Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte hat der Klägerin binnen vierzehn Tagen die einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer mit 3.623,04 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 5.August 1992 anerkannte die Beklagte den Vorfall vom 20.Dezember 1991, der den Tod des bei ihr versicherten Ehemannes der Klägerin verursachte, nicht als Dienstunfall und sprach u.a. aus, daß ein Anspruch auf Witwenrente nicht gegeben sei. Der tödliche Verkehrsunfall habe sich nicht auf dem direkten Weg von der Dienststätte zur Wohnung und auch nicht auf einem im Rahmen einer Fahrgemeinschaft von Dienststättenangehörigen zurückgelegten Weg von der Dienststätte ereignet.
Die auf eine Witwenrente im gesetzlichen Ausmaß ab 20.Dezember 1991 gerichtete Klage stützt sich darauf, daß sich der Unfall auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg von der Dienststätte zur Wohnung oder auf einem Weg im Rahmen einer Fahrgemeinschaft von Dienststättenangehörigen von der Dienststätte zur Wohnung ereignet habe.
Die Beklagte bestritt die Voraussetzungen eines Dienstunfalles und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Am 20.Dezember 1991 brachte der Ehemann der Klägerin (- ein der *****kompanie des Heeres-*****-Bataillons in der Melker *****kaserne angehörender Vizeleutnant -) nach Dienstschluß um etwa 14.15 Uhr zunächst einen Kollegen, dessen PKW defekt war, zu dessen Wohnung in Spitz an der Donau. Dabei fuhr er (mit seinem privaten PKW) von Melk über die Donaubrücke und auf (der auf) dem nördlichen Donauufer (gelegenen Bundesstraße 3) nach dem von Melk etwa 16 km entfernten Spitz, ließ dort seinen Kollegen aussteigen und fuhr auf der selben Strecke zur Melker Donaubrücke zurück, in deren Nähe er im Ortsgebiet von Emmersdorf (von der Fahrbahn abkam und) tödlich verunglückte. (Er wollte offensichtlich über die genannte Donaubrücke in seine Wohnung nach Loosdorf fahren.) Die kürzeste Fahrstrecke zwischen der *****kaserne in Melk und Loosdorf beträgt knapp 10 km. Die am Unfallstag zurückgelegte Strecke zwischen dieser Kaserne und dem Unfallsort betrug rund 32 km.
Nach Ansicht des Erstgerichtes stünden zwar im Rahmen einer Fahrgemeinschaft auch die erforderlichen Umwege unter Unfallversicherungsschutz. Von einer Fahrgemeinschaft könne aber nur gesprochen werden, wenn zum Großteil ein gemeinsamer Weg zurückgelegt werde. Im vorliegenden Fall sei die Wegstrecke bis zum Unfall etwa viermal so groß gewesen wie der kürzeste Weg von der Dienststätte zur Wohnung des Versicherten. Diese Risikoverschiebung sei der Versichertengemeinschaft nicht mehr zumutbar, weshalb auch im Rahmen einer Fahrgemeinschaft nicht mehr von einem geschützten Dienstweg gesprochen werden könne. Überdies habe sich der Unfall auf dem Rückweg von Spitz nach Melk und daher nicht in einer vorwärtsstrebenden Richtung vom Dienstort zum ständigen Aufenthaltsort ereignet.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin (teilweise) Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren ab dem 1.Jänner 1992 als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte und der Beklagten eine vorläufige Zahlung von 1.000 S monatlich auftrug. Das Mehrbegehren auf eine Witwenrente schon ab 20.Dezember 1991 wies es hingegen ab.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes habe sich der tödliche Unfall auf einem im Rahmen einer ausnahmsweisen Fahrgemeinschaft von Dienststättenangehörigen zurückgelegten Weg von der Dienststätte ereignet und sei daher ein Dienstunfall iS des § 90 Abs 1 Z 8 B-KUVG. Im Rahmen einer solchen Fahrgemeinschaft bleibe der Versicherungsschutz erhalten, wenn der Versicherte vom Weg zur oder von der Dienststätte abweiche, um einen Dienststättenangehörigen oder Versicherten mitzunehmen. Für die Meinung des Erstgerichtes, von einer Fahrgemeinschaft könne nur gesprochen werden, falls ein Großteil des Weges gemeinsam zurückgelegt werde, biete das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Dem Gesetz sei keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Länge des mit der Heimbringung des Arbeitskollegen verbundenen Weges zu entnehmen. Daher komme es auf das Verhältnis zwischen dem normalen Arbeitsweg und dem mit der Mitnahme eines Arbeitskollegen verbundenen Weg nicht an. Der Versicherungsschutz sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich der Unfall nicht in einer sinngemäß vorwärts strebenden Richtung vom Dienstort zum ständigen Aufenthaltsort ereignet habe. Die festgestellte Route sei nämlich die verkehrsgünstigste Variante gewesen.
