OGH 15Os130/93

OGH15Os130/9314.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Luka R***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17.März 1993, GZ 20 z Vr 136/92-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten und des Verteidigers Mag.Martin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabgesetzt wird.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Luka R***** auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen (A) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB und (B) des (damit in echter Konkurrenz verwirklichten - vgl. Leukauf-Steininger Komm3 § 278 RN 10; Steininger im WKzStGB § 278 Rz 15) Vergehens der Bandenbildung nach § 278 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Zeit von Juli 1991 bis September 1991 in Wien

(zu A) als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer (achtzehn namentlich genannter) Bandenmitglieder - insgesamt - fünf unbekannt gebliebene Personen fremde bewegliche Sachen, nämlich "einen kleinen Geldbetrag oder Zigaretten", mit Gewalt und/oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dadurch mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, daß einer der Beteiligten das (jeweilige) Opfer zur Herausgabe der Sachen aufforderte, während die übrigen (Bandenmitglieder) dieses "drohend umringten, bei Verweigerung der Herausgabe einer (der Täter) die Aufforderung unter Androhung von Schlägen wiederholte und bei nochmaliger Weigerung die Täter auf diese Person mit Fäusten einschlugen und mit Füßen eintraten";

(zu B) sich mit mehreren (einundzwanzig namentlich genannten) Personen durch die Vereinbarung, künftig gemeinsam Raubüberfälle (§ 142 StGB) verüben zu wollen, mit dem Vorsatz verbunden, daß von mehreren Mitgliedern dieser Verbindung (fortgesetzt) solche Raubüberfälle (§ 12 StGB) ausgeführt werden.

Die Geschworenen bejahten die - anklagekonform gestellten - Hauptfragen (I-V) nach schwerem Raub gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB (die zweckmäßigerweise - § 317 Abs. 2 StPO - in bezug auf jedes der fünf Opfer getrennt formuliert worden waren) und (VI) nach Bandenbildung gemäß § 278 Abs. 1 StGB - unter Vornahme zulässiger (§ 330 Abs. 2 StPO) Einschränkungen hinsichtlich des Deliktszeitraumes und des Kreises der am jeweiligen Raub mitwirkenden Beteiligten - jeweils stimmeneinhellig. Die zu den Hauptfragen I-V vorgelegten Eventualfragen nach Raubversuch blieben folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil erhobenen, allein auf § 345 Abs. 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit sich der Nichtigkeitswerber unter Bezugnahme auf - allerdings aus dem Zusammenhang genommene - Passagen seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung, wonach er auf der "Suche nach Freunden" oder "um Spaß zu haben", somit ohne einen auf die fortgesetzte Begehung von Raubüberfällen gerichteten Vorsatz erst im August 1991 zu der (damals schon bestehenden) Bande der sogenannten "Bloods" gestoßen sei, der Sache nach gegen die (in die jeweiligen Hauptfragen aufgenommene) Bandenzugehörigkeit wendet, zeigt er weder bezüglich des Schuldspruches laut Punkt A noch hinsichtlich jenes laut Punkt B eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (im Sinne der §§ 312 ff StPO) auf:

Denn in Ansehung des zu den Fakten A (Verbrechen des schweren Raubes) erfragten Sachverhaltes (Hauptfrage I bis V) war es den Geschworenen unbenommen, die Fragen bei Annahme eines (gegenüber dem in der Hauptfrage enthaltenen) reduzierten Tatsachensubstrates bloß teilweise (im Wege der Beschränkung durch Ausklammerung der Merkmale der bandenmäßigen Begehung) zu bejahen (§ 330 Abs. 2 StPO) und solcherart die Deliktsqualifikation schweren Raubes (§ 143 erster Fall StGB) auszuschalten (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 § 330 E 2 ff). Hierüber waren die Laienrichter (die von dieser Möglichkeit in bezug auf andere Tatmodalitäten - wie erwähnt - bei beiden Faktenkomplexen auch tatsächlich Gebrauch gemacht haben) mehrfach, nämlich in der allgemeinen Rechtsbelehrung, in den Erläuterungen zur Antwortrubrik und in der besonderen Rechtsbelehrung hingewiesen worden (siehe die Beilagen B, C und D zu ON 54/V).

