OGH 6Ob592/93(6Ob593/93)

OGH6Ob592/93(6Ob593/93)10.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) T*****Company, ***** ***** USA (führender Akt 40 Cg 15/92), und 2) Hazel M.A*****, USA (verbundener Akt 40 Cg 18/92), beide vertreten durch Dr.Ivo Greiter und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei I***** AG, ***** vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen US-$ 49.300 sA (= zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichtes: öS 548.709) und Feststellung (Gesamtstreitwert im führenden Akt: 848.709 S) sowie US-$ 15.600 sA (= zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichtes: öS 173.628) und 20.000 S sA und Feststellung (Gesamtstreitwert im verbundenen Akt: 293.628 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 29.April 1993, GZ 2 R 86,87/93-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 27.Dezember 1992, GZ 40 Cg 15/92-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 22.883,84 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 3.813,97 S Umsatzsteuer), und zwar hievon die erstklagende Partei 74 %, das sind 16.934,04 S und die zweitklagende Partei 26 %, das sind 5.949,80 S, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt in Innsbruck eine Gondelseilschwebebahn, die - in zwei Teilstrecken - von der Hungerburg zur Seegrube und von dort weiter zum Hafelekar (Bergstation in 2260 m Seehöhe) führt. Am 21.1.1989 fuhr der US-Staatsangehörige Dennis A*****, geboren am 30.1.1947, mit der Bahn der Beklagten zum Hafelekar. Bei der Abfahrt über die sogenannte "Direttissima", einen südwärts gerichteten steilen Hang, stürzte er und zog sich dabei tödliche Verletzungen zu.

Alle Abfahrten vom Hafelekar zur Seegrube sind steil. Die einzige, von der Beklagten als "Schiroute 5" bezeichnete "offizielle" Abfahrt ist die "Karrinne", die 5 Gehminuten westwärts der Bergstation beginnt, von Schifahrern aber im Jänner - und vor allem am Vormittag - gemieden wird, weil das Auffirnen - bedingt durch ihre Südwestlage und den damit zusammenhängenden ungünstigen Sonneneinfallswinkel - später erfolgt als in der südgerichteten "Direttissima", welche unmittelbar östlich der Bergstation beginnt und über eine breite, 40 Grad steile Rinne zur Seegrube führt. Eine weitere Möglichkeit zur Abfahrt besteht durch die "Seilbahnrinne", die westlich der Bergstation unmittelbar unter der Seilbahntrasse gleichfalls zur Seegrube führt.Sowohl die "Direttissima" als auch die "Seilbahnrinne" sind "wilde" Abfahrten. Sie waren noch Ende der 60er-Jahre auf den Werbetafeln der Beklagten als "Abfahrten" angeführt, sind aber mit der Einführung des Pistengütesiegels als solche gestrichen worden, so daß nur die "Karrinne" als "Schiroute" übrig blieb.

Bei der Bergfahrt von der Seegrube zum Hafelekar ist die "Direttissima" nicht einsehbar, wohl aber die "Seilbahnrinne", deren extreme Steilheit ohne weiteres erkennbar ist. Die "Direttissima" ist allerdings sowohl von der Hungerburg aus als auch während der Bergfahrt von der Hungerburg zur Seegrube einsehbar. Von dort aus und auch am Beginn der weiteren Bergfahrt sieht man ihr Ende, also die Einmündung zur Seegrube hin. Vom Tal und auch von der Hungerburg aus wirkt die Steilheit der Rinne noch abschreckender als von der Bergstation am Hafelekar aus. Von dort und auch von der unmittelbar östlich angebauten Terrasse aus sind der Verlauf und die Steilheit des Geländes sowie - in den Grundzügen - auch die Schneebeschaffenheit jedenfalls über jene Stelle hinaus erkennbar, an welcher der tödlich verunglückte Dennis A***** gefunden wurde.

