OGH 1Ob615/93

OGH1Ob615/9317.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und Dr. Martin Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Egon S*****, 2. Johann B*****, beide vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wegen 87.698,87 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. Dezember 1992, GZ 6 R 242, 243/92-53, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 28. Juli 1992, GZ 1 Cg 1/92b-45, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 5.603,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 933,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden beklagten Handelsvertreter vereinbarten mit der klagenden Handelsgesellschaft mbH im Spätherbst 1987, den Verkauf von etwa 60.000 Flanellhemden zu vermitteln. Zwischen 4. und 10. Dezember 1987 fuhren die Beklagten mehrmals nach Wien, um die angekündigte Ware zum Teil selbst in Empfang zu nehmen. Am 14. und 15. Dezember 1987 übernahmen die Beklagen in Wien für zwei Unternehmen Hemden und lieferten diese im Namen der klagenden Partei an die beiden Unternehmen aus. Zusätzlich übernahmen die Beklagten weitere 2.016 Hemden, die den Gegenstand des Rechtsstreit bilden.

Die klagende Partei begehrt von den Beklagten für die von ihnen übernommenen 2.016 Hemden, die weder zurückgestellt noch bezahlt worden seien, 167.855,08 S samt 12 % Zinsen seit 1. März 1988 auf Grund folgender Berechnung: Ausgehend von einem Stückpreis von 85 S pro Hemd abzüglich 10 % Provision zuzüglich 20 % USt ergäben sich 186.931,58 S; hievon abzuziehen seien 19.076,50 S als die den Beklagten zustehende Provision von 34.576,50 S, vermindert um 15.300 S aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Gewährung nicht vereinbarter (längerer) Zahlungsziele und Annahme eines nicht eingelösten Wechsels.

Die Beklagten wenden im wesentlichen ein, sie hätten die 2.016 Hemden zum Stückpreis von 55 S (ohne USt) gekauft; dies ergebe eine (mangels Ausstellung einer entsprechenden Rechnung) noch nicht fällige Forderung von 133.056 S (incl USt). Dieser Forderung stünden vier compensando eingewendete Gegenforderungen von insgesamt 778.880,30 S (incl USt) entgegen: 121.756,80 S als Provision für 13.068 Hemden, 98.610 S als Provision für direkte Abschlüsse, 34.513,50 S als Provision für Nachfolgeaufträge und 524.000 S als Provision infolge der Vertragsauflösung durch die klagende Partei ohne wichtigen Grund.

Das Erstgericht erachtete die Klagsforderung mit 163.296 S (75 S pro Hemd abzüglich 10 % Provision zuzüglich 20 % USt, somit bei 2.016 Stück 163.296 S) als zu Recht und mit 4.559,08 S als nicht zu Recht, die Gegenforderungen der Beklagten mit insgesamt 106.775,37 S (82.028,97 S als 10 %ige Provision aus 683.574,85 S, 14.515,20 S und 10.231,20 S als Provisionen in zwei Nachfolge-Geschäftsfällen abzüglich des von der klagenden Partei bereits selbst vorgenommenen Abzugs von 19.076,50 S) zu Recht bestehend, verhielt die Beklagten demgemäß zur Zahlung von 56.520,63 S samt (nur) 5 % Zinsen erst ab Klagszustellung (13. September 1989) und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte noch fest, daß die Beklagten die 2.016 Hemden als Bemusterungsstücke und (für) Kleinaufträge übernommen hätten. Während die Beklagten diese Hemden in den Bus des Zweitbeklagten verladen hätten, hätten sie dem Geschäftsführer der klagenden Partei erklärt, daß sie diese Hemden zum Stückpreis von 55 S (ohne USt) erwerben und im eigenen Namen weiterverkaufen wollten; daß der Geschäftsführer der klagenden Partei mit diesem Vorschlag einverstanden gewesen wäre, stehe nicht fest. Die Beklagten seien nur zur Vermittlung für die klagende Partei, nicht aber zum Abschluß oder zum Inkasso berechtigt gewesen. Am 28. Dezember 1987 habe der Geschäftsführer der klagenden Partei von einem Kunden erfahren, daß der Zweitbeklagte Johann B***** im Namen von „Brigitte B*****“ Hemden der klagenden Partei verkauft und den Kaufpreis inkassiert hätte, er habe dem Zweitbeklagten noch am selben Tag telefonisch mitgeteilt, daß das zwischen ihnen bestehende Vertragsverhältnis aufgelöst sei und er auch mit dem Erstbeklagten nicht mehr arbeiten wolle.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag über die 2.016 Hemden nicht zustande gekommen sei und die Beklagten den Erlös für die verkauften 2.016 Hemden vereinbarungswidrig vereinnahmt hätten, weshalb der klagenden Partei als Schadenersatz 163.296 S zustünden, hingegen den Beklagten Gegenforderungen von insgesamt 106.775,37 S.