Der Inhalt der Hauptfrage VI (nach Bandenbildung - Schuldspruch B) hinwieder mußte gemäß der Vorschrift des § 312 Abs. 1 StPO in Ansehung sämtlicher gesetzlicher Tatbestandsmerkmale (wozu hier der verpönte Zweck der Verbindung, nämlich die fortgesetzte Ausführung von Raubüberfällen, zählt) - und zwar ungeachtet allfälliger anderer Verfahrensergebnisse - der Anklage entsprechen (vgl. Mayerhofer-Rieder aaO § 312 E 1 ff).

Da eine Mitwirkung an der Gründung der Bande weder für den Tatbestand der Bandenbildung noch für die Qualifikation des Bandenraubes erforderlich ist, vielmehr - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - der spätere Anschluß an die (schon gebildete) Verbindung genügt (Leukauf-Steininger Komm3 § 278 RN 2; Steininger im WKzStGB § 278 Rz 11), betrifft das darauf abstellende Vorbringen überdies einen rechtlich unerheblichen Aspekt. Zudem ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung hinlängliche Indizien dafür, daß sein Beitritt zu der in Rede stehenden Bande (schon) im Juli 1991 erfolgte (S 125,129/V), was die Geschworenen ersichtlich anläßlich ihrer - ohnedies vorgenommenen - Einschränkung bezüglich der Tatzeit beachteten (S 1 der Beilage C zum Hauptverhandlungsprotokoll).

Entgegen den Beschwerdeausführungen wurden in der Hauptverhandlung aber auch sonst keine Tatsachen vorgebracht, die eine Eventualfrage nach Nötigung (§ 105 StGB) erforderlich gemacht hätten: War doch insbesondere der Verantwortung des Angeklagten, der zu Beginn der Hauptverhandlung in bezug auf die Anklagepunkte ein uneingeschränktes (und demnach auch die inneren Tatbestandserfordernisse erfassendes) Geständnis ablegte (S 123/V), kein Hinweis dafür zu entnehmen, daß ihm bei seiner (unbestrittenen) Mitwirkung an den gegenständlichen Raubtaten der Bereicherungsvorsatz gefehlt hätte. Er bekundete vielmehr, daß anläßlich der unter seiner Beteiligung verübten strafbaren Handlungen geringe Bargeldbeträge und Zigaretten erbeutet wurden, wobei letztere an die "Raucher" (unter den Bandenmitgliedern) zur Verteilung gelangten (insbesondere S 147 und 151/V) und daß erbeutetes Bargeld unter den Bandenmitgliedern geteilt wurde sowie daraus Getränke bezahlt wurden (S 151/V); diese Darstellung indiziert geradezu einen Bereicherungsvorsatz (vgl. Foregger-Serini-Kodek StGB5 § 127 Erl II; Leukauf-Steininger Komm3 § 127 RN 50).

Die Qualifikation des Bandenraubes (§ 143 erster Fall StGB) ist überdies keineswegs auf den unmittelbaren Täter beschränkt, sondern es haften darnach - jedenfalls unter der Voraussetzung der (hier unbestrittenen) gleichzeitigen Anwesenheit am Tatort zur Tatzeit und des (vom Angeklagten zumindest sinngemäß eingestandenen) Einverständnisse mit dem (bzw. den) unmittelbaren Täter(n) - auch solche Beteiligte für den gesamten Erfolg, die nur einen (geringen) physischen oder psychischen Tatbeitrag (im Sinne des dritten Falles des § 12 StGB) - am Tatort oder in dessen Nahbereich - geleistet haben (Leukauf-Steininger aaO § 143 RN 5; Foregger-Serini-Kodek aaO § 143 Erl II; Kienapfel BT II2 § 130 RN 28, § 143 RN 8).

Daher ist der Beschwerdeführer (als Bandenmitglied) gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB sowohl für den Teil der Raubbeute verantwortlich, den einer seiner Komplizen im Rahmen der bandenmäßigen Verbindung an sich genommen oder für sich behalten hat, als auch für jene (rechtlich gleichwertigen - Leukauf-Steininger aaO § 142 RN 9 a) Begehungshandlungen (Gewalt oder qualifizierte Drohung), die (bloß) von einem der Raubgenossen zum Einsatz gebracht wurde.

