OGH 4Ob116/93

OGH4Ob116/9316.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. I***** Gesellschaft mbH, ***** und 2. Ö***** Gesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei In***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Gerald Zauner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000) infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 27.Juli 1993, GZ 3 R 149/93-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 13.Mai 1993, GZ 7 Cg 166/93h-4, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Klägerinnen wird Folge gegeben; dem Rekurs der Beklagten wird nicht Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruches der Klägerinnen gegen die Beklagte auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu Unrecht zu behaupten, die Klägerinnen hätten die Öffentlichkeit irregeführt und/oder sie seien methodisch unkorrekt vorgegangen, oder sinngleiche Äußerungen aufzustellen, wenn die Beklagte gleichzeitig auf die Vorzüge ihrer eigenen Leistungen hinweist.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Äußerung endgültig selbst zu tragen."

Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind in der Markt- und Meinungsforschung tätig. Die Beklagte erstellt seit 1974 jedes zweites Jahr die "Österreichische Verbraucheranalyse" (ÖVA), eine Untersuchung, in der das Konsumverhalten und die Medienrezeption der Bevölkerung in single source-Interviews untersucht werden. Die Klägerinnen präsentierten am 14.1.1993 eine "Konsumanalyse" (KA) der Öffentlichkeit. Bei der Präsentation wies Univ.Prof.Dr.Fritz K***** darauf hin, daß die 8.114 für die Konsumanalyse durchgeführten Interviews mit den 14.237 Interviews der Mediaanalyse (MA) 1992 "fusioniert" worden seien.

Dieser Hinweis findet sich auch auf Seite 4 der Konsumanalyse:

"Untersuchungsbeschreibung

eingebrachte Interviews: 8.114

Ausgangsstichprobe: 10.000

Tabellenbasis: 14.237 nach Fusionierung mit der MA 92.

...".

Die Beklagte versandte im Februar 1993 den "IMAS-Report" Nr. 3/1993 an einen größeren Kreis von Unternehmen in ganz Österreich, die als Abnehmer der Leistungen der Klägerinnen und jener der Beklagten in Frage kommen:

"KA-Magie: aus 8.000 wurden 14.000

Phantomerkenntnisse durch Phantominterviews

Hinter vagen Hinweisen auf 'internationale Standards' verbirgt sich ein statistisches Horrorszenario.

Der Rahmen im Wiener Hilton war beeindruckend, die Präsentation kurz, die gebotenen Informationen etwas mager, das Buffet dafür üppig und ohne Zeitdruck, denn man hatte sich ja die Diskussion über das eigentliche Thema der Veranstaltung erspart. So trat die von den Instituten IFES und GALLUP erstellte KA, deren Feldarbeit vor zwei Jahren, im März 1991, begonnen hatte, im Jänner 1993 an die Öffentlichkeit.

Immerhin.

Die Initiatoren des Datenwerks behaupten, mit der KA sei erstmals eine Konsumanalyse in Österreich erstellt worden. Das ist objektiv falsch und angesichts einer fast 20-jährigen Existenz der ÖVA auch ein wenig lächerlich.

Genau genommen handelt es sich bei der schon zum Erscheinen leicht angegrauten KA um die mindestens dritte, dem Oberbegriff 'Konsumanalyse' zuzuordnende Erhebung in den vergangenen zwei Dekaden. (Vor allem bei IFES müßte man sich doch eigentlich der glücklosen MVZ erinnern können, an der man seinerzeit, mit dem Ziel, die ÖVA zu verdrängen, selbst beteiligt war.)

Was freilich mehr wiegt, als das Schelmenstück mit der Urheberschaft, ist die Behauptung der KA-Betreiber, ihre Untersuchung beruhe auf 14.000 Interviews. Mit ihr wird das illusionäre Bild einer unvergleichlich breiten statistischen Basis erzeugt und einer entsprechenden Exaktheit, die sich bei näherer Betrachtung als Fiktion erweist.

Um es ganz deutlich zu sagen: Der Hinweis auf die 14.000 der KA angeblich zugrunde liegenden Interviews ist nicht nur tatsachenwidrig, sondern eine eklatante und unverantwortliche Irreführung der Öffentlichkeit.

