OGH 15Nds102/93

OGH15Nds102/9328.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner und Dr.Kuch als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin in der beim Landesgericht Wels zum AZ 18 Vr 809/93 anhängigen Strafsache gegen Maria B*****-J***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall StGB sowie § 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über den Antrag der Staatsanwaltschaft Wels auf Zuweisung der Strafsache gemäß § 63 StPO an das Landesgericht für Strafsachen Graz nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft Wels begehrt, die Strafsache dem Landesgericht Wels abzunehmen und sie dem Landesgericht für Strafsachen Graz zuzuweisen. Dies mit der Begründung (S 1 as des Antrags- und Verfügungsbogens), sämtliche Straftaten "mit Ausnahme des spruchreifen Faktums wegen fahrlässiger Krida" seien im Sprengel des Landesgerichtes für Strafsachen Graz verübt worden, die polizeilichen Erhebungen gestalteten sich wegen der räumlichen Entfernung zwischen dem Landesgericht Wels und der Bundespolizeidirektion Graz schwierig und verzögerten sich, alle zu vernehmenden Zeugen wohnten in Graz und Umgebung und es sei die mehrmalige Zureise sämtlicher Zeugen zum Landesgericht Wels im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung notwendig.

Die Untersuchungsrichterin schloß sich diesem Vorbringen mit dem Beifügen an, daß für jede Vernehmung der Beschuldigten zwei Beamte der Bundespolizeidirektion Graz für zwei Tage nach Wels zureisen müssen, die Beschuldigte im Fall ihrer Enthaftung in Eisenerz wohnen und voraussichtlich die Beigabe eines Verfahrenshelfers notwendig sein werde.

Dem Antrag, dem die Beschuldigte in ihrer Äußerung die Befürchtung einer daraus erwachsenden Verfahrensverzögerung und zusätzlicher Verteidigungskosten entgegensetzte (S 373 h/I), kommt keine Berechtigung zu.

Unzutreffend ist nämlich bereits in tatsächlicher Hinsicht das Vorbringen der Staatsanwaltschaft Wels, alle zu vernehmenden Zeugen seien in Graz oder Umgebung wohnhaft. Dazu sei sie vorerst auf ihren eigenen Strafantrag vom 22.Juni 1989 (S 133/I) und den darin enthaltenen Antrag auf Vernehmung von Zeugen verwiesen, die in der Bundesrepublik Deutschland und in Wien wohnen. Darüber hinaus geht auch die erwähnte Behauptung am Akteninhalt zu jenem Faktenkomplex vorbei, zu dem die Bundespolizeidirektion Graz Erhebungen führt. Nur ein geringer Bruchteil der Geschädigten, deren Vernehmung voraussichtlich notwendig sein wird, wohnt in Graz oder in der Umgebung von Graz, der überwiegende Teil dieser Personen hat den Wohnsitz in Deutschland. Es kommen aber auch Personen mit dem Wohnsitz im westlichen Niederösterreich, in Salzburg und in Tirol als Zeugen in Betracht. Es liegt auf der Hand, daß die - auch von der Staatsanwaltschaft für erforderlich gehaltene - Zureise der Zeugen (zumindest zur Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht) aus den zuletzt genannten Gebieten zum Landesgericht Wels einfacher zu bewerkstelligen ist als zum Landesgericht für Strafsachen Graz. Sollte aber mit einer Vernehmung der im Ausland wohnenden Zeugen bloß im Rechtshilfeweg das Auslangen gefunden werden können, dann bedarf es auch hiezu keiner Delegierung; entsprechende Rechtshilfeersuchen können ebenso vom Landesgericht Wels verfaßt werden wie vom Landesgericht für Strafsachen Graz. Davon abgesehen ist für Zeugen aus Deutschland Wels leichter zu erreichen als Graz.

Der Hinweis der Untersuchungsrichterin auf eine Zureise von Beamten der Bundespolizeidirektion Graz zur Vernehmung der im Landesgericht Wels in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten versagt gleichfalls. Er geht an der Bestimmung des § 198 Abs. 1 StPO vorbei, wonach es grundsätzlich Aufgabe des Untersuchungsrichters ist, in der Voruntersuchung den Beschuldigten zu vernehmen. Wird diese Aufgabe an Organe auswärtiger Sicherheitsbehörden übertragen, dann kann eine solche Vorgangsweise nicht als Begründung für eine Veränderung der örtlichen Zuständigkeit dienen.

Eine solche kann vielmehr nur ausnahmsweise aus den im § 62 StPO genannten (wichtigen) Gründen verfügt werden, wobei im Hinblick auf Art 83 Abs. 2 B-VG eine restriktive Auslegung am Platz ist. Im vorliegenden Fall sprechen keine wichtigen Gründe für eine Delegierung; im Gegenteil: wichtige Gründe sprechen dagegen.

Dem Delegierungsantrag kann daher kein Erfolg beschieden sein.

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