OGH 13Os150/93 (13Os151/93)

OGH13Os150/93 (13Os151/93)10.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Markel, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Mazzolini als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael M***** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. August 1993, GZ 6 f Vr 8374/93-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, es werden

1. das angefochtene Urteil, das im übrigen (insbesondere auch in der rechtlichen Beurteilung zu A) unberührt bleibt, im Schuldspruch laut den Punkten A/2 (Inverkehrsetzen einer Platte Haschisch sowie einer geringen Menge Kokain), B/1 (Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB) und C (Vergehen nach dem § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG), demzufolge auch im Ausspruch einer Freiheitsstrafe (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sowie

2. der darauf beruhende Beschluß auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht

aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

III. Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die zu I getroffene Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.April 1961 geborene Michael M***** des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 SGG (A/1 und 2) sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB (B/1), der versuchten Freiheitsentziehung nach den §§ 15, 99 Abs. 1 StGB (B/2), nach dem § 36 Abs. 1 Z 2 WaffG (C) und nach dem § 16 Abs. 1 SGG (D) schuldig erkannt und (unter Anrechnung der Vorhaft) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gemäß dem § 13 Abs. 1 SGG wurde das sichergestellte Suchtgift eingezogen. Von der Verhängung einer Wertersatzstrafe gemäß dem § 13 Abs. 2 SGG wurde abgesehen (§ 12 Abs. 5, vierter Satz, SGG). Zugleich wurde die im Verfahren AZ 10 Vr 1.076/91 des Landesgerichtes Wiener Neustadt gewährte bedingte Nachsicht eines Strafteils von 16 Monaten widerrufen (§ 494 a Abs. 1 Z 4 StPO).

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Michael M***** in Wien und anderen Orten

A/ den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, und zwar

1.) in der Zeit von Dezember 1992 bis Mitte Juni 1993 bei fünf Schmuggelfahrten ca. 4 bis 5 kg Haschisch sowie 70 Gramm Kokain aus den Niederlanden ausgeführt und nach Österreich eingeführt;

2.) in der Zeit von April 1993 bis Juni 1993 (richtig:) eine Platte Haschisch sowie eine geringe Menge Kokain durch Übergabe an unbekannte Personen in Verkehr gesetzt;

B/ am 24.Juni 1993 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten Herbert Z*****, Klaus A*****, Egon G*****, Christian K***** und Sylvia B*****

1.) in verabredeter Verbindung den Michael Z***** durch Schläge und Fußtritte gegen das Gesicht und den Körper, die Schmerzen an den rechten Rippen, an der Nase sowie am linken Fuß zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt;

2.) dem Michael Z***** durch Zerren, Treten und Stoßen in einen PKW, um ihn zu einer Fahrt nach Berndorf zu zwingen, die persönliche Freiheit zu entziehen versucht;

C/ am 24.Juni 1993 einen Totschläger, mithin eine verbotene Waffe, unbefugt besessen;

D/ in der Zeit von 1980 bis 1993 Suchtgift erworben und besessen. Nur den Schuldspruch laut den Punkten A/1 und 2, B/1 und C bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch ficht er mit Berufung, den Widerrufsbeschluß mit Beschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt in folgenden Punkten Berechtigung zu:

1. Zu Faktum A/2:

Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer auf, daß in der Begründung des Urteils dazu überhaupt keine Feststellungen getroffen worden sind (vgl. US 7). Die Bezeichnung der Tat und der rechtlichen Qualifikation im Spruch erfüllt nur die im § 260 Z 1 und 2 StPO normierten Urteilserfordernisse, kann jedoch die Feststellungen des wesentlichen Sachverhalts in den Entscheidungsgründen nicht ersetzen (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 8 zu § 281 Z 9 lit. a). Dieser Teil des Schuldspruchs ist demnach infolge eines Feststellungsmangels (Z 9 lit. a) mit Nichtigkeit behaftet, doch hat eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten, weshalb die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist.

