OGH 1Ob619/93

OGH1Ob619/9317.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. Alfred S*****, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei *****Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Herbert Poinstingl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 6. Juli 1993, GZ 41 R 518/93-10, womit die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Mai 1993, GZ 48 C 171/93-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung wiederhergestellt wird.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit seinem auf Übergabe eines näher bezeichneten Objekts in einem Haus der beklagten Partei in Wien-Innere Stadt, allenfalls auf Übergabe dieses Objekts nach dessen Freiwerden, allenfalls auf Unterlassung aller Handlungen, die das dem Kläger eingeräumte Recht auf Abschluß eines Mietvertrags über dieses Objekt unmöglich machen oder gefährden könnten, insbesondere mit Dritten Mietverträge abzuschließen oder ihnen Eintrittsrechte zuzugestehen, und schließlich - wiederum stufenweise - auf Feststellungen gerichteten Klagebegehren verband der Kläger als gefährdete Partei (in der Folge kurz Kläger) zur Sicherung seiner Ansprüche den Antrag, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge kurz beklagte Partei) zu verbieten, dem Kläger nachteilige Handlungen „hinsichtlich des Bestandrechts bzw. des Offerts vom 19.12.1989 hinsichtlich“ des genannten Objekts „vorzunehmen, insbesondere den Abschluß von Bestandverträgen mit dritten Personen vorzubereiten oder solche Verträge abzuschließen oder Eintrittsrechte anzuerkennen“.

Mit der ohne Anhörung der beklagten Partei erlassenen einstweiligen Verfügung verbot dieser das Erstgericht, mit dritten Personen Bestandverträge über das Objekt abzuschließen, Eintrittsrechte dritter Personen „in das Bestandverhältnis hinsichtlich dieses Bestandobjekts anzuerkennen oder Dritten ein Benützungsrecht an diesem Bestandobjekt zu gestatten“, begrenzte die Wirksamkeit dieser Verfügung mit der rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits, machte ihre Wirksamkeit vom Erlag einer Sicherheit von S 100.000,-- abhängig und wies schließlich das Mehrbegehren ab, das Verbot auch auf die Vornahme nachteiliger Handlungen hinsichtlich der vorher genannten Bestandrechte, insbesondere den Abschluß von Bestandverträgen mit Dritten vorzubereiten, zu erstrecken.

Es nahm als bescheinigt an, daß die beklagte Partei am 19.12.1989 nachstehendes Schreiben an den Kläger gerichtet habe:

„....

III. Wohnung top. 14 (derzeit...)

1. Wir wiederholen hiemit nochmals verbindlich unser Offert zum Abschluß eines Hauptmietvertrages mit Ihnen, sobald die Wohnung nach dem Tod oder Auszug des Herrn... frei werden sollte. Der Mietzins wird S 25 pro m2 betragen, wobei dieser Betrag mit Wirksamkeit ab 1. Juli 1988 wertgesichert ist.

2. Alle anderen Bedingungen entsprechen den Bedingungen für die Wohnung top. 17 und top. 18 und den sämtlichen in Punkt I. getroffenen Sondervereinbarungen.“

Mit Schreiben vom 30.4.1993 habe der Kläger der Beklagten mitgeteilt, daß der Hauptmieter der vorher genannten Wohnung am 24.4.1993 gestorben sei. Er erkläre deshalb, das „Mietoffert“ vom 19.12.1989 anzunehmen, nachdem dessen Voraussetzungen eingetreten seien. Er ersuche, ihn von allfälligen Ansprüchen Dritter auf Eintritt in das Mietverhältnis mit dem Vormieter zu unterrichten. Darauf habe die beklagte Partei mit tags darauf beim Kläger eingelangten Schreiben vom 5.5.1993 erwidert, der Inhalt dessen Schreibens versetze sie ins Erstaunen, denn er habe seinerzeit den Wunsch geäußert, die Wohnung Nr. 14a zu mieten und im Gegenzug keine Ansprüche mehr auf die Wohnung Nr. 14 zu erheben. Da seinem Wunsch entsprochen worden sei, erscheine die Angelegenheit für sie endgültig erledigt.

Der Kläger und seine Familie seien Mieter mehrerer Objekte im genannten Haus der beklagten Partei.

Rechtlich meinte das Erstgericht, es lägen die Voraussetzungen des § 381 Z 1 EO vor, weil der Erklärung der beklagten Partei entnommen werden müsse, daß sie zu ihrem Angebot vom 19.12.1989 nicht mehr stehe.