Vom Hafelekar können Schifahrer aber auch noch über andere Routen talwärts gelangen: So fuhren am Unfalltag um 8 Uhr 40 33 und um 8 Uhr 55 28 Schifahrer entsprechend einem Tourenvorschlag der "T*****zeitung" vom Vortag auf das Hafelekar, um in östlicher Richtung zur "Mandel-Scharte" zu wandern und von dort über die "Arzler-Reise" ins Tal zu fahren. Um 9 Uhr 25 wurden 28, um 9 Uhr 55 weitere 28, um 10 Uhr 25 18 und um 10 Uhr 55 - inklusive Dennis A***** - 14 Schifahrer zum Hafelekar befördert. Diese 70 Schifahrer fuhren zum Großteil über die "Direttissima" ab, die trotz Sonneneinstrahlung bei - 2 Grad C hart war.

Warum Dennis A***** die "Direttissima" und nicht etwa die "Karrinne" abgefahren ist, bleibt offen. Die Verhältnisse in der "Direttissima" sind am Vormittag mit Sicherheit besser als die in der "Karrinne", weil dort der Schnee früher auffirnt. Die "Direttissima" ist im übrigen auch nicht so steil wie die "Karrinne" und wesentlich breiter und weniger buckelig. Am Vormittag des Unfalltages war die "Direttissima" befahrbar, am Nachmittag waren die Verhältnisse bei Firn und nur geringer Buckelbildung nahezu ideal.

Wo Dennis A***** in die "Direttissima" eingefahren ist, war ebensowenig feststellbar wie sein schifahrerisches Können. Später ist er von seinen Begleitern gegenüber den erhebenden Polizeibeamten als "ziemlich guter Schifahrer" bezeichnet worden. Dennis A***** stürzte an einem nicht näher bestimmbaren Ort, verlor während des Sturzes seine Schier und einen Schischuh, erlitt neben einem Bruch des rechten Unterschenkelknochens Abschürfungen am Kopf und an den Unterarmen sowie einen Bruch der Halswirbelsäule, welcher zum Tod führte. Er kam etwa in der Mitte der Abfahrt zu liegen und wurde erst von einem 17-jährigen Schifahrer gefunden, der mit anderen Schiläufern eine halbe Stunde später die "Direttissima" abfuhr.

Der Winter 1988/89 war ein von seiner Schneelage her sehr gefährlicher Winter. Vor dem 21.1.1989 hatte es bereits zwei tödliche Unfälle in der "Karrinne" gegeben: Am 30.12.1988 war dort Sabine G***** tödlich verunglückt, am 5.1.1988 verunglückte der Amerikaner Earl H***** tödlich; dieser hatte die "Karrinne" befahren, obwohl auf Hinweisschildern vor Eis in der Rinne gewarnt worden war.

Bei der Talstation der Seegrube-Seilbahn (auf der Hungerburg) befand sich am Unfalltag eine Panoramatafel mit dem Seilbahnverlauf von der Hungerburg bis zum Hafelekar, dem Verlauf der "Schiroute 5", dem Verlauf der "Schiroute 6" (unterhalb der Seegrube) und dem Verlauf der Schipisten 1, 2, 3, 4 und 7 (alle auf Höhe der Seegrube oder darunter). In den übrigen Rinnen des Hafelekars waren keine Abfahrten eingezeichnet.

Im Stationsgebäude auf der Seegrube befand sich beim Einlaß zur Bergfahrt mit der Hafelekar-Bahn eine Bildtafel mit der graphischen Darstellung des Seilbahnverlaufes von der Seegrube zum Hafelekar und links davon des - strichlierten - Verlaufes der "Schiroute 5". Die Bildtafel enthielt für den Bereich oberhalb der Seegrube mit Ausnahme der Bezeichnung "Hafelekar" sonst keine weiteren Einzeichnungen. Die "Karrinne" war am Unfalltag zusätzlich mit einer dreieckigen Warntafel und der Aufschrift "EISIG/ICY" versehen. Darunter befand sich im Anschluß an die Zeitanzeige der nächsten Bergfahrt (ua) auch ein Schild mit folgender Aufschrift in englischer Sprache:

"The runs from the Hafelekar to the Seegrube are only recommended to experienced skiers."

