OGH 15Os154/93

OGH15Os154/9311.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ionel Sa* und andere wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2, 130 vierter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ionel Sa* gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 3.August 1993, GZ 25 Vr 1750/92‑42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kodek, und des Verteidigers Dr.Kornek für den Angeklagten Sa*, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Sa* sowie der Angeklagten Ba* und Be* und deren Verteidiger zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00154.9300000.1111.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und teils demzufolge, teils gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem die drei Angeklagten betreffenden Ausspruch, daß die Diebstähle durch Öffnen von Behältnissen mit einem der im § 129 Z 1 StGB angeführten Mittel begangen wurden, in der darauf beruhenden Unterstellung der Taten unter § 129 Z 2 StGB und demgemäß (auch) unter § 130 vierter Fall StGB sowie demzufolge in den Strafaussprüchen ‑ unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über Vorhaftanrechnungen ‑ aufgehoben.

Für das nach dem aufrecht gebliebenen Teil des Schuldspruches den Angeklagten weiterhin zur Last fallende Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB ‑ bei Ioan Ba* teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB - werden die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar

Ionel Sa* zu 8 (acht) Monate,

Ioan Ba* zu 7 (sieben) Monate und

Nicolae Be* zu 12 (zwölf) Monate.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB werden diese Freiheitsstrafen jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Angeklagte Ionel Sa* wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Ionel Sa* auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die rumänischen Staatsangehörigen Ionel Sa*, Ioan Ba* und Nicolae (im erstgerichtlichen Urteil unrichtig: Nikolae) Be* des ‑ bei Ba* teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB verbliebenen ‑ Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 2, 130 (zu ergänzen: vierter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Marius Bu* und Lavinia But* und teils in wechselnder Beteiligung in wiederholten Angriffen fremde gewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, und zwar Zigaretten, Verfügungsberechtigten verschiedener Zigarettenautomaten mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie die Diebstähle durch Öffnen von Automaten, sohin von Behältnissen mit einem der in § 128 Z 1 StGB angeführten Mittel, nämlich durch Einführen eines die Elektronik und den Impulsgeber für das Zählwerk auslösenden Federdrahtes in den Münzeinwurfschlitz des Automaten, in der Absicht begangen haben, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1. Ionel Sa* im Zeitraum von Dezember 1992 (gemeint: 1991) bis Feber 1992 in Kössen, Walchsee, Kitzbühel, St.Johann und Erpfendorf in zumindest neun Zugriffen;

2. Ioan Ba* im Juni 1992 über einen Zeitraum von zwei Wochen in Kitzbühel, Going, St.Johann und Fieberbrunn in zumindest sieben Zugriffen, wobei es hinsichtlich des diebischen Angriffes in Fieberbrunn beim Versuch geblieben ist;

3. Nicolae Be* im September 1991 und im Dezember 1991 in Kitzbühel, Walchsee und Kössen in mehreren Fällen.

 

Rechtliche Beurteilung

Während die Angeklagten Ba* und Be* das Urteil unangefochten ließen, sodaß es insoweit rechtskräftig geworden ist, bekämpft es der Angeklagte Sa* im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Entgegen den Beschwerdeausführungen in der Subsumtionsrüge (Z 10) zur Gewerbsmäßigkeit kommt es rechtlich nicht darauf an,

- ob die Diebstähle in unregelmäßigen Abständen verübt wurden (daß sie in "größeren" Abständen begangen worden seien, trifft schon nach den ‑ vom Beschwerdeführer hiebei übergangenen ‑ Urteilskonstatierungen über den Tatzeitraum nicht zu),

- welches Ausmaß die Bereicherung im Verhältnis zum redlich erzielten Einkommen hatte, solange nur ‑ wie hier (s. US 8) ‑ durch die Tat insgesamt ein wirtchaftlich nicht ganz unbedeutendes Nebeneinkommen angestrebt wurde (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 130 RN 3; Foregger‑Kodek StGB5 § 70 Erl. I; Mayerhofer‑Rieder StGB3 § 70 E 27‑33),

- ob eine allfällige Initiative eines Dritten für die deliktischen Angriffe bestimmend war (daß dies vorliegend stets der Fall gewesen sei, wäre nicht einmal durch die Verantwortung des Beschwerdeführers gedeckt),

- ob nach den gewerbsmäßig verübten Diebstählen der Täter freiwillig von weiteren Abstand nahm.

