OGH 6Ob580/93

OGH6Ob580/9310.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hubert Just, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die beklagten Parteien 1. Max E*****, und 2. Beatrix E*****, beide vertreten durch Dr.Gerhard Hoyer, Rechtanwalt in Wels, wegen S 574.361,35 samt Anhang (Revisionsrekursstreitwert S 279.850,80 samt Anhang), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. April 1993, GZ 3 R 21/93-29, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 9.November 1992, GZ 1 Cg 154/91-24, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Beklagten haben am 4.11.1989 mit Heinrich S***** einen als Kaufvertrag bezeichneten Vertrag geschlossen, in welchem sich dieser verpflichtete, um den Betrag von S 1,740.825,-- ein Fertighaus zu liefern und zu errichten. Es wurde vereinbart, daß die Beklagten 5 % des Kaufpreises nach Auftragsbestätigung, 25 % bei Baubeginn, 25 % bei Rohbaufertigstellung, 30 % nach Professionistenabnahme und 15 % bei mängelfreier Übergabe zu zahlen haben. Die Bezahlung sollte durch eine Finanzierungsbestätigung einer Bank oder eine Bankgarantie sichergestellt werden.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines restlichen Kaufpreises von S 253.688,95 und für erbrachte Zusatzleistungen S 320.672,40. Die Beklagten hätten sich im Zuge der Professionistentätigkeiten geweigert, für weitere Teilzahlungen zu sorgen, insbesondere hätten sie keine weitere unwiderrufliche Finanzierungszusage oder Bankgarantie, welche längst fällig gewesen wäre, mehr erbracht. Die klagende Partei, welche mit zumindest stillschweigender Zustimmung der Beklagten als Rechtsnachfolgerin nach Heinrich S***** dessen Vertrag übernommen habe, sei daher mit Schreiben vom 31.10.1990 vom Vertrag zurückgetreten.

Zum Zeitpunkt des Rücktrittes habe die klagende Partei alle fälligen Leistungen und vereinbarten Zusatzleistungen erbracht. Zu einer Verzögerung des vorgesehenen Bauendtermines sei es aus dem Verschulden der Beklagten gekommen, welche vereinbarte Eigenleistungen zunächst nicht ordnungsgemäß und in der Folge auch nicht zeitgerecht erbracht hätten. Behauptete Mängel seien nicht vorhanden; falls solche doch vorlägen, sei die klagende Partei zu deren Behebung bereit.

Die Beklagten wandten mangelnde Aktivlegitimation ein, sie hätten der Übertragung der vertraglichen Verpflichtungen auf die klagende Partei nicht zugestimmt. Sie hätten bereits mehr bezahlt, als dem Leistungsumfang der klagenden Partei entsprochen habe. Lediglich als diese mit ihren Leistungen und Lieferungen über den vereinbarten Fertigstellungstermin hinaus in Verzug geraten sei, hätten sie Bankgarantien nur mehr über jene Beträge vorgelegt, die nach Abzug der noch nicht gelieferten Ausstattungsgegenstände hätten offen sein können. Die Beklagten seien mit Schreiben vom 26.11.1990 hinsichtlich der noch nicht gelieferten Ausstattung (Türen, Innenstiege, Galerie) vom Vertrag zurückgetreten; die Kosten für deren Eigenanschaffung sowie ein vertraglich vereinbartes Pönale für Überschreitung des Fertigstellungstermines wurden als Gegenforderung eingewendet. Der Restkaufpreis sei wegen bestehender Mängel noch nicht fällig, die verrechneten Preise für Zusatzleistungen seien überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung folgender Feststellungen ab:

Heinrich S***** gründete Ende des Jahres 1989 mit zwei anderen Personen eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und brachte das von ihm zunächst als Einzelfirma betriebene Unternehmen mit allen Rechten und Pflichten in die Gesellschaft ein.