Die Wirklichkeit sieht so aus, daß die KA-Institute im Zuge ihrer Feldarbeit für die Mediaanalyse bei 10.000 Zielpersonen (also keineswegs beim gesamten Sample der MA) einen schriftlichen Fragebogen mit Ermittlungen zu Produkten und zur Beurteilung von nicht weniger als 1.700 Marken hinterließen.

In das Monsterprogramm der schriftlichen Nachbefragung wurden auch Kinder zwischen 6 und 14 Jahren einbezogen.

Rund 8.000 der 10.000 Leave-behind-Bögen kamen ausgefüllt zurück, wobei unerfindlich ist, ob die darin enthaltenen Antworten von der ursprünglichen Zielperson oder von irgend jemand anderem stammten, der gerade Zeit zum Ausfüllen hatte.

Wie auch immer: Die zurückgeflossenen 8.114 Nachfaß-Interviews wurden nunmehr mit den 14.000 MA-Interviews fusioniert und erfuhren dabei eine wundersame Vermehrung. Mit anderen Worten: In den angeblich 14.000 KA-Interviews befinden sich rund 6.000, die faktisch nicht durchgeführt wurden und das Datenwerk lediglich als Homunkuli bereichern.

Geht man davon aus, daß bereits die bekanntermaßen immer sehr verzerrte MA-Rohstichprobe eines korrigierenden Eingriffs bedurfte, so wird das Matching mit den 8.000 (zunächst ebenfalls verzerrten) schriftlichen Interviews vollends zu einem statistischen Horrorszenario.

Die Autoren der KA rechtfertigen ihr Vorgehen mit angeblichen 'internationalen Standards', 'Plausibilitätsprüfungen durch deutsche Spezialisten' und ähnlichen Hinweisen. Das alles ändert nichts am eigentlichen, sehr simplen Tatbestand: Hier werden 8.000 für 14.000 Interviews ausgegeben, das ist etwa so, als würde man bei einer Mehrthemenumfrage 560 Interviews mit dem Faktor 1,8 gewichten und für 1.000 Interviews verkaufen.

Im Klartext: Die KA beruht zu 43 % auf Phantominterviews.

Was im übrigen das Fusionieren betrifft, so wird selbst in einem ganzen Airbus deutscher Spezialisten niemand bestreiten wollen, daß die Korrelationen von single source-Interviews allemal besser sind als die Ergebnisse zusammengeführter Querschnitte, schon gar, wenn sie von so unterschiedlicher Größe und Konsistenz sind wie im gegenständlichen Fall.

Sofern überhaupt, wäre am Beispiel von MA/KA ein Fusionieren bei Nachsicht aller Taxen überhaupt nur unter der Voraussetzung annähernd gleich großer Samples mit echten, faktisch durchgeführten Interviews denkbar gewesen, und zwar mit mehreren, zielgerichteten Programmen für die jeweils unterschiedlichen Variablen einzelner Produktgruppen.

Eine spezielle Situation ist beim Fusionieren von Marken gegeben. Hier erscheint das Matchen allenfalls bei den großen Marken einigermaßen vertretbar, weil bei ihnen die Werte nahe am Durchschnitt liegen. Je kleiner und profilierter eine Marke ist, umso problematischer ja sogar denkunmöglicher ist das Matchen.

Diese Feststellung hat zweifellos für eine große Anzahl der von der KA erhobenen Marken Gültigkeit.

Was bei der KA nicht zuletzt erstaunt, ist der offenkundige Verzicht auf die Erhebung von Markenbekanntheiten (oder das einfache Versäumnis, dies zu ermitteln).

Wie will man unter diesen Umständen den Ausschöpfungsgrad von Verwendern zu Kennern feststellen?

Wie will man einen share of mind errechnen, also den Bekanntheitsanteil einer Marke innerhalb des Wettbewerberfeldes? (Schließlich ist Bekanntheit die eigentliche Kenngröße für den Werbeerfolg.)

Fragen über Fragen.