In der Seilbahnkabine zum Hafelekar befand sich eine Warntafel mit folgendem englischen Text:

"The Avalanche Commission only examines Skiroute 5. All other terrain is open country. Skiers ski at their own risk and are liable for any avalanches they may cause."

Oberhalb der Ausgangstüre der Bergstation Hafelekar befand sich eine große Warntafel mit dreisprachiger Beschriftung. Der englische Text lautete:

"It is dangerous and therefore forbitten to leave the pistes marked as open."

Der Text bezog sich auf Lawinengefahr, auf die im übrigen auf der Warntafel dreisprachig hingewiesen wurde.

Unmittelbar östlich der Bergstation der Hafelekar-Seilbahn schließt eine kleine, mit einer Steinmauer umfaßte Terrasse an. Eine Vielzahl der Schiläufer übersteigt diese Steinmauer, um dahinter die Schi anzuschnallen und über die "Direttissima" talwärts zu fahren. Am Unfalltag befand sich direkt an der Steinmauer eine große Warntafel, auf der in deutscher, französischer und englischer Sprache auf Lawinengefahr hingewiesen wurde. Darunter war eine zweite Warntafel angebracht, die in gleich großer Schrift die Aufschrift enthielt:

"Keine Schiabfahrt/No Ski Run/Pas de Piste".

Von dieser Terrasse aus verläuft in östlicher Richtung eine Mauer entlang der oberen Begrenzung der "Direttissima" und bergseitig der Mauer ein Weg. Die Mauer ist etwa in der Mitte ihres Verlaufes durch eine kleine Aussparung unterbrochen, so daß bei geringer Schneelage ein Zutritt zur "Direttissima" auch ohne Übersteigen der Mauer möglich ist. Am östlichen Ende der Mauer befand sich eine zweite Warntafel mit der deutschsprachigen Aufschrift: "Achtung! Hier verlassen Sie das markierte und gesicherte Schigebiet - alpine Gefahren!" und daneben ein dreisprachiges Lawinengefahr-Warnschild.

Außerhalb der Bergstation Hafelekar befand sich am Unfalltag nirgends ein Hinweis darauf, wie man von dort zur "Karrinne" ("Schiroute 5") gelangt.

Mit der Behauptung, sie habe als Versicherer des Dienstgebers des tödlich verunglückten Dennis A***** an die Zweitklägerin als dessen Ehegattin und an die beiden Kinder bisher einen Todfallsbeitrag sowie Heilbehandlungskosten und Unterhalt von insgesamt US-$ 49.300 geleistet, begehrt die Erstklägerin von der Beklagten den Ersatz dieses Betrages sowie die Feststellung, daß ihr die Beklagte für alle zukünftigen Aufwendungen, die ihr aus dem tödlichen Schiunfall des Dennis A***** noch entstehen werden, insbesondere für jene aus dem Titel des Unterhalts, zu haften habe.

Die Zweitklägerin ist die Witwe des tödlich verunglückten Dennis A*****. Sie begehrt von der Beklagten den Ersatz des ihr trotz der Versicherungsleistung der Erstklägerin bisher entgangenen Unterhalts von US-$ 15.600 sowie - als Erbin des Verunglückten - für die von ihm beim Todessturz erlittenen Schmerzen die Zahlung eines Schmerzengeldes von 20.000 S sowie die Feststellung, daß auch ihr die Beklagte für alle künftigen Schäden aus dem tödlichen Schiunfall ihres Mannes zu haften habe.

