen, den sein Haftpflichtversicherer im Sinne des Urteiles im Schadenersatzprozeß an den Gemeindeverband leistete.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab diesem (um die Prozeßkosten des Schadenersatzprozesses eingeschränkten) Begehren statt.

Das Berufungsgericht änderte dieses erstinstanzliche Urteil, das seitens der ersten beklagten Partei unangefochten geblieben war, in Ansehung der zweiten beklagten Partei derart ab, daß es unter Abweisung des restlichen Teilbegehrens und unter Abweisung der Aufrechnungseinrede den erstinstanzlichen Zuspruch nur im Ausmaß eines Hälfteanteiles bestätigte. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß eine Revisionszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliege.

Das Prozeßgericht erster Instanz hatte eine im § 896 ABGB begründete Ausgleichspflicht der Beklagten im vollen Ausmaß der für den Kläger erbrachten Schadenersatzleistungen des Haftpflichtversicherers als berechtigt angenommen, weil die ARGE-Partner als Auftragnehmer des Bauherrn dessen Mehrzahlungen über den vertraglich geschuldeten Werklohn hinaus "durch ihr einseitiges Abgehen von den Vereinbarungen, also ... Vertragsverletzung, vorsätzlich verschuldet und verursacht" hätten und sich in diesem Ausmaß unter Verkürzung ihres Vertragspartners, letztlich dessen nur diesem vertraglich zur Prüfung der Rechnungen verpflichteten Klägers und weiters dessen Haftpflichtversicherers, ungerechtfertigt bereichert hätten.

Das Berufungsgericht teilte zwar die erstrichterliche Ansicht, daß den ARGE-Mitgliedern bei richtiger Vertragsauslegung keine auf die Ö-Norm B 2205 in der Fassung 1976 gegründeten Ansprüche zugestanden seien und diese daher im Umfang des der Höhe nach nicht strittigen Betrages von rund 2,8 Mio S keinen Werklohnanspruch besessen hätten, zu dessen Zahlung die Bauauftragsgeberin ausschließlich durch unrichtige Leistungsausweise der Bauauftragnehmer bestimmt worden sei. Das Berufungsgericht nahm aber einen Sonderfall der Ausgleichung unter Solidarschuldnern im Sinn des § 1302 ABGB an und wertete das den ARGE-Partnern anzulastende Verschulden an der Vorlage von Rechnungen mit überhöhten Ansätzen und mit Doppelverrechnungen gegenüber dem Verschulden des Klägers an der Verletzung seiner vertraglich geschuldeten Prüfungspflichten als gleichgewichtig.

Der Kläger ficht den abändernden Teil des Berufungsurteiles, dessen bestätigenden Teil die zweite beklagte Partei unbekämpft gelassen hat, wegen qualifiziert unrichiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des voll stattgebenden erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die zweite beklagte Partei beantragt in erster Linie die Zurückweisung der Revision des Klägers mangels Vorliegens einer Revisionszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO; hilfsweise strebt die Revisionsgegnerin die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil zur internen Ausgleichung zwischen einem Kondiktionsschuldner und einem Schadenersatzpflichtigen eine Rechtsprechung des Revisionsgerichtes fehlt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Das Vorliegen einer vertraglich nicht gedeckten Überzahlung durch den Gemeindeverband an die ARGE-Partner hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum dargelegt. Dazu fehlt auch in der Revisionsbeantwortung jeder Hinweis. Es genügt daher diesbezüglich der Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen im Berufungsurteil (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Revisionsgegnerin hatte als Vertragspartner des Bauauftraggebers einen vertraglich geregelten, aber unter den Vorbehalt der Schlußrechnungsprüfung gestellten Anspruch auf Teilzahlungen auf den Werklohn aufgrund der zu prüfenden Ausweisung der jeweils erbrachten Teilleistungen. Im Falle einer sich bei Prüfung der Schlußrechnung herausstellenden Überzahlung erwuchs dem Bauauftraggeber in Ansehung seiner etwa über den vertraglich ermittelten Werklohngesamtbetrag erbrachten Zahlung aufgrund des ausdrücklich vereinbarten Vorbehaltes ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch.

Der Bauauftraggeber hatte sich unter anderem zur Prüfung der ihm als Grundlage für die Teilzahlungen dienenden Leistungsausweise sowie der Schlußrechnung, um ungerechtfertigte Zahlungen von vornherein zu vermeiden, vertraglich der Dienste eines Zivilingenieurs für Bauwesen versichert. Dessen Prüfungsleistungen hatten im ausschließlichen Interesse des Auftraggebers zu erfolgen; Schutzpflichten gegenüber einem rechnungslegenden Werkführer waren aus dem Architektenvertrag in dieser Hinsicht nicht abzuleiten.