Nachdem die Beklagten, wie vereinbart, den Keller errichtet hatten, wurde am 6.6.1990 mit der Lieferung des Fertigteilhauses begonnen. Im September 1990 war ein Großteil des Hauses bereits fertiggestellt. Da die vereinbarungsgemäß erbrachte Bankgarantie am 30.10.1990 ablief, erschien am 26.9.1990 der Geschäftsführer der klagenden Partei bei den Beklagten in der Absicht, mit diesen abzurechnen. Er verlangte den Restkaufpreis mit Ausnahme der noch nicht erbrachten Leistungen; insbesondere wollte er die Zahlung der von der klagenden Partei erbrachten im Kaufvertrag noch nicht vorgesehenen Zusatzleistungen. Am 29.10.1990 forderte der Geschäftsführer der Klägerin die Zweitbeklagte telefonisch neuerlich zur Zahlung auf. Diese weigerte sich, zumal ihrer Meinung nach noch ein Pönale zu ihren Gunsten zu berücksichtigen war, überdies Leistungen nicht oder nur mangelhaft erbracht worden waren. Die klagende Partei teilte daraufhin am 31.10.1990 mit, daß sie vom Vertrag zurücktrete. Damit waren die Beklagten nicht einverstanden, sie forderten Erfüllung. Weil die Beklagten aber eine Eingangstüre benötigten, erklärten sie diesbezüglich den Rücktritt vom Vertrag, in der Folge auch hinsichtlich der übrigen noch ausstehenden Ausstattungsgegenstände, weil diese Leistungen von der klagenden Partei nicht mehr erbracht wurden.

Die Befundaufnahme durch den Sachverständigen ergab eine Reihe von (im einzelnen aufgeführten) behebbaren Mängeln, die bisher von der klagenden Partei nur zu einem geringen Teil behoben wurden.

Rechtlich verneinte das Erstgericht den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation, weil die klagende Partei als Rechtsnachfolgerin der Einzelfirma des Heinrich S***** alle Rechte und Pflichten übernommen habe. Der Einwand der mangelnden Fälligkeit des Werklohnes - der Vertrag zwischen den Streitteilen sei als Werkvertrag zu qualfizieren - sei gerechtfertigt, weil der Werkbesteller, der Verbesserung verlange, bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrages durch den Unternehmer den gesamten Werklohn zurückbehalten könne, auch wenn es sich nur um geringfügige Mängel handle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise Folge, bestätigte durch Teilurteil die Abweisung eines Teilbetrages von S 294.510,55 samt Anhang und hob im übrigen, also hinsichtlich eines Betrages von S 279.850,80 samt Anhang, das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Die Aktivlegitimation der klagenden Partei sei gegeben, weil die festgestellte Einbringung des Unternehmens des Heinrich S***** in die klagende GesmbH zwar keine Gesamtrechtsnachfolge bewirke und zu einer Vertragsübernahme auch die Zustimmung aller Parteien erforderlich sei, in dem behaupteten Vorgang aber zumindest eine Zession zu sehen sei, die auch zum Rücktritt vom Vertrag berechtige.

Da die klagende Partei die Abrechnung ihrer Leistungen und Zusatzleistungen laut "Kaufvertrag" anläßlich ihrer Rücktrittserklärung vorgenommen habe, sei kein Rücktritt vom Gesamtvertrag, der eine Rückabwicklung erfordert hätte, sondern nur ein Teilrücktritt für die noch nicht erbrachten Leistungen anzunehmen. Dieser sei möglich, weil die Parteien, wie auch der Teilrücktritt der Beklagten zeige, sich zumindest darin einig seien, daß eine teilbare Leistung vorliege. Damit gelte für die erbrachten Leistungen der ursprüngliche Vertrag - mit allenfalls notwendigen geringfügigen Modifikationen - weiter und daher auch dessen Bestimmungen über die Fälligkeit des Werklohnes. Angesichts der in der Berufung im Ergebnis nicht bestrittenen Mängel seien daher 15 % des auf die schon erbrachten Leistungen entfallenden Werklohnes sowie des begehrten Werklohnes für die Zusatzleistungen noch nicht fällig, weil als Fälligkeitszeitpunkt derjenige der "mängelfreien Übergabe" vereinbart sei. Im Umfang der Abweisung von S 294.510,55 sei das Ersturteil daher als Teilurteil zu bestätigen.