2. Zu Faktum B/1:

Zu Recht rügt (Z 9 lit. a) der Beschwerdeführer, daß die von Michael Z***** erlittenen Schmerzen an den rechten Rippen, an der Nase sowie am linken Fuß (US 8 iVm US 3) dem Begriff der Körperverletzung nach dem § 83 StGB unterstellt worden sind. Darunter sind nämlich nur jene Eingriffe in die körperliche Integrität zu verstehen, welche gemeinhin als Wunden, Schwellungen, Verstauchungen, Verrenkungen, Brüche und sonstige Läsionen (zB innerer Organe) bezeichnet werden, wobei freilich die Sichtbarkeit kein essentielles Kriterium darstellt (Leukauf-Steininger Komm3 § 83 RN 5). Schmerzen allein entsprechen hingegen nicht dem Begriff einer Verletzung am Körper, sondern haben in der Regel nur Indizfunktion. Im vorliegenden Fall weist zudem das polizeiamtsärztliche Gutachten S 343 darauf hin, daß der Zeuge Michael Z***** durch die Tätlichkeiten des Angeklagten und seiner Komplizen tatsächlich Verletzungen (unbestimmten Grades) erlitten hat. Auch in diesem Punkt ist sohin die Aufhebung des Schuldspruches und insoweit die Erneuerung des Verfahrens vor dem Erstgericht erforderlich, weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen (Z 5) erübrigt.

3. Zu Faktum C:

Dazu hat das Erstgericht lediglich festgestellt, daß der Angeklagte einen Totschläger ins Auto legte, den er hätte gebrauchen wollen, wenn Z***** zu flüchten versucht hätte (US 7). Der Beschwerdeführer bemängelt insoweit (der Sache nach Z 9 lit. a) zu Recht das Unterbleiben von Konstatierungen zur subjektiven Tatseite. Dafür genügt zwar Fahrlässigkeit, doch muß sich diese nicht nur auf den Besitz der Waffe als solchen, sondern auch auf deren Verbotensein beziehen, worüber in der Tat den Entscheidungsgründen keinerlei Feststellungen zu entnehmen sind. Somit leidet auch dieser Teil des Schuldspruches an einem Feststellungsmangel (Z 9 lit. a) und war demgemäß zwecks Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz zu kassieren.

II. Hingegen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen (Faktum A/1) als unbegründet.

Dem Beschwerdevorbringen (Z 5) zuwider haben die Tatrichter mit der Feststellung, dem Angeklagten sei das Gewicht des von ihm importen Suchtgiftes "bewußt" gewesen (US 7, 9), deutlich genug ihre Überzeugung zum Ausdruck gebracht, er habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, eine große Suchtgiftmenge im Sinn des § 12 Abs. 1 SGG aus den Niederlanden aus- und nach Österreich einzuführen.

Es ist aber auch die Feststellung (US 9) der Reinmenge des Suchtgiftes keineswegs unbegründet geblieben, konnte das Erstgericht diese doch zwanglos aus dem Bruttogewicht von 4 bis 5 kg Haschisch und 70 Gramm Kokain ableiten und sich hinsichtlich des Kokains zudem auf das in der Hauptverhandlung verlesene (AS 362) Gutachten ON 46 stützen, wonach der Reinheitsgrad 90 % betrug.

Verfehlt ist schließlich die mit den Argumenten der Mängelrüge auf einen Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite abzielende Rechtsrüge (Z 9 lit. a), weil sie die hiezu - wie dargelegt mängelfrei - getroffenen Konstatierungen negiert und somit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gelangt.

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil sohin im aufgezeigten Umfang (mit Ausnahme der hievon nicht tangierten Einziehungsentscheidung und des Ausspruchs über das Absehen von einer Wertersatzstrafe nach dem § 13 Abs. 2 SGG) bereits bei einer nichtöffentlicher Beratung aufzuheben (§ 285 e StPO); im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der genannten Gesetzesstelle iVm dem § 285 a Z 2 StPO sofort zurückzuweisen. Durch die Aufhebung des Strafausspruches sind die Berufung und die Beschwerde, aber auch der in der Berufung enthaltene Antrag auf Aufschub des Vollzuges gemäß dem § 23 a SGG, der übrigens die Rechtskraft des Strafausspruches voraussetzt und an das Erstgericht zu richten gewesen wäre, gegenstandslos.

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