Die Bauauftragnehmer verzeichneten in ihren den Teilzahlungen des Bauauftraggebers zugrundegelegten Leistungsausweisen infolge vertragswidriger Zugrundelegung von Berechnungs- und Materialbewertungsansätzen überhöhte Beträge.

Der zur Rechnungsprüfung verpflichtete Zivilingenieur deckte dies gegenüber seinem Auftraggeber nicht auf und veranlaßte diesen dadurch zu übervertraglichen Zahlungen an die Rechnungsleger.

Diese Überzahlungen des Bauauftraggebers an die ARGE-Partner lösten einerseits einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch des Bauauftraggebers gegen die Empfänger der ungerechtfertigten Leistungen, andererseits aber auch einen Schadenersatzanspruch gegen den Kläger wegen dessen unrichtigen entgeltlich erteilten Rates zur Zahlung (der in der Anerkennung der überhöhten Leistungsausweise als Teilzahlungsgrundlage enthalten war) aus. Der vertragliche Rückforderungsanspruch gegen die Zahlungsempfänger (ebenso aber auch mangels einer Vertragsregelung ein Kondiktionsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung oder gar ein Ersatzanspruch wegen bewußter Irreführung) und ein Schadenersatzanspruch gegen den nachlässigen Prüfer hatten den Ausgleich desselben in der ungerechtfertigten Entreicherung gelegenen und nur einmal gutzumachenden Vermögensnachteiles des Bauauftraggebers zum Ziel. Zahlungsempfänger und Prüfer gerieten dadurch aus unterschiedlichen Rechtsgründen in eine zufällige Schuldnergemeinschaft, ohne daß bis zur Erfüllung des einen oder anderen Anspruches des Gläubigers untereinander irgendwelche rechtliche Beziehungen bestanden.

Erst die Zahlung auf die urteilsmäßig festgelegte Zahlungsverpflichtung des Prüfers konnte einen in der Regel des § 896 ABGB wurzelnden Ausgleichsanspruch des Zahlers gegen den dadurch gegenüber dem Gläubiger entlasteten Solidarverpflichteten begründen.

Das Prozeßgericht erster Instanz erkannte zutreffend, daß im internen Verhältnis der Streitteile die vertragliche Erstattungspflicht der Zahlungsempfänger (ebenso wie eine diesbezügliche Kondiktionsverpflichtung) die Schadenersatzpflicht des Prüfers in einen Nachrang versetzt, der die Zweifelsregel der Kopfteilstragung ausschließt.

Das besondere für die interne Schadenstragung ausschlaggebende Verhältnis zwischen den Zahlungsempfängern einerseits und dem nachlässigen Prüfer andererseits liegt darin, daß nach den gesetzlichen Wertungen derjenige, der durch Rückführung eines ungerechtfertigten Empfanges in die Rechtszuständigkeit des Entreicherten ohne Aufopferung rechtlich gebilligter eigener Vermögenszuständigkeiten den Gläubiger zu befriedigen imstande ist, rangmäßig vor demjenigen zum Ausgleich des dem Gläubiger entstandenen Vermögensnachteiles heranzuziehen ist, der bloß durch fahrlässige Vernachlässigung seiner Pflichten den zur ungerechtfertigten Vermögensverschiebung führenden Vorgang nicht verhinderte und den damit verbundenen Nachteil des Gläubigers aus eigenem Vermögen zu beseitigen hätte, was die gesetzlich nicht gebilligte ungerechtfertigte Bereicherung aufrecht beließe und nur die Entreicherung vom Leistenden auf seinen Schadenersatzschuldner verlagerte.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes liegt kein Fall alternativer Kausalität vor, in dem jeder Schuldner dem ihm zu ersetzenden Nachteil des Gläubigers grundsätzlich gleich nahe steht. Noch weniger liegt ein Problem der Schadensaufteilung unter zwei gegenüber dem Geschädigten grundsätzlich auf derselben Stufe stehenden Schadenersatzpflichtigen vor, sondern ein Fall zufälliger Schuldergemeinschaft zwischen den Empfängern einer rechtsgrundlosen Zahlung einerseits und demjenigen, der eine solche Zahlung im ausschließlichen Interesse des Zahlenden hätte verhindern sollen. Der Leistungsempfänger hätte dem Entreicherten nicht mit Erfolg entgegensetzen können, dieser hätte vor seiner Leistung genauer prüfen müssen, ob er zur geforderten Leistung überhaupt verpflichtet sei. Ein solcher Einwand muß dem Leistungsempfänger auch dann verwehrt bleiben, wenn der Entreicherte die ausschließlich in dessen Interesse gelegene Prüfung vertraglich einem Dritten überantwortet hat.

In Stattgebung der außerordentlichen Revision war das Urteil erster Instanz in Ansehung der zweiten beklagten Partei wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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