Zum Schluß noch eine Anmerkung zu der von der KA bewußt herbeigeführten Konfrontation mit der ÖVA und damit dem IMAS:

Wir sind uns bewußt, daß die KA einige starke Trümpfe besitzt: eine mächtige Lobby, eine nur begrenzt fachkundige und daher teilweise unkritische Öffentlichkeit, das Imago des Offiziösen und die reichlich absurde Vorstellung, daß die Kombination zweier Institute eine höhere Leistung produzieren würde (nach dem Motto, daß das Produkt von Minus und Minus in jedem Fall ein Plus ergibt).

Die KA hat aber auch eine mächtige Gegnerschaft: Alle, die die Qualität, das Methodenbewußtsein und die geistige Lebendigkeit eines großen Linzer Instituts kennen und schätzen, das der österreichischen Markt- und Mediaforschung bereits eine Vielzahl von Impulsen gab und das seinen Aufstieg und seine internationale Anerkennung nicht zuletzt einer kompromißlosen Lauterkeit verdankt.

Die Zukunft wird zeigen, was mehr wiegt."

Die Klägerinnen beantragen zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten zu untersagen, zu Zwecken des Wettbewerbs

1.1 ihre Leistung mit der Leistung der Klägerinnen zu vergleichen, wenn der Vergleich irreführend und/oder unsachlich ist, insbesondere in der Form, daß

1.1.1 den Klägerinnen Irreführung der Öffentlichkeit vorgeworfen wird, während in Wahrheit die Öffentlichkeit von den Klägerinnen präzise und wahrheitsgemäß informiert wurde und/oder

1.1.2 den Klägerinnen zu Unrecht methodische Unkorrektheit vorgeworfen wird,

in eventu

1.2 die Klägerinnen herabzusetzen, insbesondere in der Form,

1.2.1 daß die Zusammenarbeit der Klägerinnen als unter dem Motto "Minus x Minus ist Plus" stehend bezeichnet wird, und/oder

1.2.2 den Klägerinnen Methodenbewußtsein, geistige Lebendigkeit und internationale Anerkennung abgesprochen wird.

Die Beklagte stelle über die Klägerinnen unwahre Behauptungen auf und stelle ihre Leistungen denen der Klägerinnen in irreführender und unsachlicher Weise gegenüber; sie habe zu Wettbewerbszwecken gehandelt. Der von der Beklagten vorgenommene Vergleich sei irreführend, weil wahrheitswidrig der Eindruck erweckt werde, das methodische Vorgehen der Klägerinnen sei wissenschaftlich unfundiert. Der Vergleich sei aber auch in irreführender Weise unvollständig, weil verschwiegen werde, daß die Klägerinnen die Untersuchungsmethode offengelegt haben. Der Vergleich sei ohne jede Rechtfertigung unsachlich: Es werde suggeriert, die Konsumanalyse und damit die Klägerinnen lebten von einer mächtigen Lobby und von einer unkritischen Öffentlichkeit. Die Leistung der Klägerinnen werde ohne jede Rechtfertigung abwertend beurteilt und die der Beklagten hochgelobt. Aus der Art der Gegenüberstellung sei erkennbar, daß die Beklagte den Klägerinnen jene Eigenschaften abspreche, die sie für sich selbst in Anspruch nehme. Die Behauptung der Beklagten, die Klägerinnen führten die Öffentlichkeit irre, sei auch kreditschädigend.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Konsumanalyse sei von den Klägerinnen als konkurrenzierendes Datenwerk zur ÖVA entwickelt worden; sie sei für denselben Abnehmerkreis bestimmt. Unter diesen Umständen sei es selbstverständlich, daß die Beklagte das methodische Vorgehen der Klägerinnen aufmerksam beobachtet habe. Die Angaben in der Untersuchungsbeschreibung der Konsumanalyse hätten bei der zum überwiegenden Teil nicht fachkundigen Öffentlichkeit und bei den Medien den unrichtigen und daher irreführenden Eindruck erweckt, es seien 14.237 Personen befragt worden. Dem sei die Beklagte mit ihrem "IMAS-Report" entgegengetreten, welcher eine notwendige Abwehrhandlung gewesen sei.

