OGH 15Os134/93

OGH15Os134/9314.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wieland Holger V***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 2.Juli 1993, GZ 39 Vr 2197/92-79, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr.Reuterer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wegen Strafe wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung gegen den Ausspruch der Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung von 10.000 S an den Privatbeteiligten Walter Hö***** wird Folge gegeben, dieser Ausspruch aufgehoben und der Genannte gemäß § 366 Abs. 2 StPO mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil, das auch unangefochten gebliebene Freisprüche enthält, wurde Wieland Holger V***** (I) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB und (II) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu I) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig nachangeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorspiegelung seiner Zahlungswilligkeit und -fähigkeit, zu vermögensschädigenden Handlungen verleitet, wobei der Schade insgesamt 25.000 S, nicht aber 500.000 S überstiegen hat, und zwar

1. am 28.August 1991 in Imst Verantwortliche der Sparkasse I***** zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 75.000 S,

2. im Juni 1991 in Sölden Elisabeth Kö***** zur Tätigkeit als Fotomodell, wobei er das vereinbarte Entgelt in Höhe von 3.000 S schuldig blieb,

3. im Juni 1991 in Sölden Caroline G***** zur Tätigkeit als Fotomodell, eobei er das vereinbarte Entgelt in Höhe von 1.500 S schuldig blieb,

4. in der Zeit von September bis Dezember 1991 in Umhausen Verantwortliche des KFZ-Fachbetriebes "Bernhard Fr*****" zur Durchführung von PKW-Reparaturen im Werte von 5.948,40 S,

5. in der Zeit von Jänner bis April 1992 in Sölden in mehrfachen Angriffen Verantwortliche der Firma Ar*****-Tankstelle und KFZ-Werkstätte zur Durchführung von PKW-Reparaturen im Gesamtwert von 27.348,40 S,

6. im Juli 1992 in Innsbruck Verantwortliche der Pension "H*****" zur Gewährung von Unterkunft und Verpflegung im Gesamtwert von 3.106 S,

7. im Juli 1992 in Innsbruck Verantwortliche des "Au*****" zur Gewährung von Unterkunft und Verpflegung im Werte von 4.478 S,

8. in der Zeit von 17. bis 19.Mai 1991 in Zürich Melanie Ko***** zur Tätigkeit als Fotomodell, wobei er das vereinbarte Entgelt in Höhe von 4.500 S schuldig blieb;

(zu II) ihm anvertraute Güter in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. seit Oktober 1987 in Sölden Gegenstände in unerhobenem, jedoch 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich eine Blitzanlage, ein Blitzgerät Marke Metz, ein Diktiergerät der Marke Philips, ein Stativ und Modeschmuck des Josef Fi*****, indem er diese Gegenstände nicht zurückgab und für sich behielt;

2. im Jahr 1991 in Sölden eine Plattenkamera der Marke Linhof in unerhobenem, 25.000 S nicht übersteigendem Wert des Christian Fi*****, indem er diese Kamera nicht zurückgab und für sich behielt;

3. im November 1991 in Innsbruck eine Studioblitzanlage der Marke "Courtney Solarflesh" der Firma O*****-Foto im Wert von 10.000 S, indem er diese Ausrüstung nicht zurückgab und für sich behielt.

Soweit aus der eben wiedergegebenen Textierung der Schuldspruchfakten II im erstgerichtlichen Urteil darauf geschlossen werden könnte, das Erstgericht sei an der Bestimmung des § 29 StGB vorbeigegangen, kann es damit sein Bewenden haben, weil der Angeklagte dadurch nur begünstigt worden sein konnte.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den schuldigsprechenden Teil des Urteils erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. a - der Sache nach allerdings auch auf Z 10 - StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

In der Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der zur Urteilsfällung führenden Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines "Sachbefundes" zum Nachweis dafür, daß bei ordnungsgemäßer Abrechnung des L*****-Magazins unter Berücksichtigung des mit dem Finanzier Josef Fi***** vereinbarten Gewinnaufteilungsschlüssels von 1 : 1 sämtliche unter Anklage gestellten Beträge leicht hätten abgedeckt werden können (S 39/II).

Dieser Antrag wurde vom Schöffengericht mit der im Urteil nachgetragenen (allerdings auf Hypothesen gestützten) Begründung abgewiesen, daß durch die beantragte Beweisführung für den Angeklagten nichts zu gewinnen wäre (US 16).