Im übrigen reichten die Feststellungen des Erstgerichtes zur abschließenden Beurteilung jedoch noch nicht aus. Grundsätzlich sei zwar das Entgelt erst nach Behebung der festgestellten Mängel fällig. Nach Punkt 1a des abgeschlossenen Vertrages habe der Besteller durch eine Finanzierungsbestätigung einer Bank oder eine Bankgarantie die Zahlung des gesamten Kaufpreises einschließlich sämtlicher von ihm gewünschten und beauftragten Zusatzleistungen sicherzustellen. Das die Finanzierungsbestätigung oder die Bankgarantie ausstellende Finanzierungsinstitut habe sich unwiderruflich zu verpflichten, die jeweils fälligen Zahlungen ausschließlich an die Firma C***** zu leisten. Daß die Beklagten dieser Verpflichtung nicht vollständig und im Sinne des Vertrages nachgekommen seien, hätten sie schon in der Klagebeantwortung mit dem Vorbringen selbst zugestanden, sie hätten ab Verzug des Lieferanten Bankgarantien nur mehr über jene Beträge ausgestellt, die nach Abzug der noch nicht gelieferten Ausstattungsgegenstände hätten offen sein können. Nach dem Vertrag seien aber die Beklagten verpflichtet gewesen, alle noch offenen Leistungen durch Bankgarantien oder Finanzierungszusagen zugunsten der klagenden Partei sicherzustellen. Es ergebe sich weder aus dem Vertrag selbst noch aus dem Vorbringen der Streitteile, daß vereinbart gewesen wäre, die Sicherstellungsverpflichtung sei bei Verzug des Werkunternehmers zu verringern. Die Sicherstellungsverpflichtung stehe in synallagmatischem Zusammenhang mit der Hauptleistungspflicht der klagenden Partei. Der, wie sich aufgrund der vom Erstgericht verwerteten Korrespondenz ergebe, nach Nichteinhaltung der gesetzten Frist erfolgte Rücktritt der klagenden Partei sei daher zu Recht erfolgt. Ein allfälliger, noch nicht feststehender Verzug des Werkunternehmers habe die Beklagten nicht berechtigt, die vertragliche Sicherstellung zu verweigern. Denn diese stelle unzweifelhaft eine Vorleistungspflicht der Beklagten dar, die nicht im Zusammenhang mit der Pünktlichkeit der Leistung des Werkunternehmers stehe. Ob der in der Folge auch von den Beklagten praktisch deckungsgleich erklärte Rücktritt noch berechtigt gewesen sei, sei nicht mehr entscheidend, weil schon der Rücktritt der klagenden Partei den noch nicht erfüllten Teil des Vertrages aufgelöst habe. Nach überwiegende Lehre und Rechtsprechung stehe dem, der sich ohne stichhaltige Gründe in Annahmeverzug befinde, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht zu; vielmehr noch müsse dies gelten, wenn sich der Beklagte selbst in Schuldnerverzug befinde. Den Beklagten stehe daher ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich des 15 % des gesamten Werklohnes übersteigenden Betrages nicht zu. Da es an Feststellungen über die Angemessenheit des Werklohnes, über die Vereinbarungen von Zusatzleistungen, Pönale und Fertigstellungstermin ebenso fehle wie an Feststellungen, die eine Beurteilung des Verschuldens an einem aufgetretenen Verzug in der Fertigstellung zuließen, sei das Verfahren ergänzungsbedürftig.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision gegen das Teilurteil mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei, wohl aber der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluß, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob ein Schuldnerverzug der Beklagten diesen das Leistungsverweigerungsrecht nehme.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs der Beklagten kommt aus der zutreffenden Begründung des Berufungsgerichtes keine Berechtigung zu.

Da von den Parteien eine vom Vertragstext der auch vom Erstgericht verwerteten Vertragsurkunde abweichende Vereinbarung der grundsätzlich auch von den Beklagten nicht bestrittenen Verpflichtung zur Sicherstellung aller Leistungen des Werkunternehmers durch Finanzierungsbestätigung oder Bankgarantie nicht behauptet wurde, stellt es keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens dar, wenn das Berufungsgericht diesen Text der Urkunde seiner rechtlichen Beurteilung zugrundelegte. Zutreffend hat das Berufungsgericht hieraus eine Vorleistungsverpflichtung der Beklagten abgeleitet, die eine Sicherstellung des Werklohnes für das zu erbringende Werk gewährleisten, nicht aber eine Änderung der vereinbarten Fälligkeiten darstellen sollte.