Die "Fusionierung" von Interviews sei im vorliegenden Fall wissenschaftlich nicht vertretbar, es fehle doch jeder Nachweis, daß die Fragebogen für die Konsumanalyse von denselben Personen ausgefüllt wurden, die für die Mediaanalyse interviewt worden waren. Die Klägerinnen hätten den unrichtigen Eindruck erweckt, daß vor der Konsumanalyse in Österreich noch keine Studie erstellt worden sei, die das Konsumverhalten der Österreicher untersucht hätte. Auch die ÖVA sei aber eine "Konsumanalyse".

Die Beklagte habe demnach berechtigterweise zu den methodischen Verstößen der Klägerinnen kritisch Stellung genommen. Der "IMAS-Report" gebe die wissenschaftliche Meinung der Beklagten wieder; dabei handle es sich um Werturteile. Würden die Ausführungen als Tatsachenbehauptungen beurteilt, dann wären sie im Provisorialverfahren nicht überprüfbar.

Die Beklagte habe mit ihren Ausführungen zu einem wissenschaftlichen Problem Stellung genommen. Sie habe nicht in Wettbewerbsabsicht gehandelt; eine allfällige Wettbewerbsabsicht trete jedenfalls neben den eigentlichen Beweggründen der Veröffentlichung - aktuelle publizistische Auseinandersetzung, Interesse der Beklagten an der Klarstellung des Sachverhalts, Aufklärung der beteiligten Verkehrskreise - völlig in den Hintergrund. Auch liege kein Leistungsvergleich, sondern ein Methodenvergleich vor. Als vergleichende Werbung seien die Ausführungen der Beklagten zulässig, weil sie nicht irreführend und an Hand objektiv überprüfbarer Daten gemacht worden seien. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, daß die Gefahr einer Irreführung der Öffentlichkeit bestehe; den beanstandeten Behauptungen fehle daher die objektive Sittenwidrigkeit. Im übrigen habe die Beklagte nur ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt.

Das Erstgericht verbot der Beklagten, zu Zwecken des Wettbewerbs

1. die Klägerinnen anzuschwärzen, insbesondere durch die Behauptung, der Hinweis der Klägerinnen auf 14.000 ihrer Untersuchung (KA) zugrunde liegende Interviews sei tatsachenwidrig und eine eklatante, unverantwortliche Irreführung der Öffentlichkeit; in Wahrheit würden 8.000 für 14.000 Interviews ausgegeben; die Untersuchung (KA) beruhe zu "13 %" (richtig: 43 %) auf Phantominterviews;

2. die Klägerinnen herabzusetzen, insbesondere in der Form

a) daß die Zusammenarbeit der Klägerinnen als unter dem Motto "Minus

x Minus = Plus" stehend bezeichnet wird und/oder

b) den Klägerinnen Methodenbewußtsein, geistige Lebendigkeit und internationale Anerkennung abgesprochen wird.

Das Mehrbegehren, der Beklagten auch zu verbieten, zu Zwecken des Wettbewerbs ihre Leistung mit den Leistungen der Klägerinnen zu vergleichen, wenn der Vergleich irreführend und/oder unsachlich ist, insbesondere in der Form, daß den Klägerinnen zu Unrecht methodische Unkorrektheit vorgeworfen wird, wies das Erstgericht ab.

Die von Punkt 1 des Spruches erfaßten Behauptungen seien herabsetzende Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 7 UWG. Die Beklagte habe den Wahrheitsbeweis nicht erbracht. Daß die Beklagte (auch) in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe, sei nicht zu bezweifeln. Der Spruch sei im Sinne des § 7 UWG konkreter zu fassen gewesen, weil entgegen der Meinung der Klägerinnen, kein Fall einer unzulässigen vergleichenden Werbung vorliege. Das zweite Hauptbegehren sei abzuweisen gewesen, weil die Frage, ob der Vorwurf der methodischen Unkorrektheit zu Recht erhoben wurde, mit den Mitteln des Provisorialverfahrens nicht geklärt werden könne. Dem Eventualbegehren sei stattzugeben gewesen, weil der von der Beklagten vorgenommene Leistungsvergleich durch Pauschalabwertungen, aggressive Tendenzen und unnötige Bloßstellungen das Sachlichkeitsgebot verletze.

