OGH 7Nd509/93

OGH7Nd509/9324.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter und Dr.Schalich. als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängigen Rechtssache der klagenden Partei mj.Kevin V*****, vertreten durch seine Mutter Monika V*****, diese vertreten durch Dr.Helmut Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, 2. Stadt Wien, vertreten durch den Bürgermeister Dr.Helmut Zilk, dieser vertreten durch Dr.Wilfried Lefford, 3. S***** Institut Wien GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Waldeck und Dr.Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in Wien, und 4. P***** M***** S***** et V***** S.A., ***** vertreten durch Dr.Christian Dorda ua Rechtsanwälte in Wien, wegen S 30.000,-- und Feststellung (S 100.000,--), über den Delegierungsantrag der klagenden Partei folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Antrag der klagenden Partei, anstelle des Landesgerichtes für ZRS Wien das Landesgericht Innsbruck zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 25.000,--, einer Verunstaltungsentschädigung von S 5.000,-- sowie die Feststellung, daß diese zur ungeteilten Hand ihm für alle zukünftig zu erwartenden Schäden und Nachteile aus der Impfung mit dem Impfstoff B***** P***** I***** D***** P vom 7.8.1990 zu haften haben. Der Kläger sei zufolge unterlassener Aufklärung seiner Mutter, falscher Dosierung eines fehlerhaften Impfstoffes und falscher Impftechnik an eitriger Lymphadenitis sowie an mehrfach auftretenden Abszessen erkrankt und habe mehrfach operiert werden müssen, es sei mit dem Eintritt von Spätfolgen zu rechnen. Es seien verunstaltende Narben zurückgeblieben. Die erstbeklagte Partei werde wegen der Verletzung der Zulassungsvorschriften nach dem Arzneimittelgesetz, die zweitbeklagte Partei wegen unterlassener Aufklärung der Mutter des Klägers, wegen falscher Dosierung bzw. Impfung und falscher Behandlung, die drittbeklagte Partei wegen unterlassener Prüfung des Impfstoffes auf seine Nebenwirkungen und die viertbeklagte Partei wegen Herstellung eines fehlerhaften Impfstoffes bzw. eines Impfstoffes mit zu großen Nebenwirkungen, dies auch nach dem Produkthaftpflichtgesetz in Anspruch genommen.

Der Kläger beantragt die Delegierung des beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Verfahrens an das Landesgericht Innsbruck mit der Begründung, daß dort die gleichgelagerten Verfahren 18 Cg 16/92, 6 Cg 215/91, 18 Cg 59/93, 18 Cg 279/91, 18 Cg 318/91 und 18 Cg 49/91 sowie 6 Cg 110/91 anhängig seien, die alle gegen die erst-, dritt- und viertbeklagte Partei und den jeweiligen Krankenhausträger geführt werden, alle bis zur rechskräftigen Erledigung von 6 Cg 119/91 des Landesgerichtes Innsbruck (Musterprozeß) unterbrochen wurden.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung und bestritten die wider sie erhobenen Vorwürfe im einzelnen. Während sich die erst- und drittbeklagte Partei ausdrücklich dem Delegierungsantrag des Klägers anschlossen, sprachen sich die zweit- und viertbeklagte Partei dagegen aus; das Erstgericht befürwortete den Delegierungsantrag. Die zweitbeklagte Partei begründete die Ablehnung der Delegierung damit, daß sich der Sitz der erst- bis drittbeklagten Parteien in Wien befinde und sämtliche Zeugen, insbesondere die Ärzte, in Wien aufhielten. Dieses Argument wird auch von der viertbeklagten Partei vertreten. Im übrigen seien auch noch beim Landesgericht für ZRS Wien eine ganze Reihe von BCG-Prozessen anhängig, so 8 Cg 127/92, 11 Cg 228/91, 24 Cg 89/92 und 26 Cg 212/93z, weiters 31 Cg 1010/92.

Aus der Klagebeantwortung der erst- und viertbeklagten Partei geht hervor, daß im Rahmen eines zu ***** Vr *****/91 beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Strafverfahren bereits ein Sachverständigengutachten des Institutes für gerichtliche Medizin zur Frage der fehlerhaften Herstellung des gegenständlichen Impfstoffes bzw. seiner Nebenwirkungen eingeholt worden ist. Der Klagebeantwortung der erstbeklagten Partei ist zu entnehmen, daß auch beim Landesgericht Klagenfurt zwei weitere Verfahren dieser Art anhängig sind.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag des Klägers ist nicht berechtigt.

Eine Delegierung ist immer dann zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, Erleichterung des Gerichtszuganges und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreites beitragen kann. Zweckmäßigkeitsgründe sind zB der Wohnsitz einer oder beider Parteien in einem anderen Sprengel, die Lage des Unfalls- oder Augenscheinsortes, oder der Wohnort der Mehrzahl der Zeugen (Fasching ZPR2 Rz 209). Im Vordergrund dieses Verfahrens und aller anderen beim Erstgericht, beim Landesgericht Innsbruck und beim Landesgericht Klagenfurt oder sonstwo anhängig gemachten Verfahren steht die Prüfung der Frage, ob der von der viertbeklagten Partei hergestellte Impfstoff fehlerhaft war oder derart weitreichende Nebenwirkungen hervorruft, daß er in Österreich als Arznei nicht hätte zugelassen werden dürfen, ob die Anwendungshinweise falsch oder unzureichend oder irreführend waren und ob die Impftechnik im vorliegenden Fall verletzt worden ist. Hiezu werden zumindestens zwei Sachverständigengutachten einzuholen sein. Richtig ist, daß die Einholung mehrerer gleichartiger Gutachten schon an und für sich wegen der damit verbundenen wesentlichen Verteuerung jedes einzelnen Rechtsstreites unzweckmäßig ist. Jedoch reicht dieser mit der Führung eines "Musterprozesses" ins Treffen geführte Grund dann nicht für eine Delegierung aus, wenn, wie im vorliegenden Fall, feststeht, daß es trotz der Delegierung auch noch an anderen Gerichten Verfahren gleicher Art gibt und neben der vermutlich in allen Verfahren gegen die erst-, dritt- und viertbeklagte Partei zu klärenden Haftungsfragen hinsichtlich des jeweiligen Spitalserhalters sich eine jeweils ganz andere Haftungskonstellation ergeben kann. Die Delegierung nach § 31 JN setzt voraus, daß die Übertragung an ein anderes Gericht im Interesse aller am Verfahren Beteiligten liegt. Dies ist hier bei der zweitbeklagten Partei nicht der Fall. Wenn sich die Frage der Zweckmäßigkeit aber nicht eindeutig zugunsten aller Parteien lösen läßt und eine Partei der Delegierung widerspricht, ist dieser Partei der Vorzug zu geben. Der Entscheidung 8 Nd 514/92 vom 28.1.1993 lag eine andere Fallkonstellation zugrunde.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte