OGH 15Os113/93

OGH15Os113/9328.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Massauer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hannelore M* wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5.Mai 1993, GZ 5 Vr 2274/92‑41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, der Angeklagten und des Verteidigers Dr.Sternberg zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0150OS00113.9300000.1028.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde die Angeklagte Hannelore M* des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, am 26.Juli 1990 in St* und W* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte des Postamtes St* und der Raiffeisenbank W* durch Vorgabe, Verfügungsberechtigte über Spareinlagen des Johann F* zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zur Realisierung dreier anonymer Sparbücher des verstorbenen Johann F* mit einer Gesamteinlage von 2,110.563,22 S und zur Auszahlung dieses Betrages an sie, somit zu Handlungen verleitet zu haben, die den Nachlaß nach Johann F* bzw dessen Erben am Vermögen in der bezeichneten Höhe schädigten.

 

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch wendet sich die Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung jedoch nicht zukommt.

Einen ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel (Z 4) erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß ihr ‑ in der Hauptverhandlung vom 5.Mai 1993 angeblich wiederholter ‑ Antrag vom 10.Februar 1993 auf "Vervollständigung der Voruntersuchung gemäß § 224 StPO" durch "weitere gezielte Vernehmung des Zeugen S*" (ON 38) unbeachtet blieb.

Dabei setzt sie sich allerdings über den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls hinweg, dem eine "Wiederholung" dieses Antrages nicht zu entnehmen ist. Insoweit mangelt es daher schon an der prozessualen Voraussetzung für die Geltendmachung des relevierten Nichtigkeitsgrundes, nämlich eines in der Hauptverhandlung gestellten und der Abweisung verfallenen oder übergangenen Beweisantrages. Daß der Verteidiger im Rahmen seiner Erwiderung auf den Anklagevortrag "auf Vervollständigung der Voruntersuchung" verwiesen hat (S 449), vermag die fehlende formelle Antragstellung nicht zu ersetzen. Aber selbst wenn dem so wäre, wäre das in Rede stehende Beweisbegehren auch inhaltlich verfehlt gewesen, zielt es doch nur auf den für den gegenständlichen Schuldspruch irrelevanten Nachweis eines Tatbeitrages des Zeugen S* ab. Davon abgesehen wurde der genannte Zeuge ohnedies in der Hauptverhandlung vernommen (S 480 ff), sodaß der Verteidiger die Möglichkeit hatte, ihn einer "gezielten" Befragung zu unterziehen. Daß ihm diese Gelegenheit verwehrt worden wäre, wird nicht behauptet.

Aber auch die Abweisung des in der Hauptverhandlung (sinngemäß) gestellten Antrages auf "Einholung einer Schriftprobe zum Zettel der Beilage ./1 und Vergleiche mit geschriebenen Unterlagen des verstorbenen Johann F*" (S 512) begründet ‑ entgegen den Beschwerdeausführungen ‑ keinen Verfahrensmangel (Z 4). Der Schöffensenat konnte vielmehr diesen (auf die Einholung eines Gutachtens eines Schriftsachverständigen hinauslaufenden) Beweisantrag, mit dem der Nachweis, daß die Beilage ./1 von Johann F* stammt, erbracht werden sollte, schon deshalb ohne Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte der Angeklagten abweisen, weil dem Beweisthema ‑ wie der Schöffensenat im Ergebnis zutreffend ausführt (S 512) - jede Entscheidungsrelevanz fehlt. Denn bei der sogenannten Beilage ./1 (erliegend in der Mappe Durchschriften) handelt es sich bloß um einen handgeschriebenen Zettel, auf dem drei Kontonummern anonymer Sparbücher und die dazugehörenden Losungsworte vermerkt sind, dem sohin weder eine ‑ allenfalls auch nur beabsichtigte ‑ Verfügung des Schreibers noch ein Hinweis auf die Eigentumsverhältnisse an den bezeichneten Sparbüchern zu entnehmen ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die ‑ über eine bloße Gedächtnisstütze nicht hinausgehende ‑ Beilage ./1 - wovon das Erstgericht ersichtlich aber ohnedies ausgeht (vgl S 531; 567; 573) ‑ die Handschrift des verstorbenen Johann F* trägt, zumal daraus bei der gegebenen Beweissituation dem Beschwerdevorbringen zuwider für die Verantwortung der Angeklagten nichts zu gewinnen ist. Insbesondere könnte daraus nicht erschlossen werden, daß F* der Angeklagten "die Beilage ./1 zu treuen Handen übergeben hat" (S 584).

Die Mängelrüge (Z 5) versagt, weil sie sich ausschließlich gegen nicht entscheidungwesentliche Urteilsfeststellungen wendet. Denn zum einen ist unerheblich, ob die Angeklagte jene vier Sparbücher, auf die sie das Realisat von 831.487,82 S aus dem von ihr am 26.Juli 1990 beim Postamt St* eröffneten anonymen Sparbuch aufgeteilt hatte, vernichtet oder versteckt hat (S 541). Zum anderen ist der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu entnehmen, worin die behauptete "Aktenwidrigkeit" (ersichtlich gemeint: unzureichende Begründung) in Ansehung der ‑ für den Schuldspruch völlig bedeutungslosen ‑ Urteilskonstatierung liegen soll, wonach bei der Angeklagten weitere Sparbücher sichergestellt werden konnten, bei denen "ein verläßlicher Bezug auf die drei Sparbücher des Johann F* zwar nicht 100 %‑ig festgestellt, aber auch nicht ausgeschlossen werden konnte" (S 543). Gleiches gilt für die vom Schöffensenat im Rahmen der Beweiswürdigung bloß aufgezeigte Möglichkeit der Angeklagten, "zur Beilage ./1 zu kommen und diese unredlich an sich zu nehmen" (S 567; vgl die diesbezügliche Urteilsfeststellung S 531).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) der Beschwerdeführerin erschöpft sich in der Wiederholung ihrer die subjektive Tatseite in Abrede stellenden Verantwortung, ohne daß dabei auf aktenkundige Umstände hingewiesen würde, die unter Berücksichtigung der gesamten Beweiswürdigung des Schöffensenates den getroffenen Feststellungen entgegenstünden. Durch den bloßen Hinweis auf ihre leugnende, vom Erstgericht in ausführlich dargelegter, denkrichtiger und lebensnaher Argumentation widerlegte Verantwortung wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, sondern lediglich in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.