Die behauptete Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten liegt indes nicht vor, weil dem Angeklagten Betrug auch und vor allem durch Vortäuschung seiner Zahlungswilligkeit und nicht bloß der Zahlungsfähigkeit zur Last liegt. Aus diesem Grunde ist der durch den Beweisantrag angestrebte Nachweis seiner Zahlungsfähigkeit ungeeignet, auf die Entscheidung der Strafsache irgendeinen Einfluß zu üben, zumal das Schöffengericht ohnedies beschwerdekonform davon ausgeht, daß der Angeklagte während des Deliktszeitraumes von Juni 1991 bis Juli 1992 immer wieder über Bargeld verfügte, das er - gegen Beleg - der Geschäftskassa des Josef Fi***** entnahm (US 8), und daher den Schuldspruch wegen Betruges insbesondere auf das Vortäuschen seiner Zahlungswilligkeit stützt (US 10 bis 13).

Das Vorbringen in der ineinander verflochtenen Mängel- und Tatsachenrüge (Z 5 und 5 a) hinwieder erschöpft sich in einer im schöffengerichtlichen Verfahren (nach wie vor) unzulässigen Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung.

Das Erstgericht billigte den Zeugen Josef Fi*****, Meinhard R*****, Walter Hö*****, Elisabeth Kö*****, Caroline G***** und Melanie Ko***** mit mängelfreier Begründung Glaubwürdigkeit zu und hielt damit die leugnende Verantwortung des Angeklagten für widerlegt; auch mit Widersprüchen in der Aussage des Zeugen Christian Fi***** beschäftigte es sich und legte dar, warum es dennoch seiner Aussage, dem Angeklagten die Linhof-Kamera nicht geschenkt zu haben, folgte. Es kam damit seiner formalen Begründungspflicht voll nach. Durch die bloße Wiederholung seiner vom Erstgericht mit ausführlich dargelegter Begründung (US 15 ff) als widerlegt erachteten Verantwortung zeigt der Beschwerdeführer weder einen formellen Begründungsmangel auf noch werden aktenkundige Beweisergebnisse dargetan, die allenfalls den Urteilsfeststellungen entgegenstünden. Der behauptete Widerspruch in den Aussagen des Zeugen Josef Fi***** in der Hauptverhandlung einerseits und vor dem Untersuchungsrichter andrerseits liegt nicht vor; ergibt sich doch aus dem Zusammenhang der Aussage, daß der Zeuge auch vor dem Untersuchungsrichter nichts anderes zum Ausdruck gebracht hatte, als daß er für die Spesen der Models und für die Filme nur im Rahmen der Zusammenarbeit für das L*****-Magazin aufzukommen hatte (S 230/I).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) wird, soweit neuerlich die Aussage des Zeugen Josef Fi***** zu erschüttern getrachtet und behauptet wird, das Erstgericht habe "in rechtlicher Hinsicht" die Gesamtsituation "weitestgehend verkannt", weil alle dem Angeklagten als Betrug angelasteten Handlungen "in direktem Zusammenhang mit dem L*****-Magazin stehen", zu dessen Finanzierung sich der Zeuge Josef Fi***** verpflichtet habe, nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie nicht - wie es zur Darstellung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre - vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Zudem räumt der Angeklagte im Zuge dieser Ausführungen ausdrücklich ein, er hätte auch jene Beträge, die ihm unter Punkt I des Schuldspruches als Betrug zugerechnet werden, von Fi***** erhalten können, wenn er es gewollt hätte, womit er selbst zu erkennen gibt, daß es ihm an der - von ihm daher nur vorgetäuschten - Zahlungswilligkeit gefehlt hat.

Verfehlt ist seine Rechtsansicht, nach den Feststellungen des Erstgerichtes zu den Punkten I 2, 3 und 8 des Schuldspruches liege ein Mangel am objektiven Tatbestand des Betruges vor, weil Elisabeth Kö*****, Caroline G***** und Melanie Ko***** durch ihre Tätigkeit als Fotomodell keinen Verlust an Vermögenssubstanz erlitten hätten, zumal ihnen durch ihre Tätigkeit für den Angeklagten keine anderen Aufträge entgangen wären und es überdies auch an einer Bereicherung auf seiner Seite fehle.

Der Beschwerdeführer verkennt, daß auch persönlichen Leistungen, die weder im Vermögen des Empfängers (als Aktivpost) noch in jenem des Erbringers (als Passivpost) sichtbar werden, wenn sie nach den Gepflogenheiten des Wirtschaftsverkehrs ein vermögenswertes Entgelt bedingen, als gleichsam versachlichtem Substrat der Arbeitskraft die Funktion eines hier vermögenserhöhenden und dort vermögensvermindernden Wirtschaftsgutes zukommt (SSt. 51/19; Leukauf-Steininger Komm3 § 146 Rz 39). Demgemäß kann nicht zweifelhaft sein, daß die genannten Personen durch das Verhalten des Angeklagten an ihrem Vermögen geschädigt wurden, zumal sie für die von ihnen im Rahmen eines Werksvertrages erbrachten Leistungen als Fotomodell kein Entgelt erhielten. Im gleichen Umfang war der Beschwerdeführer - seinem Vorbringen zuwider - aber auch bereichert, weil er sich die vertraglich bedungene Bezahlung der erbrachten Leistungen ersparte (Mayerhofer-Rieder StGB3 § 146 E 82; 11 Os 102/91 ua).