Aus dieser Sicht geben die abschließenden Hinweise des Beschwerdeführers auf jene Teile seiner Verantwortung, in welchen er seine "Beteiligung" an den gegenständlichen Taten durch Versetzen von "Ohrfeigen" oder durch (im übrigen keineswegs auf die in diesem Zusammenhang behauptete bloße "Präsenz" am Tatort beschränkte) Mitwirkung am "Umkreisen" (drohenden Umringen) der Opfer zugestanden hat (S 135 ff/V, 159/V), gleichfalls kein Indiz für die Stellung der vermißten Eventualfrage ab. Im Gegenteil, diese - auf persönliche Ausführungshandlungen bezogenen - Angaben sprechen (sogar) für eine unmittelbare (Mit-)Täterschaft des Angeklagten beim Raub. Denn das in der Beschwerde zugestandene drohende Umringen der Tatopfer genügt nach Lage des Falles dem strengen Anforderungsprofil des § 142 StGB (vgl. ähnlich Mayerhofer-Rieder StGB3 § 142 E 13; JUS 1985/7/15).

Aus den angeführten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs. 1, 143 erster Strafsatz StGB unter Anwendung des § 41 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Wiederholung der deliktischen Angriffe (beim Raub) und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd das reumütige, zur Aufklärung der Taten erheblich beitragende Geständnis des Angeklagten, seinen bisher ordentlichen Wandel und die Tatverübung vor Vollendung des 21.Lebensjahres.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht; dies mit der Begründung, es sei ihm weiters als mildernd zugute zu halten, daß er bei den ihm zur Last gelegten Taten lediglich als "Mitläufer" aufgetreten sei und nicht "aktiv" an deren Begehung mitgewirkt habe. Überdies wäre in Betracht zu ziehen, daß er sich nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft wohlverhalten habe, einer fixen Beschäftigung nachgehe und sozial integriert sei.

Soweit die Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebt, kommt ihr Berechtigung zu.

Zwar kann dem Angeklagten darin nicht gefolgt werden, daß er an einigen der ihm zur Last gelegten Taten lediglich in untergeordneter Weise beteiligt war, zumal er in der Hauptverhandlung vom 17.März 1993 den Tathergang selbst so schilderte, daß auch er Raubopfer tätlich attackierte bzw an deren drohender Umringung mitwirkte, um ihnen Angst einzuflößen und sie somit gefügiger zu machen.

Zugunsten des Angeklagten ist jedoch zu berücksichtigen, daß er sich inzwischen aus der Gesellschaft seiner Komplizen gelöst hat, und bemüht ist, sich sozial integriert zu verhalten. Weiters ist ihm zugute zu halten, daß sein reumütiges Geständnis auch wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug, weil er freiwillig die Begehung mehrerer Taten eingestand, obwohl es ihm ein leichtes gewesen wäre, diese zu verschweigen und diesbezüglich unentdeckt zu bleiben.

So gesehen erscheint daher trotz des erheblichen Handlungs- und Gesinnungsunwertes der Taten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren als etwas überhöht, weshalb mit einer (mäßigen) Herabsetzung der Strafe (auf 2 1/2 Jahre) vorzugehen war.

Dem Begehren des Angeklagten auf Gewährung der bedingten Nachsicht der Freiheitsstrafe kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Von der Möglichkeit der Verhängung teilbedingter Freiheitsstrafen auch bei einem Strafausmaß von mehr als zwei, aber nicht mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe kann gemäß § 43 a Abs. 4 StGB ausnahmsweise nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, daß sich der Rechtsbrecher zukünftig wohlverhalten werde (Leukauf-Steininger aaO § 43 a RN 16).

Wenn auch die die persönlichkeitsbezogene Schuld der Täter prägenden Milderungsgründe eindeutig die Erschwerungsgründe überwiegen, kann eine solche Zukunftsprognose einer hohen Wahrscheinlichkeit künftigen rechtstreuen Verhaltens nicht abgegeben werden. Dabei wird das Bemühen des Angeklagten, sich sozial zu integrieren, nicht übersehen, doch handelt es sich bei den ihm zur Last liegenden Verfehlungen um wiederholte Taten, die nicht etwa auf Konflikts- oder Krisensituationen zurückzuführen sind, was gegen eine solche Prognose spricht.

Überdies müssen in allen Fällen des § 43 a StGB in bezug auf den bedingt nachzusehenden Strafteil die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 StGB erfüllt sein, nämlich daß es unter anderem der Vollstreckung auch dieses Strafteils nicht bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Leukauf-Steininger aaO § 43 a RN 18). Im gegenständlichen Fall handelt es sich bei den begangenen Straftaten um solche, die dem Vorfeld einer "organisierten Kriminalität" zuzurechnen sind; auch im Hinblick darauf ist im konkreten Fall die Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe geboten.

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