Das Rekursgericht verbot der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. die Klägerinnen herabzusetzen, insbesondere in der Form, daß deren Zusammenarbeit als unter dem Motto "Minus x Minus = Plus" stehend bezeichnet wird, und

2. ihre Leistung mit der Leistung der Klägerinnen zu vergleichen, wenn der Vergleich irreführend und/oder unsachlich ist, insbesondere in der Form, daß den Klägerinnen zu Unrecht methodische Unkorrektheit vorgeworfen wird.

Das Mehrbegehren, der Beklagten auch zu verbieten, die Leistungen in der Form zu vergleichen, daß den Klägerinnen Irreführung der Öffentlichkeit vorgeworfen wird, während in Wahrheit die Öffentlichkeit von den Klägerinnen präzise und wahrheitsgemäß informiert wurde, wies das Rekursgericht ab; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes bei jedem der beiden Haupt- und Eventualbegehren S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit der Umformulierung des Hauptbegehrens habe das Erstgericht gegen § 405 ZPO verstoßen; das Anschwärzen eines Mitbewerbers sei etwas anderes als der Vergleich mit dessen Leistungen.

Mit ihren Äußerungen über eine angebliche Irreführung der Öffentlichkeit vergleiche die Beklagte nicht ihre Leistungen mit denen der Klägerinnen. Insofern liege daher keine vergleichende Werbung vor, so daß das entsprechende Teilbegehren abzuweisen sei.

Im zweiten Teil des Hauptbegehrens werde in der Klage zwar jene Passage der Aussendung der Beklagten nicht zitiert, in der die Methode der Fusionierung von Umfragedaten kritisiert wird; es sei aber unzweifelhaft, daß sich die Klage dagegen richte. Dazu komme, daß sich die Klägerinnen auch auf jene Aussagen beriefen, mit denen die Beklagte ihre eigenen Leistungen und ihre eigene Qualität hervorhebe. Darin sei ausdrücklich von ihrem "Methodenbewußtsein" und ihrer "kompromißlosen Lauterkeit" die Rede. Die Beklagte habe damit zum Ausdruck gebracht, daß ihre Leistungen in lauterer Weise und unter Einhaltung des methodischen Standards der Branche erbracht würden, während dies bei der Konsumanalyse der Klägerinnen nicht der Fall sei. Die Beweislast für die Unrichtigkeit dieser Tatsachenbehauptung treffe zwar die Klägerinnen; der Vergleich sei aber ohne ausreichende Rechtfertigung unsachlich. Das zeigten die Überschrift "Statistisches Horrorszenario" sowie der Hinweis auf die angebliche kompromißlose Lauterkeit der Beklagte. Auf die Wahrheit der Kritik kommt es daher in diesem Punkt nicht an.

Für die Richtigkeit ihrer Behauptung, daß bei ihrer Äußerung die Wettbewerbsabsicht eine völlig untergeordnete Rolle gespielt habe, habe die Beklagte keine konkreten Beweismittel angeboten. Daß das Erstgericht dazu keine Auskunftspersonen vernommen habe, sei daher kein Verfahrensmangel.

Die Äußerung, wonach die Vorstellung, daß die Kombination zweier Institute eine höhere Leistung produzieren würde, dem Motto "daß das Produkt von Minus und Minus in jedem Fall ein Plus ergibt" folge, enthalte einen Tatsachenkern, werde doch damit zumindest die Minderwertigkeit von Leistungen der Klägerinnen im Zusammenhang mit der Konsumanalyse behauptet. Mit dem "Minus" sei ein Mangel an Lauterkeit und methodenkorrekter Arbeitsweise der Klägerinnen gemeint. Beides sei objektiv überprüfbar, was entgegen der Auffassung des Obersten Gerichtshofes genügen müsse. Mit der beanstandeten Äußerung habe die Beklagte daher gegen § 7 UWG verstoßen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse beider Teile. Die Klägerinnen beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung zur Gänze im Sinne des Hauptbegehrens erlassen werde. Die Beklagte stellt den Abänderungsantrag, den Sicherungsantrag zur Gänze abzuweisen; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Teile beantragen, dem Revisionsrekurs des jeweils anderen Teils nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerinnen ist zur Gänze berechtigt; derjenige der Beklagten ist nicht berechtigt.