Die Klägerin ließ den bestätigenden Teil des Berufungsurteils unbekämpft.
Trotz der Erklärung, daß das Berufungsurteil im vollen Umfang angefochten werde, kann sich die Revision der Beklagten, in der der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zwar nicht benannt, aber ausgeführt wird, nur gegen den die Revisionswerberin beschwerenden abändernden Teil dieses Urteils richten. In diese Richtung zielt auch der Revisionsantrag, das Berufungsurteil iS einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach § 90 Abs 2 Z 8 B-KUVG sind Dienstunfälle auch Unfälle, die sich auf einem Weg zur oder von der Dienststätte ereignen, der im Rahmen einer Fahrgemeinschaft von Dienststättenangehörigen oder Versicherten zurückgelegt worden ist, die sich auf einem in der Z 1 genannten Weg befinden, also auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg zur oder von der Dienststätte.
Diese Bestimmung wurde durch die 6. B-KUVGNov BGBl 1976/707 eingefügt und entspricht dem gleichzeitig durch die 32. ASVGNov BGBl 1976/704 eingefügten § 175 Abs 2 Z 9 ASVG.
Zur letztgenannten Gesetzesstelle führte der Oberste Gerichtshof in der E SSV-NF 2/18 aus, daß sich weder aus dem Text des Gesetzes noch aus den Gesetzesmaterialien (181 BlgNR 14. GP, 70 f) ein Anhaltspunkt für die Auslegung des Begriffes der Fahrgemeinschaft gewinnen lasse. Eine solche liege vor, wenn der Versicherte mit anderen berufstätigen oder versicherten Personen ein Fahrzeug auf dem Weg zur oder vom Ort der Tätigkeit benütze. Auch wenn der Versicherte wegen dieser Fahrgemeinschaft vom unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweiche, solle dies keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes bewirken. Selbst wenn bei Einführung dieser Bestimmung der Gedanke einer ständig eingerichteten Fahrgemeinschaft im Vordergrund gestanden sein sollte, lasse sich eine derartige Einschränkung dem Gesetz nicht entnehmen, dessen Wortlaut den Versicherungsschutz für eine ad hoc gegründete Fahrgemeinschaft nicht ausschließe. Auch eine solche Fahrgemeinschaft begründe den Versicherungsschutz für den mit dem Transport der mitfahrenden Personen verbundenen Umweg. Müller, Judikaturtendenzen im Unfallversicherungsrecht, ZAS 1989, 145 (152), führt dazu aus, diese E gehe von jenem Bild der Fahrgemeinschaft aus, wie es in der Realität tatsächlich am häufigsten vorkomme und daher den wohlverstandenen Absichten des Gesetzgebers am ehesten entsprechen dürfte.
Der zit E ähnliche Rechtsansichten wurden bereits vom Oberlandesgericht Wien als damals letzter Instanz in Leistungsstreitsachen in seiner E 12. Dezember 1980 SSV 20/131 unter Hinweis auf Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung, 39 und SV-System (damals) 270 und 289 vertreten.
In der aktuellen 5. Lfg. dieses Systems führt Tomandl unter Bezugnahme auf die zit Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien und des Obersten Gerichtshofes aus, daß mehrere Betriebsangehörige oder Versicherte, die sich zusammenschließen, um den Arbeitsweg gemeinsam mit einem einzigen Fahrzeug zurückzulegen (Fahrgemeinschaft), nach § 175 Abs 2 Z 9 ASVG auch auf den durch den unterschiedlichen Wohn- und Arbeitsort der Teilnehmer der Fahrgemeinschaft erforderlichen Umwegen geschützt seien (293, 316). Auch im Grundriß des österreichischen Sozialrechts4, 109 lehrt Tomandl, daß Abweichungen vom Arbeitsweg, die sich lediglich deshalb ergeben, weil sich mehrere Betriebsangehörige oder Versicherte zu einer Fahrgemeinschaft zusammenschließen, gemäß § 175 Abs 2 Z 9 ASVG unter Versicherungsschutz stehen. Nach Grillberger, Österreichisches Sozialrecht, 47 wurde die genannte Regelung nötig, um die bei Fahrgemeinschaften entstehenden Umwege abzusichern.