Mit dem Hinweis auf Umstände dieser Art wird somit weder eine rechtsfehlerhafte Qualifikation der Taten (Z 10) aufgezeigt, noch können in der Mängelrüge (Z 5) behauptete Begründungsmängel in Ansehung solcher Umstände für das anzuwendende Strafgesetz oder den anzuwendenden Strafsatz entscheidungswesentlich sein.

Soweit in der Mängelrüge (Z 5) ‑ der Sache nach indes als Rechtsrüge gedacht ‑ weiters moniert wird, es seien dem Schuldspruch zu Unrecht die Verkaufspreise der Zigaretten zugrundegelegt worden, nicht aber der "tatsächlich erlittene Schaden in Bezug auf den Einkaufspreis", setzt sich der Beschwerdeführer in Gegensatz zur einhelligen Judikatur, wonach sich bei gestohlener Handlungsware der Wert nach dem Verkaufspreis, d.i. dem Anschaffungswert, vermehrt um einen entsprechenden Regieanteil und die Gewinnspanne, bestimmt (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 128 RN 21 uvam). Überdies lassen auch insoweit die Beschwerdeausführungen nicht erkennen, welche Relevanz eine bloß am Einkaufspreis orientierte Schadensfeststellung auf die Beurteilung, welches Strafgesetz oder welcher Strafsatz anzuwenden sei, haben könnte.

Im Recht ist die Subsumtionsrüge, soweit sie die Annahme der Qualifikation des Diebstahls nach § 129 Z 2 StGB bekämpft.

Diebstahl durch Einbruch liegt ua dann vor, wenn der Täter ein Behältnis aufbricht oder mit einem der in Z 1 (des § 129 StGB) genannten Mittel öffnet (§ 129 Z 2 StGB). Wohl stellt ein Warenautomat ein Behältnis im Sinne dieser Gesetzesstelle dar, dieses wurde vorliegend aber weder aufgebrochen noch geöffnet. Öffnen eines Behältnisses bedeutet, den körperlichen Zugriff auf den gesamten Inhalt zu ermöglichen (vgl. insb. EvBl. 1986/108 = JBl. 1986, 261 mit Anm. Kienapfel = RZ 1986/56). Wird aber ‑ wie vorliegend ‑ bloß durch Manipulation am Zählwerk der Einwurf entsprechender Münzen vorgetäuscht, so ermöglicht dies nur den Diebstahl einzelner Zigarettenpackungen, nicht anders als wenn wertlose Blechmarken oder minderwertige Münzen eingeworfen würden (Leukauf‑Steininger Komm.3 § 129 RN 26 a‑d; Kienapfel BT II3 § 129 Rz 70‑70 c; Mayerhofer‑Rieder StGB3 § 129 E 27 a, 29, 33 ‑ gegenteilig aber Anm. 7; Foregger‑Kodek StGB5 § 129 Erl. V; Bertel‑Schwaighofer BT I3 § 129 Rz 13).

Das angefochtene Urteil ist demnach in Ansehung der angenommenen Qualifikationen nach §§ 129 Z 2 und 130 zweiter Satz StGB mit Nichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet. Dieser Mangel betrifft auch die Mitangeklagten Ioan Ba* und Nicolae Be*, die keine Nichtigkeitsbeschwerde ergriffen haben. Er war daher gemäß § 290 Abs. 1 StPO auch in bezug auf diese beiden Angeklagten von Amts wegen zu beheben.

Bei der Strafneubemessung für das den drei Angeklagten weiterhin zur Last fallende Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend bei allen drei Angeklagten die Tatverübung in Gesellschaft, bei Be* außerdem die führende Beteiligung, als mildernd hingegen bei allen Angeklagten den bisher ordentlichen Lebenswandel, eine teilweise Schadensgutmachung, die reumütigen, zur Tataufklärung beitragenden Geständnisse sowie den Umstand, daß der Schaden relativ gering geblieben ist, bei Ba* überdies, daß er die Taten vor Vollendung des 21.Lebensjahres beging und es in einem Fall beim Versuch blieb.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen gelangte der Oberste Gerichtshof zur Verhängung der im Spruch angeführten Strafen als der personalen Täterschuld und dem Unwert der Taten angemessen.

Wie schon im Urteil erster Instanz waren die Freiheitsstrafen gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachzusehen.

 

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