1. Zum Revisionsrekurs der Klägerinnen:

Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, daß jede Äußerung in einer Werbeaussendung, die herabsetzende Behauptungen enthält und in der ausdrücklich auf Leistungen des Kritikers und des Kritisierten Bezug genommen wird, vergleichende Werbung sei. Der Vorwurf, daß die Öffentlichkeit irregeführt werde, beziehe sich auf die Konsumanalyse; die Beklagte habe diese Analyse mit ihrer eigenen Leistung verglichen.

Mit diesen Ausführungen nehmen die Klägerinnen auf die Rechtsprechung Bezug, wonach für die Beurteilung einer Ankündigung der gesamte Text maßgebend ist (stRsp ÖBl 1986, 159 uva). Ankündigungen dürfen demnach nicht zergliedernd betrachtet werden; vielmehr muß darauf abgestellt werden, welchen Gesamteindruck der Durchschnittsinteressent bei flüchtiger Betrachtung erhält (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 3 dUWG Rz 32 ff; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 24; ÖBl 1976, 18 uva). Für die Beurteilung herabsetzender Behauptungen gilt nichts anderes; auch hier kommt es auf den Gesamteindruck an (MR 1993, 17 uva).

Die gebotene Beurteilung nach dem Gesamteindruck bedeutet, daß jeder Äußerung diejenige Bedeutung beizumessen ist, die ihr als Teil eines größeren Ganzen (einer Ankündigung, einer Aussendung etc.) zukommt. Die Behauptung, wonach der Hinweis auf die 14.000 der Konsumanalyse angeblich zugrunde liegenden Interviews eine eklatante und unverantwortliche Irreführung der Öffentlichkeit sei, ist Teil einer Aussendung der Beklagten, welche sich kritisch mit der Konsumanalyse auseinandersetzt. Auf die ÖVA wird ausdrücklich zu Beginn und am Ende der Aussendung Bezug genommen; dadurch wird auch für den Rest der Ausführungen der Eindruck erweckt, daß damit die Leistung der Klägerinnen derjenigen der Beklagten gegenübergestellt werden solle. Das wird insbesondere in jenen Passagen deutlich, in denen sich die Beklagte der Qualität ihrer Leistung, ihres Methodenbewußtseins und ihrer geistigen Lebendigkeit rühmt und behauptet, daß sie ihren Aufstieg und ihre internationale Anerkennung nicht zuletzt einer kompromißlosen Lauterkeit verdanke. Vor allem mit der Behauptung kompromißloser Lauterkeit nimmt die Beklagte für sich in Anspruch, was sie den Klägerinnen mit dem Vorwurf, die Öffentlichkeit in eklatanter und unverantwortlicher Weise irregeführt zu haben, abspricht; sie stellt damit ihr Verhalten und ihre Leistungen denen der Klägerinnen gegenüber.

Demgemäß hat aber die Beklagte auch mit der Behauptung, die Klägerinnen hätten die Öffentlichkeit irregführt, einen Vergleich vorgenommen, der allerdings kein Werbevergleich ieS ist. Von vergleichender Werbung (ieS) wird nämlich gesprochen, wenn die Anpreisung der eigenen Ware oder Leistung mittels Herabsetzung der fremden Ware oder Leistung unter deutlicher Bezugnahme auf einen oder mehrere bestimmte Mitbewerber geschieht (kritisierende vergleichende Werbung) oder wenn die Vorzüge fremder Ware oder Leistung als Vorspann für die eigene Leistung nutzbar gemacht werden (anlehnende vergleichende Werbung; s. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 1 dUWG Rz 329 ff; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 66 f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht2 II 264 ff). Vergleichende Werbung darf weder unsachlich noch irreführend sein (ÖBl 1989, 152; ÖBl 1990, 154; ÖBl 1991, 71; ÖBl 1992, 16). Der IMAS-Report Nr. 3/1993 enthält kreditschädigende Behauptungen über die Klägerinnen und deren Konsumanalyse; zugleich werden die Leistungen der Beklagten herausgestrichen und solcherart denen der Klägerinnen gegenübergestellt. In diesem - weiteren - Sinn sind die beanstandeten Ausführungen ebenfalls vergleichend; das Begehren kann daher entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht schon deshalb abgewiesen werden, weil kein Werbevergleich ieS vorliege.