Mit ihrer Rechtsrüge (Z 9 lit a) stellt die Beschwerdeführerin nicht auf den Urteilsinhalt ab. Denn zum einen setzt sie sich über die Urteilsfeststellungen hinweg, wonach sie Angestellte des Postamtes St* und der Raiffeisenbank W* "bewußt" und "in Bereicherungsabsicht" (gemeint ersichtlich: mit Bereicherungsvorsatz) täuschte und zur ‑ die Verlassenschaft bzw die Erben schädigenden ‑ Auszahlung der Sparguthaben verleitete (Urteilsspruch; S 533, 575; 577), sohin mit Täuschungs‑, Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz gehandelt hat, womit der behauptete Feststellungsmangel demnach nicht vorliegt.

Zum anderen aber übergeht sie jene Konstatierungen, wonach sie die Angestellten des Postamtes St* (insbesondere den Zeugen K*) und der Raiffeisenbank W* über ihre formelle Legitimation hinaus durch die Vorlage der ‑ widerrechtlich erlangten ‑ Sparbücher und durch Angabe der ‑ aus der eigenmächtig an sich gebrachten sogenannten Beilage ./1 bekannten ‑ Losungsworte ihre (materielle) Verfügungsberechtigung über die Sparurkunden und damit über die Spareinlagen vortäuschte und solcherart, nämlich durch Verschweigen dieser Umstände, "listiger Weise" (S 575, 577) die Auszahlung bewirkte.

Soweit die Angeklagte in der Rechtsrüge die Auffassung vertritt, es fehle angesichts ihrer formellen Legitimation an einer für die Vermögensschädigung kausalen Täuschung der Zeugen P* und K*, verkennt sie, daß der Gewahrsam an einem vinkulierten Sparbuch und die Kenntnis des Losungswortes dem Erwerb der Verfügungsberechtigung über eine Spareinlage nicht gleichzusetzen ist. Vielmehr ergibt sich (entgegen den insoweit unzutreffenden rechtlichen Ausführungen des Zeugen P* S 67) aus der Bestimmung des § 18 KWG, daß die Bank auch einem durch Vorlage des Sparbuches und Angabe des Losungswortes dem äußeren Anschein nach legitimierten Abheber bei Bedenken gegen dessen materielle Berechtigung die Auszahlung veweigern kann und in Kenntnis der mangelnden Verfügungsberechtigung auch verweigern muß (§ 1295 Abs 2 ABGB; vgl Fremuth‑Laurer‑Pötzlberger‑Ruess, KWG2 Rz 10 zu § 18 KWG). Wer daher ein vinkuliertes Sparbuch unter Angabe des Losungswortes vorlegt, um von einem Sparkonto abzuheben, weist damit nicht nur seine formelle Legitimation nach; dieses Verhalten schließt auch die stillschweigende Behauptung ein, zur Verfügung über die Spareinlage (materiell) berechtigt zu sein (EvBl 1982/134). Die Angeklagte hat daher fallbezogen durch Ausnützung ihrer formellen Legitimation konkludent ihre ‑ tatsächlich nicht gegebene ‑ Verfügungsberechtigung über das Sparguthaben vorgetäuscht und solcherart die für die Auszahlung der Spareinlagen Verantwortlichen in einen Irrtum geführt, der für deren den Nachlaß nach Johann F* am Vermögen schädigende Handlung, nämlich die Auszahlung des Sparguthabens an die nichtberechtigte Angeklagte, ursächlich war, zumal Johann P* und Raimund K* in Kenntnis des wahren Sachverhaltes jedenfalls nicht mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber dem Nachlaß nach Johann F* an die Angeklagte hätten auszahlen können.

Dem Erstgericht ist sohin ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Die zur Gänze unbegründete, teils auch nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagte nach § 147 Abs 3 StGB eine gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Dabei wertete es die vierfache Überschreitung der Qualifikationsgrenze als erschwerend, als mildernd hingegen die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten und die Sicherstellung eines nicht unerheblichen Teiles des Sparguthabens.

Der gegen diesen Strafausspruch erhobenen Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Reduzierung des Strafmaßes anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Die in Betracht kommenden Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht vollständig erfaßt und zutreffend gewürdigt. Zusätzliche Milderungsgründe vermochte die Angeklagte, die sich mit ihrem Berufungsvorbringen, sie habe sich für die rechtmäßige Besitzerin der Sparbücher gehalten, in klaren Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen setzt, nicht ins Treffen zu führen. Daß aber die Untersuchungshaft gegen die Anwendung gelinderer Mittel aufgehoben wurde, hat auf die Höhe der Strafe, der in der Berufung vertretenen Auffassung zuwider, keinen wie immer gearteten Einfluß.

 

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte