OGH 3Ob164/93

OGH3Ob164/9310.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger, Dr. Angst, Dr. Graf und Dr. Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Artur S*****, vertreten durch Dr. Edwin Schubert und Dr. Rudolf Rammel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei Werner K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen Einwendungen gegen den betriebenen Anspruch nach § 35 EO, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 18. August 1993, GZ 4 R 300/93-7, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 24. April 1993, GZ 4 C 1/93x-4, aufgehoben wurde, beschlossen:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Hartberg vom 4. Juli 1979, GZ E 3701/79-1 = TZ 3687/79 wurde dem Beklagten zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von S 117.760,76 samt 12 % Zinsen seit dem 3. November 1977 und der Kosten von S 4.677,36, S 1.919,65, S 1.860,10, S 2.074,68 und S 3.331,62 = zusammen Kosten von S 13.863,41 auf Grund des zu AZ 23 Cg 21/78 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz erlassenen Versäumungsurteiles vom 30. Jänner 1978 die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung durch die bücherliche Einverleibung des Pfandrechts auf den im Eigentum des Klägers stehenden Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** bewilligt.

Der klagende Verpflichtete beantragte die Einstellung der Exekution, weil er am 2. Dezember 1992 die Forderung des Beklagten "lt. Grundbuchsstand" bezahlt habe. Er wurde am 2. Feber 1993 mit seinen Einwendungen auf den Rechtsweg verwiesen (§ 40 Abs 2 EO), weil der Beklagte sich gegen die Einstellung der Exekution aussprach. Er habe die Zahlung von S 174.986,30 vom 7. Dezember 1992 zunächst auf Kosten und Zinsen verrechnet. Das Kapital und Zinsen von S 51.897,56 bis 25. Jänner 1993 hafteten noch aus.

Der Kläger hat darauf seine Einwendung, daß der betriebene Anspruch durch Zahlung erloschen sei, mittels der Klage nach § 35 EO geltend gemacht. Er trug vor, am 2. Dezember 1992 an den Gläubiger S 174.986,30 "entsprechend der Grundbuchseintragung" überwiesen zu haben. Der betriebene Anspruch sei erloschen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Rechtsvertreter des Klägers habe am 3. Dezember 1992 mitgeteilt, er habe für den Kläger S 174.019,14 überwiesen. Dies "entspreche der grundbücherlich sichergestellten Forderung COZ 33 E 3701/79". Da eine Verwendungswidmung fehlte, habe der Beklagte den Eingang auf Kosten und Zinsen verrechnet. Die Schuld sei dann nicht vollständig getilgt. Der Kläger habe nach Erlassung des Versäumungsurteiles wiederholt Zahlung versprochen, jedoch nichts geleistet.

In der Verhandlungstagsatzung am 30. März 1993 erwiderte der Kläger, der Beklagte habe die Zahlung auf die verjährte Zinsenforderung verrechnet.

Das Erstgericht gab den Einwendungen des Klägers statt, daß der Anspruch, zu dessen Hereinbringung die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung bewilligt wurde, erloschen sei. Es stellte fest, daß der Kläger am 2. Dezember 1992 an den Beklagten S 174.986,30 zur Überweisung brachte und daß auf dem Überweisungsbeleg der Vermerk "Artur Stark, Forderung lt. Grundbuch" angebracht war, und meinte, daraus gehe hervor, daß die durch das Zwangspfandrecht besicherte Forderung getilgt wurde. Der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die verjährten Zinsenforderungen abzudecken. Die Behauptung des Beklagten, daß noch S 171.859,38 unberichtigt blieben, sei widerlegt, weil auch titulierte Zinsenforderungen in drei Jahren verjähren. Der Einwand der Verjährung der Zinsen sei berechtigt.

Das Berufungsgericht hob über die Berufung des Beklagten das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück. Es sprach aus, daß der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß zulässig sei.

Das Berufungsgericht meinte, der Widmungsvermerk auf dem Überweisungsbeleg sei nicht endeutig. Es sei aber die Absicht der Partei auch bei einseitigen Willenserklärungen maßgebend. Soweit auch für den Beklagten erkennbar der Kläger die offene Schuld mit Ausnahme der mehr als drei Jahre rückständigen Zinsen tilgen wollte, weil er sonst wohl nicht meinen konnte, die Exekution sei einzustellen, habe der Beklagte der Widmung durch den Kläger widersprechen müssen, um sich auf die gesetzlichen Anrechnungsregeln berufen zu können. Der Beklagte habe zwar nur die Rechtsrüge erhoben. Das Unterbleiben der Erörterung der dem Widmungsvermerk und der Zahlung zugrunde liegenden Parteiabsicht bilde aber nicht bloß einen Verfahrensmangel sondern auch das unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung aufzugreifenden Fehlen der erforderlichen Feststellungen. Auf die Verjährung sei nur auf rechtzeitige Einwendung der Partei Bedacht zu nehmen. Der Kläger habe erst in der Verhandlungstagsatzung am 30. März 1993 die Verjährung der Zinsenforderung behauptet und damit gegen die Eventualmaxime nach § 35 EO verstoßen, doch habe der Beklagte diesen Verfahrensmangel nicht geltend gemacht. Der Beklagte habe aber den Eintritt der Verjährung mit dem Hinweis auf Exekutionsführungen bestritten. Dadurch könne die Verjährung verhindert worden sein. Insoweit habe das Erstgericht die Parteien iSd § 182 Abs 1 ZPO zu einem bestimmteren Vorbringen zu veranlassen gehabt. Es bedürfe einer ergänzenden Verhandlung in erster Instanz, um die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß begründete das Berufungsgericht mit dem Vorliegen erheblicher Rechtsfragen, wie der Bedachtnahme auf die Eventualmaxime und der Wahrnehmung von Verfahrensmängeln auf Grund des allein geltend gemachten Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung.

Der Rekurs des Klägers ist zulässig aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Exekution durch zwangsweise Pfandrechtsbegründung ist mit der Eintragung des Pfandrechtes noch nicht beendet, solange das exekutive Pfandrecht im Grundbuch einverleibt ist, sind daher Einwendungen gegen den Anspruch nach § 35 EO zulässig (EvBl. 1970/52; Heller-Berger-Stix 491 mwN in FN 6).

Beide Parteien beriefen sich auf den Zahlungsbeleg vom (richtig) 2.12.1993 und das Schreiben des Klagevertreters an den Beklagtenvertreter vom 3.12.1993. Aus den vom Klagevertreter stammenden Urkunden ergibt sich eindeutig der objektive Erklärungsinhalt, daß der Kläger der Meinung war, mit dieser Überweisung die gesamte aushaftende Schuld abgedeckt zu haben. Daß darüber hinaus Gespräche zwischen den Parteien stattgefunden hätten, aus denen ein Schluß auf eine andere als die aus den beiden Urkunden sich nach verkehrsüblichem Verständnis ergebende Parteiabsicht hervorginge, wurde nicht behauptet. Einer Ergänzung des Verfahrens in dieser Richtung bedarf es daher nicht. Der Beklagte hat allerdings die Willensmeinung des Klägers rechtzeitig bezweifelt, daß dieser durch die Überweisung die gesamte hypothekarisch sichergestellte Forderung bezahlt hätte. Seiner Meinung nach wäre jedenfalls noch das gesamte Kapital und ein Teil der Zinsen offen. Ob diese Ansicht des Beklagten zutreffend ist, kann allerdings abschließend noch nicht beurteilt werden.

Die Parteien sind sich insoweit einig, als durch die Überweisung des Klägers die zuerkannten Kosten getilgt wurden. Es ist daher in erster Linie zu prüfen, ob überhaupt und wenn ja für welchen Zeitraum Zinsen bereits verjährt sind und, sollte dies zutreffen, ob eine allfällige Verjährung schon bei der Zahlung, allenfalls auch erst im Verfahren rechtzeitig hätte behauptet werden müssen.