§ 1052 ABGB regelt in seinem ersten Satz das Leistungsverweigerungsrecht nicht in Fällen, in denen eine Vorleistungspflicht besteht. Dem zur Vorleistung Verpflichteten steht die Einrede des nicht erfüllten Vertrages grundsätzlich nicht zu. Dieser kann gemäß § 1052 zweiter Satz ABGB lediglich seine Leistung bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung verweigern, wenn diese durch schlechte Vermögensverhältnisse des anderen Teiles gefährdet ist, die ihm zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mußten. Das Leistungsverweigerungsrecht setzt also eine Gefährdung voraus, die im Zeitpunkt des Erfüllungsverlangens durch den Nachleistungsberechtigten bei objektiver Beurteilung der gesamten Sachlage befürchten läßt, daß die volle Bewirkung der Gegenleistung in Frage gestellt sei (Aicher in Rummel ABGB2 Rz 29 zu § 1052 mwN). Eine bloße Verzögerung im vertraglich vereinbarten Zeitplan - die Vereinbarungen hiezu und das Verschulden an einer Verzögerung können mangels ausreichender Feststellungen noch nicht beurteilt werden - ohne die geschilderte Gefährdung reicht zur Verweigerung der Vorleistung, die ja nur eine Sicherstellung, nicht aber eine Zahlung vor der vereinbarten Fälligkeit erfordert, nicht aus. Daß aber zu befürchten gewesen wäre, die klagende Partei werde ihre noch ausständigen Leistungen wegen schlechter Vermögensverhältnisse nicht erbringen können, wurde nicht behauptet. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, daß die Beklagten, die sich mit der Erfüllung ihrer Vorausleistung im Verzug befanden, unter Berufung auf allfällige noch vorhandene Mängel am errichteten Werk den über 15 % des Gesamtwerklohnes noch zustehenden Werklohn nicht einbehalten können, denn die Beklagten haben sich durch Verletzung ihrer vertraglichen Vorleistungspflicht selbst schon im Verzug befunden, während der klagenden Partei die Behebung allfälliger Mängel noch bis zur Übergabe möglich gewesen wäre.

Auch der Einwand der Beklagten im Rekurs, ein Teilrücktritt der klagenden Partei sei unzulässig, ist nicht berechtigt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Errichtung eines Fertighauses im Interesse des Werkbestellers eine unteilbare Leistung darstellt. Bei der Beurteilung der Teilbarkeit von Leistungen ist jedoch der Parteiwille ausschlaggebend (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 20 zu § 918 mwN). Daß die klagende Partei nur einen Teilrücktritt, nämlich nur hinsichtlich der noch ausstehenden Teilleistungen erklären, im übrigen aber am Vertrag festhalten wollte, ergibt sich nicht nur aus der Erstellung einer "Schlußrechnung" auf der Basis des abgeschlossenen Vertrages und der Erklärung, zur Behebung allenfalls noch vorhandener Mängel am erbrachten Werk bereit zu sein, sondern wird im vorgelegten Schreiben des Klagevertreters an den Erstbeklagten vom 12.11.1990 Beilage P auch ausdrücklich festgehalten. Aber auch die Beklagten, die ihrerseits den Rücktritt nur von den noch ausstehenden Teilleistungen erklärt und durch die anderweitige Beschaffung der noch ausstehenden Lieferungen zum Ausdruck gebracht haben, daß sie auf einer Erfüllung in diesem Umfang nicht mehr bestehen, andererseits aber die Verbesserung der Mängel am errichteten Werk fordern, wollen den Vertrag nur teilweise aufgelöst wissen; strittig blieb lediglich, welcher der Streitteile zum Teilrücktritt berechtigt war. Eine Rückabwicklung des gesamten Vertrages will keine der Parteien.

Dem Rekurs war daher keine Folge zu geben. Das Erstgericht wird das Verfahren nach den vom Berufungsgericht zutreffend im einzelnen erteilten Aufträgen zu ergänzen und sodann eine neue Entscheidung zu treffen haben.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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