Kreditschädigende Tatsachenbehauptungen sind nach § 7 UWG zu beurteilen. Sie verpflichten zur Unterlassung, wenn sie nicht erweislich wahr sind. Den Wahrheitsbeweis hat der Beklagte zu erbringen (ÖBl 1971, 152; SZ 51/39 = ÖBl 1978, 92; ÖBl 1987, 97 mit Anm von Federsel ua). Diese hat aber die Wahrheit ihrer Behauptungen nicht bescheinigt:

Sie hat den Klägerinnen vorgeworfen, die Öffentlichkeit mit der Behauptung, daß der Konsumanalyse 14.000 Interviews zugrunde lägen, irregeführt habe. Die Klägerinnen haben jedoch sowohl in der Konsumanalyse selbst als auch bei deren Präsentation klargestellt, daß die Konsumanalyse auf 8.114 "eingebrachten" Interviews und auf

14.237 Interviews "nach Fusionierung mit der MA 92" beruht; sie haben also nach dem festgestellten Sachverhalt die Öffentlichkeit insoweit nicht falsch informiert. Daß in den der Präsentation nachfolgenden Presseberichten behauptet wird, daß die Konsumanalyse auf 14.000 Interviews beruhe und 14.000 Bürger zu ihrem Konsum- und Medienverhalten befragt worden seien, beweist nicht, daß die Klägerinnen die Öffentlichkeit falsch informiert hätten. Auch die Beklagte bestreitet nicht, daß die Klägerinnen die 8.114 "eingebrachten" Interviews mit denen der Mediaanalyse "fusioniert" haben; sie behauptet aber, daß ein solches "Fusionieren" aus methodischen Gründen unzulässig gewesen sei. Darauf baut insbesondere ihr Vorwurf auf, die Konsumanalyse beruhe zu 43 % auf Phantominterviews. Die Behauptung, daß die Klägerinnen die Öffentlichkeit irregführt hätten, hängt daher eng mit dem Vowurf zusammen, die Klägerinnen seien methodisch unkorrekt vorgegangen. Daß dies der Wahrheit entspräche, hat aber die Beklagte nicht bescheinigt; vielmehr ist nach dem bescheinigten Sachverhalt davon auszugehen, daß die Klägerinnen von Anfang an offengelegt haben, zur Tabellenbasis von 14.237 Interviews nur durch "Fusionierung" der "eingebrachten" Interviews mit denen der Mediaanalye 1992 gekommen zu sein. Mit ihrer Behauptung, daß die Klägerinnen die Öffentlichkeit irregführt hätten, hat also die Beklagte gegen § 7 UWG verstoßen.

Da somit schon das Unterlassungshauptbegehren zu Punkt 1.1.1 berechtigt ist, ist auf das Eventualbegehren nicht einzugehen.

2. Zum Revisionsrekurs der Beklagten:

Die Beklagte behauptet, daß die Wettbewerbsabsicht neben den anderen Beweggründen ihres Verhaltens völlig in den Hintergrund getreten sei. Hauptzweck ihrer Aussendung sei die aktuelle publizistische Auseinandersetzung, das Interesse der Beklagten an der Klarstellung des Sachverhalts und an der Information der Öffentlichkeit sowie die Aufklärung der beteiligten Verkehrskreise gewesen.

Die Beklagte hat den "IMAS-Report" Nr. 3/1993 als Mitbewerberin der Klägerinnen an Unternehmen gesandt, die als Abnehmer der Leistungen sowohl ihres Unternehmens als auch der der Klägerinnen in Frage kommen. Der Inhalt der Aussendung ist geeignet, den Wettbewerb der Beklagten zu fördern, besteht er doch in einer kritischen Beurteilung

der Konsumanalyse und der Leistungen der Klägerinnen, während gleichzeitig die Vorzüge der Beklagten und der ÖVA herausgestrichen werden. In einem solchen Fall ist aber nach der Lebenserfahrung die Wettbewerbsabsicht zu vermuten (Baumbach-Hefermehl aaO EinlUWG Rz 235; ÖBl 1991, 87 uva).

