Spruch:
Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurde Slobodan M***** (1) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 StGB, (2) des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB und (3) des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er in Wien
(zu 1) im Herbst 1992 seine am 22.April 1980 geborene Stieftochter Ivana K*****, sohin eine "minderjährige" (richtig: unmündige) Person, dadurch auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, daß er sie mehrfach unter der Kleidung an den Brüsten betastete sowie einmal nicht nur an den Brüsten, sondern auch am Geschlechtsteil streichelte, seinen Unterleib gegen ihren Körper drückte und mit einem Finger in ihre Scheide eindrang,
(zu 2) durch die unter 1 geschilderten Handlungen sein minderjähriges Stiefkind zur Unzucht mißbraucht und
(zu 3) in der Zeit zwischen 16.Oktober und 10.November 1992 Ivana K***** und deren Mutter Slavica M***** durch die Äußerung, wenn sie etwas weitererzählten, werde er seine Leute schicken, die Pistolen hätten und Slavica M***** und Ivana K***** fertigmachen würden; wenn sie versuchten, nach Jugoslawien zu gehen, hätte er überall seine Mannen und sie würden beide nicht mehr lange leben, mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterlassung von Mitteilungen an andere Personen wegen der zu 1 geschilderten Handlungen sowie zur Unterlassung der Flucht genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Schuldspruch erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.
Das Schöffengericht stützte seine Urteilsfeststellungen auf die als eindeutig, detailliert und immer gleichlautend beurteilten Angaben der Zeugin Ivana K*****, die einen außerordentlich glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe und deren Bekundungen in zwei Punkten durch die Aussage der Slavica M*****, der Frau des Angeklagten und Mutter des Kindes, bestätigt worden seien, und führte aus, daß die weiteren (in der Hauptverhandlung) vernommenen Zeugen zur Wahrheitsfindung nichts haben beitragen können, weil sie keine Tatzeugen waren und ihr geringes Wissen nur vom Angeklagten hatten (US 7 und 8).
Zutreffend zeigt der Beschwerdeführer in seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) - der Sache nach einen Begründungsmangel (Z 5) monierend - auf, daß sich das Schöffengericht nicht mit der Aussage des zwar nicht in der Hauptverhandlung, wohl aber vor der Polizei vernommenen Slavoljub M*****, die indes in der Hauptverhandlung verlesen wurde (S 113), auseinandersetzte, der jedenfalls "Tatzeuge" gewesen sein müßte, weil er nach den Aussagen der beiden Zeuginnen, auf die sich das Erstgericht stützt, anläßlich jenes Vorfalls in seiner Wohnung, bei dem sich der Angeklagte der Stieftochter durch Küssen und Streicheln unsittlich genähert haben soll, diesen zurechtgewiesen und ihm das Ungehörige seines Benehmens vor Augen gehalten haben soll (S 27, 72, 79). Slavoljub M***** gab hingegen an, es sei bei den Besuchen in seiner Wohnung nie etwas Ungewöhnliches vorgefallen und auch nichts darüber gesprochen worden (S 35). Indem das Schöffengericht diesen Widerspruch zu den Bekundungen der beiden Zeuginnen unerörtert gelassen hat, wiewohl Slavoljub M***** keineswegs bloß eine Äußerung des Angeklagten wiedergegeben hat, haftet der Urteilsbegründung eine Nichtigkeit bewirkende Unvollständigkeit an, zumal nicht auszuschließen ist, daß das Gericht bei Würdigung der Angaben des Genannten zu anderen Feststellungen gelangt wäre.
Zutreffend macht der Beschwerdeführer einen Begründungsmangel aber auch in Ansehung jener Urteilsfeststellungen geltend, wonach die Ehefrau des Angeklagten wegen der im Zuge der Drohungen erfolgten Paßabnahme und der Verweigerung von Geld zum Lebensunterhalt durch den Angeklagten "sogar gezwungen war stehlen zu gehen" (US 7).
Nach der Schilderung der Zeugin Slavica M***** sollte die Wegnahme der Pässe und die Weigerung der Ausfolgung von Geld jedenfalls nach dem letzten sexuellen Angriff, mithin nach Mitte Oktober 1992 stattgefunden haben. Nach der als Beilage B zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 9 erliegenden Niederschrift über eine Hausdurchsuchung, wurde hingegen eine solche bereits am 27.September 1992 wegen des gegen Slavica M***** vorliegenden Verdachtes des gewerbsmäßigen Diebstahls durchgeführt.
Schließlich setzte sich das Schöffengericht auch nicht beweiswürdigend mit dem Umstand auseinander, daß der letzte der sexuellen Angriffe nach den Angaben der Ivana K***** an einem Sonntag (S 27) oder an einem Samstag (S 73) stattgefunden haben soll, was schwerlich mit einer Abwesenheit der Mutter gegen 17 Uhr oder darnach zum Zweck eines Einkaufes, wie diese behauptet (S 80), in Einklang gebracht werden kann, wozu allerdings anzumerken ist, daß Slavica M***** in ihrer Anzeige vorbrachte, dieser Vorfall habe am Freitag dem 16.Oktober 1992 stattgefunden (S 13).
Bereits die aufgezeigten Begründungsmängel nötigen den Obersten Gerichtshof, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285 e StPO), ohne daß es erforderlich ist, auch noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Die vom Angeklagten überdies angemeldete "Berufung wegen Schuld" (S 141) war zurückzuweisen, weil eine Berufung wegen Schuld im Rechtsmittelverfahren gegen kollegialgerichtliche Urteile nicht vorgesehen ist.
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