OGH 11Os140/93

OGH11Os140/939.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kurt F***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 erster Satz, zweiter Fall, StGB und des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht St.Pölten vom 8. Juli 1993, GZ 24 Vr 85/93-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Newole zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden - angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Kurt F***** (1./) des Verbrechens des schweren Raubes nach dem § 143 erster Satz zweiter Fall StGB und (2./) des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat in Waidhofen an der Ybbs

1./ am 19.Jänner 1993 den Volksbankangestellten Hartwig Sch***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) und unter Verwendung einer Waffe, nämlich dadurch, daß er ihn mit einer mit sechs Gaspatronen geladenen Gaspistole bedrohte und sagte "Sie wissen eh, was gespielt wird, werden Sie net nervös", und die Herausgabe von "blauen und roten Scheinen" (gemeint: Banknoten von 5.000, 1.000 und 500 Schilling) forderte, eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag in der Höhe von 384.000 S mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch Zueignung des Geldes unrechtmäßig zu bereichern;

2./ am 19.Mai 1992 Verfügungsberechtigten der Boutique "C*****" eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine schwarze Lederjacke im Wert von 2.499 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB (1./) bekämpft der Angeklagte mit einer ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich jedoch als unbegründet erweist.

Der Angeklagte vermißt laut Beschwerdevorbringen eine Zusatzfrage im Sinn des § 313 StPO nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB). Die Stellung einer derartigen Frage hält er - ungeachtet seiner schließlich uneingeschränkt geständigen Verantwortung in der Hauptverhandlung - mit der Begründung für geboten, im Beweisverfahren sei sowohl seine Suchtgiftabhängigkeit als auch der Umstand hervorgekommen, daß er zur Tatzeit unter dem Einfluß von Suchtgift bzw. von (sonstigen) berauschenden Mitteln gestanden sei.

Entgegen der Auffassung des Angeklagten boten jedoch die Ergebnisse der Hauptverhandlung, die allein dafür maßgebend sind, ob eine Zusatzfrage an die Geschwornen zu richten ist (§ 313 StPO), keinen Anlaß für die nunmehr von ihm angestrebte Fragestellung. Entscheidend ist nämlich, ob in der Verantwortung des Angeklagten insgesamt oder in sonstigen, in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Verfahrensergebnissen ein Tatsachenvorbringen enthalten ist, das im Fall seiner Richtigkeit die Annahme zuließe, der Angeklagte habe sich im Zeitpunkt der Tatverübung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit befunden. Dies trifft hier nicht zu:

Denn der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung seine zunächst erhobene Behauptung, infolge Entzugserscheinungen und der dadurch bedingten Einnahme von Medikamenten im Tatzeitpunkt in seiner Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt gewesen zu sein (AS 350, 351, 352) - womit er der Sache nach einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand in der Bedeutung des § 11 StGB gar nicht behauptete -, nicht aufrecht erhalten. Er bekannte sich letztlich (auch) der Raubtat uneingeschränkt schuldig und erklärte ausdrücklich, sich nicht weiter dahin ausreden zu wollen, nicht zu wissen, was er getan habe. Weiters bestätigte er noch die (von ihm auch vor dem Untersuchungsrichter als zutreffend bezeichnete) Darstellung vor der Gendarmerie als richtig, in deren Rahmen er gleichfalls die Einnahme von Medikamenten vor der Tat erwähnt, eine hiedurch bedingte Zurechnungsunfähigkeit aber ausdrücklich ausgeschlossen hatte (AS 354 iVm AS 29 und 50). Damit erweist sich aber seine - von ihm selbst der Sache nach sogar als falsch bezeichnete - ursprüngliche Darstellung in der Hauptverhandlung, welche darauf abzielte, seine Schuldfähigkeit in Abrede zu stellen, als überholt. Ein die vermißte Fragestellung indizierendes Tatsachenvorbringen des Angeklagten in der Hauptverhandlung liegt somit nicht vor.

Ein derartiges Vorbringen läßt sich aber auch aus den sonstigen Beweisergebnissen der Hauptverhandlung nicht ableiten. Das erwähnte abschließende Eingeständnis des Angeklagten steht nämlich auch mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof.Dr.Klaus J***** im Einklang. Dieser verneinte eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung des Angeklagten im Tatzeitpunkt unter Hinweis auf dessen planmäßiges Vorgehen und dessen - jedenfalls unmittelbar nach der Tat demonstriertes - Erinnerungsvermögen. Zudem schrieb der Sachverständige den Medikamenten, die der Angeklagte vor der Tat eingenommen zu haben angibt, nur eine geringe toxische Wirkung zu und gelangte damit gleichfalls zu dem Ergebnis, daß der Angeklagte zur Tatzeit zurechnungsfähig war (AS 275 und 279). Schließlich läßt sich für den Beschwerdestandpunkt auch aus dem Umstand nichts gewinnen, daß der Angeklagte dem Mißbrauch von Suchtgiften ergeben ist. Vermag doch die bloße Tatsache einer Suchtgiftabhängigkeit für sich allein noch nicht die Annahme zu rechtfertigen, daß der Betroffene deshalb seine Diskretions- und Dispositionsfähigkeit generell verloren habe.

Eine Zusatzfrage in Richtung des Schuldausschließungsgrundes nach dem § 11 StGB war bei der gegebenen Sachlage sohin nicht indiziert, weshalb dem Gericht auch keine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (hier des § 313 StPO) unterlaufen ist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Aber auch die Berufung ist nicht im Recht.

Das Geschwornengericht hat bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und das Vorliegen von insgesamt zehn einschlägigen Vorstrafen wegen Angriffen gegen fremdes Vermögen, wodurch auch die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall im Sinne des § 39 StGB erfüllt wären, als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, die Zustandebringung der Raubbeute bis auf einen geringfügigen Betrag sowie die Sicherstellung der gestohlenen Lederjacke gewertet und mit Rücksicht auf diese Strafbemessungssituation eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren für tatschuldangemessen erachtet.

Das einzige Argument des die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe begehrenden Berufungswerbers besteht in dem Hinweis darauf, daß er die Tat unter dem Einfluß starker Entzugserscheinungen begangen habe. Dabei verkennt die Berufung selbst nicht, daß ein selbstverschuldeter, durch den Genuß berauschender Mittel hervorgerufener, die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließender Rauschzustand nur ausnahmsweise mildernd sein kann, nämlich nur dann, wenn der Vorwurf, daß sich der Täter in einen solchen Zustand versetzt hat, die durch den Rauschzustand bewirkte verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht aufwiegt. Abgesehen davon, daß nach den Einlassungen des Angeklagten im Vorverfahren (29, 50) und in der Hauptverhandlung (354) eine schuldmindernde Beeinträchtigung seiner Zurechnungsfähigkeit gar nicht indiziert ist, wäre aus seinem bisherigen Gesamtverhalten ein derartiger im § 35 StGB angesprochener Vorwurf gegeben, weswegen selbst bei Annahme einer solchen Beeinträchtigung daraus keine mildernde Wirkung abzuleiten wäre.

Das Geschwornengericht hat sohin die Strafbemessungsgründe zutreffend und richtig dargestellt, sie aber auch ihrem Gewicht entsprechend gewertet. Der Berufung, die keinen unberücksichtigt gebliebenen Milderungsgrund aufzuzeigen vermochte, konnte demnach kein Erfolg beschieden sein.

Aus all diesen Erwägungen war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angegebenen Gesetzesstelle.

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