Soweit der Beschwerdeführer gegen die Feststellung gewerbsmäßigen Handelns einwendet, er habe sich durch die Aufnahme eines Kredites, die Erschleichung von Unterkunft und Quartier und zweier Autoreparaturen keine "wiederholte Einnahme" verschafft (womit er der Sache nach Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behauptet), übersieht er, daß sich eine fortlaufende Einnahme auch verschafft, wer sich (regelmäßig) die Bezahlung erbrachter Leistungen erspart und so wirtschaftliche Vorteile erreicht (11 Os 102/91).

Mit dem weiteren Einwand, aus den ihm vorgeworfenen Betrügereien sei Gewerbsmäßigkeit nicht "abzuleiten", stellt der Beschwerdeführer erneut nicht auf die Feststellungen des Erstgerichtes (US 14, 20) ab und bringt solcherart die Rüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 148 erster Strafsatz StGB zu 22 Monaten Freiheitsstrafe.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Wiederholung der Veruntreuungen und die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Der eine Herabsetzung des Strafmaßes und eine bedingte Strafnachsicht anstrebenden Strafberufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit er sich in der Berufung als "Geschädigter" bezeichnet, entfernt er sich unzulässigerweise vom Ausspruch über seine Schuld (§ 295 Abs. 1 StPO).

Ausgehend von den zutreffend festgestellten besonderen Strafzumessungsgründen und dem Strafrahmen des § 148 erster Strafsatz StGB, nämlich Freiheitsstrafe in einem Ausmaß von 6 Monaten bis zu 5 Jahren, hat das Erstgericht ein der personalen Täterschuld und dem Unwert der Taten entsprechendes Strafausmaß gefunden, das sich nicht als reduktionsbedürftig erweist.

Im Hinblick auf das einschlägig schwer getrübte Vorleben des Angeklagten und die Tatsache, daß er durch die bisher über ihn unbedingt verhängten Freiheitsstrafen nicht dazu angehalten werden konnte, sich rechtstreu zu verhalten, womit es an einer günstigen Zukunftsprognose fehlt, wurde aber auch zu Recht weder von § 43 Abs. 1 StGB noch von § 43 a Abs. 3 StGB Gebrauch gemacht, weshalb der Berufung wegen Strafe ein Erfolg gänzlich zu versagen war.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten überdies gemäß § 369 StPO zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 10.000 S an den Privatbeteiligten Walter Hö*****.

Der dagegen auch "dem Grunde nach" erhobenen Berufung des Angeklagten kann im Ergebnis Berechtigung nicht abgesprochen werden.

In der vom Zeugen Hö***** erstatteten Anzeige (S 119/I) wird als Geschädigter "Fa.O*****-Foto, Kurt O*****" angegeben; der Zeuge erklärte hiebei auch "im Auftrag der Firma O*****" die Anzeige zu erstatten. Vor dem Untersuchungsrichter gab der Zeuge an, daß der Angeklagte die Studioblitzanlage "bei der Fa. O*****" gemietet hatte (S 237/I). In der Hauptverhandlung vom 17.Mai 1993 erklärte der Zeuge hingegen, daß er einen Schaden von 10.000 S erlitten habe, und schloß sich (mit dem Wert eines Neugerätes von ungefähr 15.000 S) als Privatbeteiligter dem Verfahren an (S 373/I).

Im Tenor des erstgerichtlichen Urteils wird die Firma O*****-Foto als Geschädigte genannt, aber auch in der Begründung des Adhäsionserkenntnisses wird auf einen "Privatbeteiligtenanspruch hinsichtlich der Firma O*****" abgestellt (US 25 f).

Da der Aktenlage nicht zu entnehmen ist, daß der Zeuge Hö***** Alleineigentümer der Firma O*****-Foto sei - die Zusatzbezeichnung "Kurt O*****" in der Anzeige spricht eher dagegen - und auch kein Forderungsübergang behauptet wird, mangelt es an einer schlüssigen Grundlage für die Annahme, daß dem Zeugen Hö***** ad personam ein Schadenersatzanspruch zustehe.

Das bekämpfte Adhäsionserkenntnis war somit aufzuheben und der Privatbeteiligte Hö***** mit seinem Anspruch auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

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