Die Klägerinnen stützen ihre Ersatzansprüche auf den von Dennis A***** mit der Beklagten abgeschlossenen Beförderungsvertrag. Die Beklagte habe die daraus resultierenden Nebenpflichten, insbesondere ihre Verkehrssicherungspflicht und die sie gegenüber fremdsprachigen Schifahrern treffenden Warn- und Informationspflichten, gröblich vernachlässigt und dadurch den tödlichen Unfall verursacht. Daß Dennis A***** die einzige "offizielle" Abfahrt (die "Schiroute 5" über die "Karrinne") nicht gefunden habe, sondern - den anderen Schifahrern folgend - die "Direttissima" abgefahren sei, habe seinen Grund in der fehlenden Beschilderung des Weges zur "Karrinne" bei der Bergstation. Dazu komme, daß die Beschilderungen und die englischsprachigen Hinweise auf dem Weg zur Bergstation und in dieser selbst ungenügend und überdies irreführend gewesen seien. Die Beklagte hätte die Einfahrt in die "Direttissima" überhaupt durch einen Zaun abgrenzen müssen; sie hätte bei totaler Vereisung die "Schiroute 5" sperren und notfalls den Seilbahnbetrieb einstellen müssen. Erst nach dem Tod des Dennis A***** habe die Beklagte ergänzende und deutlichere Hinweisschilder angebracht. Dies hätte aber schon früher erfolgen müssen, sei es doch auf den Abfahrten vom Hafelekar in den letzten Jahren regelmäßig zu schweren und schwersten Unfällen gekommen. Auch zwei tödliche Unfälle kurz vor jenem des Dennis A***** hätten die Beklagte nicht zu einer Sperre der Hafelekar-Bahn veranlaßt. Sie habe nicht einmal durch eindeutige mehrsprachige Hinweistafeln auf die bestehende Lebensgefahr, auf die gefährliche Vereisung und auf den großen Schwierigkeitsgrad der Abfahrt hingewiesen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klagebegehren. Der Benützern der Nordketten-Bahn sei auch am Unfalltag ausreichend deutlich gemacht worden, daß vom Hafelekar aus keine gesicherten Abfahrten im Sinne einer "Piste", sondern nur eine gegen Lawinengefahr gesicherte "Schiroute" zur Verfügung steht, ansonsten aber das Gelände ein freier, nicht organisierter Schiraum ist, welcher nur auf eigene Gefahr befahren werden kann. Die Mauer entlang der Breite der "Direttissima" und das dahinter stehende Schild mit der Aufschrift "No ski run" habe unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß hier nicht die "Schiroute 5" beginnt, sondern eine "wilde" Abfahrt im freien Schiraum zu Tale führt. Auch die im Verlaufe der Bergfahrt den Fahrgästen gebotenen Informations- und Warnhinweise seien für jeden durchschnittlich aufmerksamen Schifahrer ausreichend und wahrheitsgemäß gewesen. Dazu komme, daß die Steilheit und die alpine Gefährlichkeit der "Direttissima" für jedermann schon vor dem Einfahren deutlich erkennbar sei. Von einer extremen oder totalen Vereisung am Unfalltag könne keine Rede sein. Dennis A***** sei demnach im vollen Bewußtsein, daß es sich um eine "wilde" Abfahrt handelt, in die "Direttissima" eingefahren; er habe dabei sein schifahrerisches Können offensichtlich überschätzt. Ihn treffe somit das Alleinverschulden, jedenfalls aber ein überwiegendes Mitverschulden im Ausmaß von 4/5, am Unfall. Die Beklagte bestreitet auch die Höhe der Klageforderungen sowie den Forderungsübergang auf die Erstklägerin.

Das Erstgericht wies die Klageforderungen zur Gänze ab. Die Beklagte treffe in Ansehung der "Direttissima" weder eine vertragliche "Pistensicherungspflicht" noch eine Verkehrssicherungspflicht, sei sie doch unmißverständlich als "wilde" Abfahrt gekennzeichnet gewesen. Die vorangegangene Beschilderung im Bereich der Nordkettenbahn sei ausreichend gewesen, um jeden Benützer klar zu machen, daß am Hafelekar mit Ausnahme der "Schiroute 5" nur ungesichertes Schigebiet vorliegt. Die fehlende Beschilderung des Weges zu dieser Schiroute habe Dennis A***** nicht zur Abfahrt über die "Direttissima" gezwungen. Er habe diese Abfahrt vielmehr in eigener Verantwortung und auf eigene Gefahr gewählt, obwohl ihm die Steilheit des Geländes und die damit verbundenen Gefahren schon rein optisch erkennbar gewesen seien. Zu einer Sperre der Sektion II ihrer Bergbahn sei die Beklagte am Unfalltag schon deshalb nicht verpflichtet gewesen, weil diese auch Tourenmöglichkeiten mit Abfahrten ins Tal erschließe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Hafelekar-Seilbahn der Beklagten erschließe - für jeden Benützer deutlich erkennbar - kein reguläres Schigebiet, sondern nur eine einzige "Schiroute", welche ebenso wie die sonstigen Abfahrtsmöglichkeiten im freien Schigelände eine hochalpine Steilrinnenabfahrt mit aus der Kombination ihrer Steilheit und der besonders im Hochwinter harten bis eisigen Schneeoberfläche resultierenden potentiellen spezifischen Gefahren sei. Ob ein Schifahrer diese Gefahren beherrsche, müsse er in Eigenverantwortung letztlich selbst beurteilen. Die Beklagte treffe aber als Seilbahnunternehmerin die Verpflichtung, ihre Fahrgäste vor der harten Schneeoberfläche der "Schiroute 5" zu warnen und auch sicherzustellen, daß die "Karrinne" nicht mit einer der "wilden" Abfahrten verwechselt wird. Vom beförderten Fahrgast könne demgegenüber erwartet werden, daß er derartige Hinweis- und Warntafeln aufmerksam studiert und den Gegebenheiten zuordnet. Aus allen Panoramatafeln der Beklagten sei ersichtlich gewesen, daß vom Hafelekar nur eine einzige Abfahrt über die "Schiroute 5" zur Verfügung steht. Diese Abfahrt sei am Unfalltag - auch in englischer Sprache - deutlich als "eisig" bezeichnet gewesen. In Verbindung mit der rein optisch deutlich erkennbaren Steilheit des Geländes sei daher Dennis A***** nicht unter der Vorgabe zur Bergstation transportiert worden, daß er gefahrlos zur Seegrube abfahren könne, habe ihm doch klar sein müssen, daß ein besonderes Sturzrisiko besteht. Es sei daher auch der Hinweis, daß die Abfahrten ("runs") vom Hafelekar zur Seegrube nur erfahrenen ("experienced") Schiläufern empfohlen werden, ausreichend gewesen. Dennis A***** habe somit die "Direttissima" trotz fehlender Wegmarkierung zur "Karrinne" bei der Bergstation nicht für die "Schiroute 5" halten können, weil durch die unmittelbar neben der Bergstation befindliche Warntafel mit der Aufschrift "No ski run" eindeutig klargestellt gewesen sei, daß hier keinesfalls eine "offizielle" Schiabfahrt beginnt. Die Beklagte treffe daher für den tödlichen Unfall keine Haftung.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beiden Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung, hilfsweise auf Urteilsaufhebung.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß die Revision unzulässig sei, stellt aber dennoch nur den Antrag, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Meinung der Beklagten zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die beiden Klägerinnen beharren im wesentlichen darauf, daß die Beklagte als Betreiberin eines Seilbahnunternehmens, das Schiläufer mitten aus einer Fremdenverkehrsstadt in eine hochalpine Region befördert, auch dafür Sorge tragen müsse, daß diese wieder sicher zu Tale kommen. Sie hätte daher die Schiläufer nicht nur über die Schwierigkeiten der Abfahrt vom Hafelekar informieren, sondern auch auf die damit verbundene Lebensgefahr hinweisen und drastische Warnungen aussprechen müssen. Demgegenüber sei die am Unfalltag vorhandene Beschilderung unzureichend, ja sogar irreführend gewesen, habe sie doch den Eindruck erweckt, daß es vom Hafelekar aus mehrere Abfahrten gebe. Die Einfahrt in die "Direttissima" hätte daher deutlich, zB mit einem Zaun, abgegrenzt werden müssen, zumal der Weg zur "Schiroute 5" überhaupt nicht ausgeschildert gewesen sei. Dadurch und weil auch die anderen Schifahrer problemlos dort hinuntergefahren seien, habe bei Dennis A***** der Eindruck erweckt werden können, daß hier die "richtige" Abfahrt vorliegt. Angesichts der geringen Schneelage im Winter 1988/89 und der erst kurz vorher stattgefundenen tödlichen Unfälle hätte die Beklagte notfalls sogar den Seilbahnbetrieb der Hafelekarbahn (Sektion II) überhaupt einstellen müssen.

Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Der Frage nach der Haftung der Beklagten für den tödlichen Schiunfall des Dennis A***** liegt im Hinblick auf dessen US-Staatsangehörigkeit ein Sachverhalt mit Auslandsberührung zugrunde. Der - von den Rechtsmittelwerbern auch gar nicht in Zweifel gezogenen - Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die geltend gemachten Ansprüche nach österreichischem Recht zu beurteilen sind, ist beizutreten (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Danach ist davon auszugehen, daß in den von Luftseilbahnen und Schiliften erschlossenen Schigebieten ein enger Zusammenhang zwischen dem Bergtransport mit der Bahn und der Schiabfahrt besteht (Koziol, Haftpflichtrecht2 II, 207; Stiffler, Schweizerisches Skirecht2, 115 Rz 435). Dazu kommt, daß der Massentourismus der letzten Jahrzehnte in Verbindung mit entsprechenden Werbemaßnahmen dazu geführt hat, daß sich Schifahrer in zunehmendem Maße in das Gebirge befördern lassen, welche einerseits vom Beförderungsunternehmen ein Höchstmaß an Sicherheit erwarten, andererseits aber weitgehend ohne Kenntnis der bestehenden typischen Gefahren sind. Dieser Entwicklung muß das Seilbahnunternehmen grundsätzlich Rechnung tragen. Zwar kann es immer noch auf den sorgfältigen vernünftigen Durchschnittsverkehrsteilnehmer abstellen und braucht daher auf grob fahrlässiges Verhalten nicht Rücksicht zu nehmen, doch ergeben sich zumindest zusätzliche Warnpflichten, wenn bemerkt wird, daß die Benutzer der Anlage an sich erkennbare typische Gefahren nicht erfassen oder auf sie falsch reagieren und sich deshalb selbst gefährden (Hagenbucher, Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten als Ursache von Ski- und Bergunfällen, 89). Das gilt auch für die Beklagte, welche eine Gondelseilschwebebahn betreibt, die praktisch aus einem weltweit als "Olympiastadt" bekannten Ort direkt in hochalpines Gelände führt. Sie war daher verpflichtet, den von ihr beförderten Schifahrern schon an der Talstation das Gesamtangebot des durch ihre Seilbahn erschlossenen Schigebietes mit Hilfe geeigneter Mittel wie Orientierungstafeln, Panoramakarten, Streckenplänen u.ä. bekanntzugeben (sogenannte Orientierungspflicht: Stiffler aaO 162 Rz 623). Umgekehrt durfte sie aber auch davon ausgehen, daß sich Ortsunkundige, insbesondere ausländische Schifahrer, nicht ohne genaues Studium der gebotenen Informationen in das von ihr erschlossene Schigebiet befördern lassen werden.