Die zweite Instanz gab den Berufungen beider Parteien mit einer Maßgabe (Berücksichtigung des von der klagenden Partei selbst vorgenommenen Abzugs von 19.076,50 S bereits bei Berechnung der Klagsforderung) nicht Folge; sie erachtete somit die Klagsforderung mit 144.219,50 S als zu Recht und mit 23.635,58 S als nicht zu Recht und die Gegenforderungen der Beklagten mit 87.698,87 S als zu Recht bestehend, wobei es beim Zuspruch an die klagende Partei von 56.520,63 S sA und der Abweisung des Mehrbegehrens verblieb. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Berufungsgericht billigte die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat rechtlich, soweit hier noch relevant, die Auffassung, es könne dahingestellt bleiben, ob den kompensando eingewendeten Gegenforderungen der Beklagten ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegenstehe, weil sich die klagende Partei auf ein solches im Verfahren erster Instanz nicht ausdrücklich berufen und selbst bereits in der Klage eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung der Beklagten von 19.076,50 S vorgenommen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei, die sich nur gegen die Berücksichtigung der Gegenforderung von 87.698,87 S und die daraus abgeleitete teilweise Abweisung des Klagebegehrens richtet, ist zulässig aber nicht berechtigt.

a) Die klagende Partei hat im Verfahren erster Instanz auf die Geltendmachung von Gegenforderungen durch die Beklagten nicht mit dem ausdrücklichen Hinweis auf das gesetzliche Aufrechnungsverbot nach § 1440 zweiter Satz ABGB reagiert, sondern die Gegenforderungen inhaltlich bestritten und sich erstmals in der Berufung auf die Unzulässigkeit einer Aufrechnung nach § 1440 zweiter Satz ABGB berufen. Dieses abdingbare (Rummel in Rummel2, Rz 7 zu § 1440 ABGB; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT3 603 FN 4) gesetzliche Aufrechnungsverbot ist aber vom Gericht nicht von Amts wegen, sondern nur über in erster Instanz zu erhebende - hier indes fehlende - Einrede zu berücksichtigen (1 Ob 54/60). Selbst ein Sachvorbringen der klagenden Partei, woraus sich diese Einrede mit hinreichender Deutlichkeit ergeben könnte, liegt nicht vor.

Zwar wirkt das Aufrechnungsverbot des § 1440 zweiter Satz ABGB nur einseitig, sodaß der Bestohlene, Hinterleger etc selbst aufrechnen kann (EvBl 1976/214; 3 Ob 98/82; Rummel aaO Rz 11 zu § 1440 ABGB; Mayrhofer aaO 603; Koziol-Welser, Grundriß9 I 281); ob aber aus der Tatsache, daß die klagende Partei bereits bei Berechnung der Klagsforderung eine (Gegen-)Forderung der Beklagten berücksichtigte, ein - an sich zulässiger (WBl 1990, 143; SZ 50/108 = JBl 1986, 652 ua) - Verzicht der klagenden Partei auf den Schutz des gesetzlichen Aufrechnungsverbotes abzuleiten ist, kann angesichts der fehlenden Erhebung der Einrede durch die klagende Partei ebenso ungeprüft bleiben wie die Frage, ob materiellrechtlich überhaupt die Voraussetzungen des § 1440 zweiter Satz ABGB vorliegen.

b) Nach § 9 Abs 1 HVG gebührt dem Handelsvertreter für Geschäfte, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustande gekommen sind, die Provision nur dann, wenn das Geschäft von ihm eingeleitet oder derart vorbereitet wurde, daß der Abschluß hauptsächlich auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. § 7 HVG regelt die Provisionspflicht des Geschäftsherrn für während der Dauer des Vertragsverhältnisses ohne unmittelbare Mitwirkung des Handelsvertreters abgeschlossene direkte Geschäfte, § 9 HVG hingegen die Provisionspflicht des Geschäftsherrn für nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossene Geschäfte. Die Vorinstanzen erachteten die Provisions-Gegenforderungen der Beklagten in Ansehung der erst nach Beendigung des Handelsvertretungsvertrages der Streitteile abgeschlossene Verkaufsgeschäftsfälle S***** und H***** mit 14.515,20 S und 10.231,20 S, jeweils einschließlich Umsatzsteuer, als berechtigt, weil es nach den Feststellungen nur mehr eines Telefonats des Geschäftsführers der klagenden Partei bedurfte, um die von den Beklagten vorbereiteten Verkäufe zu tätigen, und haben daraus zutreffend das Vorliegen der qualifizierten Verdienstlichketi iS des § 9 Abs 1 HVG (vgl dazu Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht 335 f) bejaht. Jabornegg (aaO 338) vertritt die Auffassung, sobald der Handelsvertreter durch verdienstliche Bemühungen einen Vertragsabschluß erreicht habe, für den er auch Provision erhalten habe, kämen Provisionen für weitere, auf dieselben verdienstlichen Bemühungen zurückgehende Geschäftsabschlüsse nur nach § 7 HVG, nicht dagegen nach § 9 HVG in Betracht. Die Richtigkeit dieser Auffassung muß hier nicht beurteilt werden, weil die Behauptungen im Rechtsmittel zum Geschäftsfall S***** aufgrund derselben verdienstlichen Tätigkeit der Beklagten sei zunächst ein provisionspflichtiges Verkaufsgeschäft über 1.296 Hemden und dann das gegenständliche über 1.728 Hemden abgeschlossen worden, den erstgerichtlichen Feststellungen nicht entsprechen.

Der außerordentlichen Revision ist demnach nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 41, 50 ZPO.

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