Das Gericht zweiter Instanz wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß zwar der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Es führte aus, bescheinigt sei lediglich die Offerte der beklagten Partei, nach dem Freiwerden der Wohnung nach dem Tod oder dem Auszug des Vormieters einen Hauptmietvertrag mit dem Kläger abzuschließen. Unter dem „Freiwerden“ könne nur die Beendigung des Mietverhältnisses der beklagten Partei mit dem gegenwärtigen Mieter verstanden werden, wolle man der beklagten Partei nicht den Willen zur Doppelvermietung unterstellen. Der von der beklagten Partei im Schreiben vom 19.12.1989 verwendete Ausdruck sei daher so auszulegen, daß die an den Kläger gerichtete Offerte erst bei Beendigung des bestehenden Hauptmietverhältnisses verbindlich werden sollte. Durch den Tod des Mieters werde der Mietvertrag nicht aufgehoben. Die Vererblichkeit des Mietverhältnisses ergebe sich schon aus § 1116a ABGB. Der Kläger habe nicht vorgebracht, das Mietverhältnis an der Wohnung sei nach dem Tod des bisherigen Mieters - etwa durch Aufkündigung - beendet worden; deshalb sei davon auszugehen, daß die Wohnung trotz Ablebens des Mieters weiterhin vermietet sei. Ob eintrittsberechtigte Personen vorhanden seien, müsse deshalb gar nicht geprüft werden. Da die Offerte der beklagten Partei nur so verstanden werden könne, daß sie erst bei Beendigung des bisherigen Hauptmietverhältnisses zum Tragen kommen könne, erweise sich der Sicherungsantrag zur Gänze als nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs des Klägers ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit Schreiben vom 19.12.1989 (Beilage A) „wiederholte“ die beklagte Partei ihre „verbindliche“ - also einseitig unwiderrufliche - Offerte zum Abschluß eines Hauptmietvertrages über eine näher bezeichnete Wohnung mit einem wertgesicherten monatlichen Mietzins von S 25,-- je m2 zu näher umschriebenen „Bedingungen“, „sobald die Wohnung nach dem Tod oder Auszug des ... (gegenwärtigen Mieters) ... frei werden sollte“. Die beklagte Partei bot dem Kläger somit den Abschluß eines inhaltlich bereits vollständig determinierten Hauptmietvertrags - allerdings unter einer aufschiebenden Bedingung - an. Zu Recht erblickte das Gericht zweiter Instanz das der Offerte als Suspensivbedingung (§ 696 ABGB) beigefügte Ereignis nicht schon im Ableben bzw. im Auszug des derzeitigen Mieters, sondern erst im Freiwerden der Wohnung infolge einer dieser beiden Tatsachen. Nun hat zwar der Kläger vorgebracht, der bisherige Mieter sei verstorben, er hat aber nicht behauptet, daß das mit diesem begründete Mietverhältnis auch bereits beendet, die Wohnung also „freigeworden“ sei. Durch den Tod des Mieters wird der Mietvertrag nicht aufgehoben, sondern mit dessen Verlassenschaft bzw. mit dessen Erben fortgesetzt (§ 1116a ABGB), sofern nicht überhaupt eintrittsberechtigte Personen in den mit dem verstorbenen Mieter geschlossenen Vertrag eintreten und ihrerseits das Mietverhältnis unter Ausschluß anderer zur Erbfolge berufener Personen fortsetzen (§ 14 Abs. 2 und 3 MRG). Der Kläger hat demnach in diesem Sinne weder behauptet noch bescheinigt, daß die Wohnung freigeworden sei, die Bedingung, unter der ihm die beklagte Partei die Vermietung der Wohnung offeriert hatte, ist deshalb nach wie vor in Schwebe. Dennoch hätte das Rekursgericht den Sicherungsantrag nicht abweisen dürfen:

Auch ein unter aufschiebender Bedingung geschlossener Vertrag bindet die Geschäftspartner; gleichermaßen bindet daher auch die unter einer Suspensivbedingung erklärte Offerte den Offerenten. Während des Schwebezustands kann zwar der Oblat die Offerte nicht wirksam annehmen, d.h. das durch die Offerte inhaltlich vorausbestimmte Schuldverhältnis in Geltung setzen, es bestehen aber insoweit Vorwirkungen, als der Offerent bei einer aufschiebend bedingten Offerte alles tun und vorkehren muß, was nötig ist, um bei Eintritt der Bedingung und Annahme der Offerte durch den Oblaten den damit zustandegekommenen Vertrag erfüllen zu können, und alles zu unterlassen hat, was dem entgegenstünde (SZ 61/59 uva; Rummel in Rummel, ABGB2 § 897 Rz 5).