Auch nach der deutschen Rechtslage (§ 550 Abs 2 Nr 2 RVO) ist die Versicherung nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweicht, weil er mit anderen berufstätigen oder versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit benützt. Nach Brackmann, Handbuch der SV II 72. Nachtrag 486t ist der Versicherungsschutz nach dem klaren Wortlaut, aber auch nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes, der nicht nur auf Benzinersparnis gerichtet sei, nicht ausgeschlossen, wenn das Abweichen von dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit dazu diene, ausnahmsweise einen Versicherten oder Berufstätigen mitzunehmen, weil zB dessen Fahrzeug defekt ist. Das Abweichen iS des § 550 Abs 2 Nr 2 RVO umfasse sowohl den Umweg als auch die Unterbrechung des unmittelbaren Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit. Am aaO 486u lehnt Brackmann mwN die Meinung Podzuns, Der Unfallsachbearbeiter3 Kz 095 S 11, 13 ab, der Versicherungsschutz bleibe nicht erhalten, wenn der zwecks Mitnahme eines anderen Versicherten oder Berufstätigen unternommene Abweg gegenüber dem eigenen Arbeitsweg in keinem vernünftigen Verhältnis stehe. Eine solche Einschränkung sei der zit Gesetzesstelle nicht zu entnehmen. Das zeige insbesondere ein Vergleich mit § 31 Abs 2 S 1 Nr 1 BeamtenversorgungsG und § 27 Abs 3 S 1 Nr 1 SoldatenversorgungsG, die zunächst eine § 550 Abs 2 Nr 2 RVO entsprechende Regelung enthielten, die dann dahin eingeschränkt wurde, daß nur ein Abweichen "in vertretbarem Umfang" den Schutz bei Unfällen sichert. Eine entsprechende Änderung der genannten Bestimmung der RVO sei jedoch unterblieben, deren Sinn und Zweck die Einschränkung Podzuns nicht rechtfertigten (so zB auch BSG 28. Juli 1982 Bd 54 S 46, 48 und SozR 2200 § 550 Nr 56). Das Abweichen vom Weg nach oder von dem Ort der eigenen Tätigkeit müsse dazu dienen, einen anderen Versicherten oder Berufstätigen abzuholen, um ihn zum Ort der Tätigkeit oder wenigstens auf einer Teilstrecke dorthin mitzunehmen.
Im vorliegenden Fall hatten sowohl der Ehemann der Klägerin als auch dessen Kollege ihre mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden, während der ersten Teilstrecke gleichen Wege von der gemeinsamen Dienststätte, der *****kaserne in Melk, zu ihren in Loosdorf bzw Spitz an der Donau gelegenen Wohnorten im privaten PKW des Ehemannes der Klägerin gemeinsam angetreten und bildeten daher für ihre Heimwege eine Fahrgemeinschaft. Richtig ist, daß die Fahrt von der Abzweigung zur Melker Donaubrücke und über die Bundesstraße 3 bis Spitz an der Donau und zurück nur für den dort wohnenden Teilnehmer an der Fahrgemeinschaft der direkte Heimweg war. Der in Loosdorf wohnende Ehemann der Klägerin wich hingegen bei dieser Abzweigung von seinem direkten Heimweg ab und hätte diesen erst nach seiner durch den tödlichen Unfall verhinderten Rückkehr zu dieser Abzweigung fortgesetzt. Weil der Ehemann der Klägerin jedoch die Fahrt nach Spitz an der Donau im Rahmen einer Fahrgemeinschaft mit seinem dort wohnenden Kollegen zurücklegte, befand er sich auch auf diesem Teil der Fahrt noch immer auf dem nach § 90 Abs 2 Z 8 B-KUVG versicherten Weg von der Dienststätte in Melk zur Wohnung in Loosdorf. Bei einer Fahrgemeinschaft iS dieser Gesetzesstelle erstreckt sich der Unfallversicherungsschutz nämlich nicht nur auf den direkten Weg zur oder von der Dienststätte, sondern auch auf die zur Abholung bzw. Bringung aller Mitglieder der Fahrgemeinschaft erforderlichen Fahrten, mögen diese auch teilweise nicht in die Richtung des Ausgangs- bzw. Endpunktes des direkten Dienstweges des Verunglückten führen.
Ob dies - wie Podzun aaO für die deutsche Rechtslage meint - dann anders ist, wenn die durch die Mitnahme anderer Personen verursachten Wege unverhältnismäßig länger sind als der direkte Weg des Verunglückten, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil unter den festgestellten Umständen ein unvernünftiges Mißverhältnis zu verneinen ist. Der Ehemann der Klägerin verfolgte mit der Fahrt die Absicht, sowohl selbst von der Dienststätte in seine Wohnung zurückzukehren als auch seinen Kollegen von der Dienststätte nach Hause zu bringen. Beide bildeten die Fahrgemeinschaft aus einleuchtenden Gründen. Davon, daß sich der Unfall auf einem Wegstück ereignet hätte, das in keinem Zusammenhang mit dem versicherten Dienstverhältnis gestanden wäre, kann daher keine Rede sein. Die Ausführungen in der Revision, daß sich die (direkten) Heimwege des Ehemannes der Klägerin und seines Kollegen überhaupt nicht überschnitten hätten, sind unrichtig. Sie übersehen das gemeinsame erste Wegstück von der *****kaserne bis zur Abzweigung der über die Melker Donaubrücke zur Bundesstraße 3 führenden Straße von der nach Loosdorf führenden Bundesstraße 1.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.
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