Lehre und Rechtsprechung stimmen überein, daß auf exekutivem Weg einverleibte Zinsenrückstände - ebenso wie die für die Vergangenheit durch ein Judikat zuerkannten (SZ 39/40; HS I/8; zuletzt 3 Ob 1072/91; Schubert in Rummel2 Rz 7 zu § 1479) nicht der kurzen Verjährungsfrist unterliegen; § 1480 ABGB kann daher nur auf die nach der exekutiven Pfandrechtsbegründung aufgelaufenen Zinsen angewendet werden (GlU 14.938, 4 Ob 542/79; Mader in Schwimann ABGB Rz 15 zu § 1478; Eypeltauer in ÖJZ 1991, 234). Wie sich aus der Widmungserklärung des Klägers und dem überwiesenen Betrag ergibt, berücksichtigte der Kläger die für die letzten drei Jahre rückständigen Zinsen. Er überwies allerdings statt des sich daraus ergebenden Betrages von S 174.018,14 S 174.986,30 (Überzahlung daher S 968,16). Der Kläger berücksichtigte aber nicht, daß der Zinsenlauf vom 3.11.1977 bis 4.7.1979 (Tag der Exekutionsbewilligung) keinesfalls der dreijährigen Verjährungsfrist unterlag, sodaß dem Beklagten ein weiterer Zinsenbetrag von S 23.630,66 jedenfalls zusteht. Unter Berücksichtigung der Überzahlung von S 968,16 wäre daher jedenfalls noch ein Kapitalbetrag von S 22.662,50 samt Zinsen ab dem Tag nach Zahlungseingang nach der Anrechnungsregel des § 1416 ABGB offen.

Der Beklagte vertritt offenbar die Ansicht, mangels Erklärung des Klägers und Geltendmachung einer Teilverjährung von Zinsen gemäß § 1416 ABGB berechtigt zu sein, die Zahlung des Klägers (vor dem Kapital) auch auf bereits verjährte Zinsenbeträge abzurechnen. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach heute herrschender Ansicht bezieht sich die Abrechnungsregel des § 1416 ABGB nur auf klagbare Schulden, aber nicht auf Naturalobligationen und damit auch nicht auf verjährte Schulden (Reischauer in Rummel2 Rz 19 zu § 1416; Mader aaO Rz 14 zu § 1416; Gschnitzer in Klang2 VI 385; Ehrenzweig2 II/1 319 FN 7; so schon GlU 12.978). Soweit in den Entscheidungen GlU 15.800 und 5 Ob 762/81 (ebenso Mayrhofer-Ehrenzweig, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3 567) ausgesprochen wurde, daß nach § 1416 ABGB Teilzahlungen zuerst auf unverjährte Zinsen, dann auf das Kapital und zuletzt auf verjährte Zinsen zu verrechnen seien, kann ihnen jedenfalls insoweit nicht gefolgt werden, daß daraus der Schluß gezogen werden könnte, der zahlende Schuldner müßte, sei es schon bei der Zahlung, spätestens aber in der Oppositionsklage die Behauptung aufstellen, Zinsenanteile wären bereits verjährt. Richtig ist nur, daß der Schuldner, der insgesamt gesehen auch verjährte Zinsenbeträge überweist, nach § 1432 ABGB nicht zur Rückforderung berechtigt ist. Bezahlt er aber seiner Ansicht nach nur die nicht verjährten Zinsen, braucht er sich nicht darauf berufen, daß darüber hinausgehende Zinsenbeträge verjährt sind (Reischauer aaO; Mader aaO; vgl. bei ähnlicher Rechtslage die ganz einheitliche Lehre und Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland: Heinrichs in Münchener Kommentar2 Rz 5 zu § 367 BGB; derselbe in Palandt52 432; Soergel-Zeiss12 Rz 3 zu § 367 BGB; Kaduk in Staudinger12 Rz 6 zu § 367 BGB; OLG Hamm MDR 1981, 844).

Die Sache ist aber dennoch noch nicht spruchreif, weil der Beklagte sich ausdrücklich darauf berief, der Kläger "habe wiederholt Zahlungsversprechen" abgegeben, damit also eine Unterbrechung der Verjährung auch für den Zinsenlauf nach § 1497 ABGB behauptet. In diesem Punkt allein erscheint das Verfahren ergänzungsbedürftig (§ 182 ZPO).

Es hat daher wenn auch aus anderen Gründen bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles zu bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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