Dieser Informationspflicht ist die Beklagte mit der auch am Unfalltag bei der Talstation (Hungerburg) aufgestellten Panoramatafel nachgekommen. Aus ihr war zu entnehmen, daß es nur im Gebiet der Seegrube markierte und nach Schwierigkeitsgrad abgestufte Schiabfahrten ("Schipisten") gibt, daß aber von der Bergstation (Hafelekar) lediglich eine einzige Schiroute talwärts führt, nämlich die "Schiroute 5" über die "Karrinne" zur Seegrube. Daß diese Schiroute bergwärts gesehen weit links der Bergstation verläuft, war schon der Panoramatafel unschwer zu entnehmen. Unter "Schirouten" werden aber allgemein zugängliche, zur Abfahrt mit Schiern vorgesehene und geeignete Strecken verstanden, die nur vor Lawinengefahren gesichert sind, sonst aber weder präpariert noch kontrolliert werden (Ö-NORM S 4611; Pichler-Holzer, Handbuch des österreichischen Schirechts2, 33 und 296; ZVR 1991/144 mwN); sie werden auch nicht nach Schwierigkeitsgraden eingeteilt (Pichler-Holzer aaO 38; Stiffler aaO 134 Rz 510). Ein Seilbahnunternehmer kann darauf vertrauen, daß Schirouten von durchschnittlich aufmerksamen und kontrolliert fahrenden Schifahrern benutzt werden. Von Schiroutenbenützern ist ein überdurchschnittliches schifahrerisches Können zu erwarten, also mehr als für die Benützung einer roten Schipiste erforderlich ist (ZVR 1991/144 mwN), und darüber hinaus alpine Erfahrung (Dittrich-Reindl, ZVR 1990, 291). Es geht daher bei der Schaffung von Schirouten auch in erster Linie darum, das Angebot an Schiabfahrten um ausgesprochen sportliche Möglichkeiten zu erweitern (Stiffler aaO 125 Rz 469). Jeder Schiroutenfahrer hat somit die sich aus der Überschätzung seines eigenen Könnens ergebenden Gefahren selbst zu tragen (ZVR 1991/144). Darauf, daß die "Schiroute 5" am Vormittag des Unfalltages eisig war, hat die Beklagte die Seilbahnbenützer jedenfalls im Stationsgebäude Seegrube beim Einlaß zur Bergfahrt mit der Hafelekar-Bahn mittels zweisprachiger Warntafel ebenso aufmerksam gemacht wie - auch in englischer Sprache - darauf, daß die Abfahrten vom Hafelekar ausschließlich "erfahrenen" Schiläufern empfohlen werden könnten. Daß aber bei den am Unfalltag herrschenden Witterungsverhältnissen die "Karrinne" derart extrem vereist gewesen wäre, daß ein Befahren überhaupt nur unter Lebensgefahr möglich gewesen wäre, behaupten nicht einmal die Klägerinnen selbst. Derartiges kann auch den Feststellungen nicht entnommen werden. Nur für diesen Fall wurde aber die Forderung erhoben, daß dann die Schiroute "unter Umständen" zu sperren ist (Hörburger in ZVR 1990, 100 ff; dagegen jedoch Dittrich-Reindl in ZVR 1990, 289 ff). Auch wenn davon die einzige "offizielle" Abfahrtsmöglichkeit betroffen wäre, müßte aber selbst deren Sperre noch nicht zwangsläufig die - partielle - Einstellung des Seilbahnbetriebes zur Folge haben, könnte doch die Bahn immer noch andere Abfahrten im freien Gelände oder im Wege von Schitouren erschließen. In einem solchen Fall träfe aber den Seilbahnunternehmer jedenfalls die Verpflichtung, auf diese Umstände rechtzeitig und deutlich hinzuweisen. All das kam aber im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil eine derart außergewöhnliche Vereisung der "Schiroute 5" am Unfalltag gar nicht feststeht.

