Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23.Juli 1993, GZ 2 c EVr 8309/93-25, mit welchem die dem Verurteilten Mirsad C***** im Verfahren 2 c EVr 10677/89 desselben Gerichtes gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 56 StGB in Verbindung mit § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO.
Dieser Beschluß wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin erkannt, daß der Antrag der Staatsanwaltschaft Wien vom 30.Juni 1993, GZ 2 c EVr 8309/93-17, auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht abgewiesen wird.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.Jänner 1990, GZ 2 c EVr 10677/89-16, wurde Mirsad C***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 (Abs. 1) StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.
Das Urteil erwuchs unmittelbar nach seiner Verkündung in Rechtskraft; die Probezeit endete daher mit Ablauf des 19.Jänner 1993 (§ 68 StGB).
Anläßlich einer weiteren Verurteilung des Mirsad C***** wegen des in einem nicht mehr feststellbaren, am 23.Juni 1993 endenden Zeitraum begangenen Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 23.Juli 1993, GZ 2 c EVr 8309/93-25, wurde mit (gemäß § 494 a Abs. 4 StPO) gemeinsam mit dem Urteil verkündetem (dem Antrag der Staatsanwaltschaft vom 30.Juni 1993 - S 103 - stattgebendem) Beschluß die im ersterwähnten Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen (§ 494 a Abs. 1 Z 4 StPO). Auch dieser Beschluß ist rechtskräftig.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur geltend, daß der angeführte Beschluß vom 23. Juli 1993, GZ 2 c EVr 8309/93-25, die Vorschrift des § 56 StGB in Verbindung mit § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO verletze.
Die Beschwerde ist im Recht.
Daß der spätere Schuldspruch des Mirsad C***** auch innerhalb der (wie erwähnt am 19.Jänner 1993 abgelaufenen) Probezeit begangene Diebstähle erfaßte, ist dem (in gekürzter Form ausgefertigten - § 488 Z 7 StPO) Urteil - wonach Gegenstand des Schuldspruchs wiederholte diebische Angriffe ab "einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis zum 23.Juni 1993" bilden (S 124) - nicht zu entnehmen. Diese für den Widerruf nach § 53 Abs. 1 StGB primär entscheidende Frage kann aber fallbezogen deshalb auf sich beruhen, weil der Widerrufsbeschluß vom 23.Juli 1993 schon aus einem anderen Grund mit dem Gesetz nicht im Einklang steht:
Nach § 56 StGB dürfen die in §§ 53 bis 55 StGB vorgesehenen Verfügungen nur in der Probezeit (1.Fall), wegen einer während dieser Zeit begangenen strafbaren Handlung jedoch auch noch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit (2.Fall) oder nach Beendigung eines bei Ablauf der Probezeit gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens (3.Fall) getroffen werden.
Keine dieser Voraussetzungen trifft vorliegend zu.
Die ersten beiden Fälle scheiden angesichts des Ablaufes der Probezeit am 19.Jänner 1993 (und des damit auf den 19.Juli 1993 fallenden Endes der Frist von sechs Monaten) aus. Die Anwendung des § 56 StGB dritter Fall hinwieder käme - selbst bei Annahme der Begehung widerrufsbegründender Taten während der Probezeit - nicht in Betracht, weil das spätere Verfahren erst Monate nach Ablauf der Probezeit (19.Jänner 1993), nämlich am 26.Juni 1993 (durch Einleitung der Voruntersuchung - S 1 verso des Antrags- und Verfügungsbogens), gerichtsanhängig wurde (vgl Leukauf-Steininger StGB3 RN 4 zu § 56).
Es fehlten daher die genannten zeitlichen Voraussetzungen, um zu der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.Jänner 1990 gewährten bedingten Strafnachsicht eine Maßnahme nach § 53 Abs. 1 StGB zu treffen. Der Widerruf der bedingten Strafnachsicht verletzt somit zum Nachteil des Verurteilten das Gesetz (jedenfalls) in der Bestimmung des § 56 StGB im Zusammenhalt mit jener des § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO, sodaß in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden war.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien wird sohin im Verfahren AZ 2 c EVr 10677/89 über die endgültige Nachsicht der Freiheitsstrafe zu entscheiden haben (§ 43 Abs. 2 StGB).
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