Die beklagte Partei hat dem Kläger mit ihrer aufschiebend bedingten Offerte eine Anwartschaft eingeräumt, die mit dem Eintritt der Bedingung zum Vollrecht wird (Rummel aaO Rz 4). Auch eine solche Anwartschaft kann als bedingtes Recht durch einstweilige Verfügung gesichert werden, soweit bereits ein klagbarer Anspruch besteht, der entweder bereits klageweise geltend gemacht wurde oder doch geltend gemacht werden soll (Heller-Berger-Stix 2616; vgl. EvBl. 1976/114). Da die einstweilige Verfügung nicht etwa die Erzwingung der Vertragserfüllung zum Ziel hat, sondern nur die Vereitelung der Anspruchsdurchsetzung verhindern soll (SZ 45/61 uva), steht der Sicherung von aus den Vorwirkungen abgeleiteten Ansprüchen auf Unterlassung aller den Bedingungseintritt vereitelnden Vorkehrungen gegen den Verpflichteten nichts im Wege (Heller-Berger-Stix aaO), soweit dies erforderlich ist, um die gefährdete Partei gegen Veränderungen des gegenwärtigen Zustands zu schützen, die mit einem für sie unwiederbringlichen Schaden verbunden wären oder doch sein könnten. Soweit in der Entscheidung EvBl. 1976/114 die Ansicht vertreten wurde, eine bloße Anwartschaft könne nicht gesichert werden, kann ihr nur so weit beigetreten werden, als die Sicherung von Erfüllungsansprüchen - so als wäre die Anwartschaft bereits das Vollrecht - angestrebt wird.

Nun hat der Kläger mit seinem Hauptbegehren die Übergabe der Wohnung und mit seinem ersten Hilfsbegehren deren Übergabe nach deren Freiwerden begehrt, welchem Verlangen gewiß noch entgegensteht, daß die der Offerte beigefügte Suspensivbedingung noch nicht eingetreten ist. Mit dem zweiten Hilfsbegehren begehrt er indessen die Unterlassung aller Handlungen, durch die das ihm eingeräumte Anwartschaftsrecht vereitelt oder gefährdet wird, macht damit also aus den Vorwirkungen ableitbare Ansprüche geltend, deren Sicherung ihm nicht verwehrt werden kann, fordert er doch mit dem Sicherungsantrag gerade auch nur die einstweilige Unterlassung derartig gefährdender Verhaltensweisen der beklagten Partei, die ihn vor vollendete Tatsachen stellen würden, und als welche er beispielhaft zutreffend den Abschluß von Bestandverträgen über die Wohnung mit dritten Personen oder die Anerkennung von (zu ergänzen: mietrechtsgesetzlich nicht vorgesehenen) Eintrittsrechten anführt.

Eignet sich die begehrte einstweilige Verfügung zur Sicherung sowohl des Haupt- wie auch des Hilfsbegehrens, kann auch letzteres gesichert werden (SZ 55/8 ua). Der Kläger hat aber nicht nur seinen Anspruch (soweit er im zweiten Hilfsbegehren formuliert wird), sondern auch die drohende Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens bescheinigt, weil sich die beklagte Partei im Rahmen der vorliegenden Korrespondenz auf den Standpunkt gestellt hatte, der Kläger habe auf sein Anwartschaftsrecht verzichtet. Diese Erklärung kann aber nur so verstanden werden, daß die Wohnung nun trotz der Offerte der beklagten Partei zur freien Disposition steht; dann muß der Kläger aber gewärtigen, die beklagte Partei werde über die Wohnung derart verfügen, daß damit die mietweise Überlassung an ihn endgültig vereitelt wird und ihm dadurch ein unwiederbringlicher Schaden entstünde, weil der Verlust der Mietrechte an einem Objekt in jenem Haus, in dem er seit Jahrzehnten seine Rechtsanwaltskanzlei führt und auch mit seiner Familie wohnt, durch Schadenersatz in Geld nie vollständig ausgeglichen werden könnte (vgl. GlUNF 7187).

In Stattgebung des Revisionsrekurses des Klägers war deshalb die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs. 1 EO.

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