OGH 10ObS225/93

OGH10ObS225/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Ernst Viehberger (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber), in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann H*****, Landwirt, ***** vertreten durch Dr. Wolfgang Gassner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern (Landesstelle Salzburg), 1031 Wien, Ghegastraße 1, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Juni 1993, GZ 13 Rs 48/93-10, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. April 1993, GZ 17 Cgs 184/92w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. November 1990, 17 Cgs 74/90-44, wurde das Klagebegehren des am 28.12.1942 geborenen Klägers auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.6.1988 abgewiesen. Die Berufung und die Revision des Klägers blieben erfolglos. Mit der am 7.12.1992 beim Erstgericht eingelangten Wiederaufnahmsklage begehrt der Kläger die Wiederaufnahme des oben genannten Verfahrens und die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitspension ab 1.7.1988. Er stützt sich dabei auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und führt zur Begründung aus:

Im Vorprozeß seien insbesondere Gutachten des orthopädischen Sachverständigen entscheidungswesentlich gewesen, wonach der Kläger noch immer ein medizinisches Leistungskalkül erreichte, welches ihm einen Einsatz am allgemeinen Arbeitsmarkt noch möglich machte. Nunmehr habe im Zuge einer Begutachtung für seine private Unfallversicherung eine gerichtlich beeidete Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ein Gutachten erstattet, aus dem hervorgehe, daß bei ihm eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen 50 und 70 % allein auf Grund der Arthrose des rechten Hüftgelenkes mit schwerer Bewegungseinschränkung bestehe; hiezu kämen noch 40 bis 60 % wegen Veränderungen der Wirbelsäule mit deutlicher Funktionseinschränkung. Auch wenn es sich dabei um eine Einschätzung nach den Richtlinien gemäß § 7 KOVG 1957 handle, so ergäbe sich doch daraus, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als 50 % betrage und ein Einsatz auf diesem nicht mehr möglich sei. Wäre dieses Gutachten bereits bei Schluß der Verhandlung im Vorprozeß vorgelegen, so wäre vermutlich eine andere Entscheidung ergangen. Die Sachverständige habe offenbar eine neuere wissenschaftliche Methode angewandt.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage gemäß § 538 Abs 1 ZPO als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet mit der Begründung zurück, es könne keine Rede davon sein, daß die Beurteilung der vom gerichtlichen Sachverständigen im Vorprozeß angefertigten Röntgenbilder durch die Privatgutachterin auf einer neuen, zur Zeit des Vorprozesses noch nicht bekannten Erkenntnismethode aufbaue, vielmehr handle es sich um graduelle Auffassungsunterschiede in der Beurteilung der sich aus den Röntgenbildern ergebenden Beeinträchtigungen. Damit sei aber der Tatbestand des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht hergestellt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Bei einem später eingeholten Sachverständigengutachten handle es sich dann um ein neues Beweismittel, wenn es auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode aufbaue, die zur Zeit des Vorprozesses noch nicht bekannt gewesen sei. Dagegen vermöge selbst eine aus späteren Tatumständen sich ergebende Unrichtigkeit eines im Vorprozeß erstatteten Gutachtens oder die mangelnde fachliche Eignung des im Vorprozeß vernommenen Sachverständigen nicht die Voraussetzungen des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu erfüllen. Vor allem sei es unzulässig, eine Wiederaufnahmsklage darauf zu stützen, daß ein anderer Sachverständiger später ein abweichendes Gutachten erstattet habe. Die vorliegende Wiederaufnahmsklage stütze sich darauf, daß ein anderer Sachverständiger später eine andere Meinung vertreten habe. Dies stelle keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund dar. Der Kläger stelle in seinem Rekurs klar, er habe nur "präventiv" behauptet, daß offenbar eine neuere wissenschaftliche Methode angewendet worden sei, beurteilen könne er dies nicht. Er behaupte dies damit gar nicht ernstlich. Ansonsten zeige er lediglich Unterschiede in der Beurteilung durch den gerichtlichen Sachverständigen und die Privatgutachterin auf, also bloß eine abweichende Beurteilung. Davon abgesehen handle es sich bei Privatgutachten um Privaturkunden, die lediglich die Meinung des Privatgutachters wiedergeben würden und die grundsätzlich nicht geeignet seien, Gutachten von gerichtlich bestellten Sachverständigen zu widerlegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist gemäß § 47 Abs 2 ASGG jedenfalls zulässig (vgl. auch JBl. 1993, 126), er ist aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß auch in Sozialrechtssachen eine Wiederaufnahmsklage nicht darauf gestützt werden kann, daß ein anderer Sachverständiger später ein abweichendes Gutachten erstattet hat. Der Wiederaufnahmskläger müßte in einem solchen Fall vielmehr etwa den Nachweis erbringen, daß der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige eine behauptete Zwischenerhebung in Wahrheit nicht durchgeführt habe oder daß die jüngeren Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Methode basieren, die zum Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt war (SSV-NF 1/40 mwN; EvBl. 1989/68; ZVR 1989/99, JBl. 1976, 599 ua.). Beide Vorinstanzen haben ohne Rechtsirrtum erkannt, daß die Wiederaufnahmsklage auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund, insbesondere nicht auf jenen des allein geltend gemachten § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützt ist. Das vorgelegte Privatgutachten gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, daß die Verfasserin dieses Gutachtens ihre Untersuchung auf eine neue wissenschaftliche Methode begründet habe; es liegt vielmehr auf der Hand, daß sie lediglich die Erwerbsfähigkeit des Klägers anders einschätzte als der gerichtliche Sachverständige im Vorprozeß, und zwar nach den Richtsätzen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9.6.1965, BGBl. 150 für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem KOVG 1957, die selbst bei Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in Unfallsachen nach dem ASVG nicht analog anzuwenden sind (SSV-NF 6/33) und umsoweniger dann gelten, wenn es um die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Erwerbsunfähigkeitspension geht.

Das vorgelegte Privatgutachten konnte daher ersichtlich von vornherein keinen die Bewilligung der Wiederaufnahme rechtfertigenden Einfluß auf die Entscheidung in der Hauptsache haben (vgl. dazu ausführlich JBl. 1993, 126 mwN). Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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