Auch in der Seilbahnkabine der Hafelekar-Bahn wurde nochmals ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß mit Ausnahme der von der Lawinen-Kommission überwachten "Schiroute 5" am Hafelekar nur freies Gelände zur Verfügung steht, welches ausschließlich auf eigenes Risiko befahren wird. Desgleichen konnte sich insbesondere ein ortsfremder Schifahrer auch während der Bergfahrt noch einmal augenfällig von der schon von der Talstation aus erkennbaren abschreckenden Steilheit der Hafelekar-Rinnen überzeugen. Er wurde schließlich beim Ausgang der Bergstation ausdrücklich davor gewarnt, daß es gefährlich und daher verboten ist, die als offen gekennzeichneten "Pisten" zu verlassen. Daß hier "pistes" nicht für "Pisten" im technischen Sinn steht, sondern für die einzig vorhandene "Schiroute 5", ist ganz offensichtlich.

Richtig ist, daß die Beklagte ihrer Verpflichtung zur klaren Kennzeichnung des Zugangsweges zur "Schiroute 5" bei der Bergstation (vgl Dittrich-Reindl in ZVR 1981, 226) nicht nachgekommen ist. Die Klägerinnen haben aber nach den Feststellungen den ihnen als Geschädigten obliegenden Nachweis nicht erbringen können, daß dieser Umstand für die Abfahrt des Dennis A***** über die "Direttissima" ursächlich war; diese "wilde" Abfahrt, die die Beklagte als zum freien Schigelände außerhalb des von ihr organisierten Schiraumes gehörig auch nicht zu sichern hatte, sondern von den Schifahrern auf eigene Gefahr benutzt wird (Pichler-Holzer aaO 26; Stiffler aaO 124 Rz 466; Hagenbucher aaO 94; ZVR 1979/74; SZ 54/183; ZVR 1989/158), war über die gesamte Breite der Einfahrt - ausgehend von der Terrassenummauerung bei der Bergstation - durch eine nur von einer kleinen Aussparung unterbrochenen Steinmauer abgegrenzt. Talseitig der Terrassenmauer befand sich beim Ausgang aus der Bergstation eine Warntafel mit der Aufschrift "Keine Schiabfahrt/No ski run/Pas de Piste". Daß diese extrem steile, wenn auch breite Rinne direkt zur Seegrube führt, war weithin einsehbar. Niemand konnte sie unter diesen Umständen für die "Schiroute 5" oder auch nur für eine Zufahrt zu dieser "offiziellen" Abfahrtsroute halten. Es mußte daher auch Dennis A***** klar gewesen sein, daß die anderen Gondelbenützer, welche die "Direttissima" abfuhren, eine "wilde" Abfahrt im ungesicherten freien Schigelände einschlagen. Wenn er daher diesem Beispiel gefolgt ist, so hat er damit auf eigene Gefahr gehandelt (vgl ZVR 1988/77), zumal nach den bestehenden Witterungsverhältnissen am Unfalltag auch nicht der geringste Anlaß für eine Panikreaktion bestand. Da ihm aber dabei nach den Feststellungen die damit verbundenen Gefahren bereits unmittelbar und deutlich erkennbar waren, scheidet im Hinblick auf die bewußte Eigengefährdung auch eine Haftung der Beklagten wegen allfälliger Unterlassung einer drastischeren Warnung mit Hinweisen auf die Lebensgefahr ("Totenkopf" etc) - wie sie von den Klägerinnen als fehlend beanstandet wird - von vornherein aus (Hagenbucher aaO 164). Ob unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles eine derartige weitergehende Warnpflicht der Beklagten überhaupt bestanden hat, muß demnach nicht mehr näher geprüft werden.

Der Revision war schon aus allen diesen Gründen ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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