Der Beklagten steht es aber selbst bei herabsetzenden Äußerungen über einen Mitbewerber frei, das Fehlen der Wettbewerbsabsicht oder deren völliges Zurücktreten hinter anderen Beweggründen ihres Verhaltens zu behaupten und zu beweisen (s. MR 1992, 77). Die Beklagte hat in erster Instanz zwar andere Beweggründe behauptet, diese Behauptung aber nicht bescheinigt. Auch wenn die Frage, ob die Wettbewerbsabsicht neben anderen Beweggründen völlig in den Hintergrund getreten ist, eine Rechtsfrage ist, kann sie doch nur dann beurteilt werden, wenn feststeht, daß und welche anderen Beweggründe tatsächlich gegeben waren (MR 1992, 77 mwN). Im übrigen steht bei einer Aussendung wie der hier vorliegenden die Wettbewerbsabsicht auch dann nicht völlig im Hintergrund, wenn es dem aussendenden Unternehmen um die aktuelle publizistische Auseinandersetzung, um die Klarstellung des Sachverhalts, die Information der Öffentlichkeit und die Aufklärung der beteiligten Verkehrskreise gegangen ist (vgl MR 1991, 78). Allen diesen Beweggründen liegt, wie Anlaß, Inhalt und Adressatenkreis des "IMAS-Reports" Nr. 3/1993 zeigen, als primäres Motiv die Absicht zugrunde, den Wettbewerb des eigenen Produktes, der ÖVA, zu fördern.

Das beweisen auch die Ausführungen der Beklagten in der Äußerung: Da die Konsumanalyse als konkurrenzierendes Datenwerk zur ÖVA entwickelt worden sei, habe die Beklagte das methodische Vorgehen der Klägerinnen aufmerksam beobachtet. Die Beklagte hat den "IMAS-Report" Nr. 3/1993 somit jedenfalls (auch) in Wettbewerbsabsicht versandt, welche als primäres Motiv keineswegs neben den anderen Beweggründen in den Hintergrund tritt.

Zu Punkt 1.1.2 des Begehrens beantragen die Klägerinnen das Verbot irreführender und/oder unsachlicher Vergleiche, insbesondere in der Form, daß den Klägerinnen zu Unrecht methodische Unkorrektheit vorgeworfen wird. Dieses Begehren ist dann berechtigt, wenn die kreditschädigende Behauptung der Beklagten nicht erweislich wahr ist (§ 7 UWG). Es geht dabei um die Frage, ob die "Fusionierung" der

14.237 Interviews der Mediaanalyse 1992 mit den 8.114 eigens für die Konsumanalyse geführten Interviews methodisch korrekt war. Das Erstgericht konnte dazu angesichts der widersprechenden Bescheinigungsmittel nichts feststellen. Die Bescheinigungslast für die Richtigkeit des Vorwurfs trifft, wie oben dargelegt, die Beklagte. Da sie ihr nicht genügt hat, ist dem Antrag auch in diesem Punkt stattzugeben

Da somit beide Hauptbegehren berechtigt sind, ist auf das Eventualbegehren nicht weiter einzugehen. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Rekursgerichtes zutrifft, das Eventualbegehren sei schon dann sachlich zu erledigen, wenn nur eines der Hauptbegehren abgewiesen wird.

Die Beklagte hat, wie oben dargelegt, keinen Werbevergleich ieS vorgenommen; das Begehren war daher umzuformulieren. Dabei war jedoch zum Ausdruck zu bringen, daß die Klägerinnen ihr Begehren auf den Fall einer "vergleichenden" (= bezugnehmenden) Werbung eingeschränkt haben; ein Weglassen dieser Einschränkung wäre ein Verstoß gegen § 405 ZPO. Gleichzeitig war zu berücksichtigen, daß nur die konkreten herabsetzenden sowie sinngleiche Äußerungen verboten werden können, nicht aber irreführende oder unsachliche Behauptungen schlechthin (ÖBl 1990, 18).

Die Entscheidung über die Kosten der Klägerinnen beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 41, 50, 52 ZPO.

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