Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im übrigen als unbekämpft unberührt bleiben, werden im Ausspruch über das Feststellungsbegehren wie folgt abgeändert:
"Es wird festgestellt, daß das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten über den 27.5.1991 hinaus aufrecht fortbesteht."
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin S 162.361,76 an Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (darin enthalten S 24.740,98 Umsatzsteuer und S 13.916 Barauslagen) und S 12.247,20 an Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.041,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war seit 14.1.1991 als Alleinköchin im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Der Anstellung ging ein Einstellungsgespräch voraus, bei dem die Vorstandsmitglieder der Beklagten, Peter Ü***** und Johann Sch*****, die Klägerin und der nunmehrige Ehegatte der Klägerin, Herbert D***** anwesend waren. Herbert D***** war seit 10.12.1990 als gastronomischer Leiter bei der Beklagten beschäftigt. Er führte das Einstellungsgespräch für die Klägerin, die sich am Gespräch nicht beteiligte, und schlug einen Lohn von S 19.000 netto vor. Die beiden Vorstandsmitglieder vereinbarten dann mit Herbert D***** für die Klägerin einen monatlichen Nettolohn von S 19.000.
Die Klägerin und Herbert D***** wohnten seinerzeit in P***** und fuhren gemeinsam mit dem PKW zur Arbeitsstätte. Herbert D***** trat stets im Namen der Klägerin auf. Er gab ihre Daten an den Steuerberater (der Beklagten) weiter, nahm ihre Lohnzettel entgegen (- was er allerdings auch für die anderen Mitarbeiter tat -), führte für die Klägerin Überstundenlisten oder verlangte für sie einen Krankenschein. Die Klägerin wußte von diesen Handlungsweisen des Herbert D*****, die sie nie als unerwünscht erklärte. Am 16.5.1991 überreichte Herbert D***** Johann Sch***** ein Kündigungsschreiben, in dem er sein Dienstverhältnis zum 30.6.1991 aufkündigte. Bei einem Gespräch über den Grund der Kündigung bot Johann Sch***** Herbert D***** an, er könne bis 30.6.1991 seinen Urlaub verbrauchen, was dieser ablehnte, weil er den Urlaub ausgezahlt haben wollte. Schließlich erklärte Herbert D*****, die Kündigung gelte auch für seine Lebensgefährtin, die nunmehrige Klägerin. Die Klägerin hatte Herbert D***** nie beauftragt, für sie eine Kündigung auszusprechen.
Im Betrieb war Mitte Mai die Lebensgemeinschaft und die bevorstehende Hochzeit D***** mit der Klägerin bekannt. Die Trauung der Klägerin mit Herbert D***** war für den 24. und 25.5.1991 (kirchliche Trauung) festgesetzt. Von einer beabsichtigten Hochzeitsreise war allgemein die Rede, doch ist nicht feststellbar, ob zwischen Herbert D***** und Johann Sch***** eine Urlaubsvereinbarung für die Zeit vom 27.5. bis 17.6.1991 zustandegekommen ist. Keinesfalls hat die Klägerin mit Johann Sch***** eine Urlaubsvereinbarung getroffen. Herbert D***** verfaßte am 23.5.1991 folgendes Schreiben an Johann Sch*****:
"Ich ersuche Dich höflich, unseren Urlaub schriftlich zu bestätigen.
Herbert D***** 24.5. bis 17.6.1991
Mathilde B***** 24.5. bis 17.6.1991.
Genehmigt am 24.5.1991."
Johann Sch***** genehmigte den Urlaub nicht. Er nahm an, daß die Klägerin und *****rt Driendl nach den ihnen anläßlich der Hochzeit zustehenden freien Tagen am Dienstag (28.5.1991) wieder arbeiten würden. Die Klägerin erschien nicht zum Dienst. Die Ehegatten traten am 29.5.1991 ihre Hochzeitsreise an. Nach ihrer Rückkehr erfuhr die Klägerin, daß sie mit 27.5.1991 wegen unberechtigten vorzeitigen Austritts abgemeldet worden sei. Am 10.6.1991 teilte sie Johann Sch***** mit, daß sie diese Abmeldung nicht akzeptieren werde und am 18.6.1991 den Dienst wieder antreten werde.
Laut einer Krankmeldung war die Klägerin seit 11.6.1991 arbeitsunfähig. Eine Entlassung der Klägerin wurde nicht ausgesprochen. Bei einer ärztlichen Untersuchung am 14.6.1991 wurde festgestellt, daß die Klägerin schwanger ist. Als voraussichtlicher Geburtstermin wurde der 15.2.1992 errechnet. Bei einer Besprechung am 18.6.1991 teilte die Klägerin Johann Sch***** und Johann R***** ihre Schwangerschaft mit. Diese Mitteilung wiederholte sie mit Schreiben vom 21.6.1991 unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung und erklärte dabei, daß sie nach Ablauf ihres Krankenstandes arbeitsbereit sei. Mit Schreiben vom 18.6.1991 hatte Herbert D***** auch im Namen der Klägerin unter Austrittsandrohung eine Frist zur Bezahlung der Maigehälter 1991 gesetzt und am 19.5.1991 für sich und die Klägerin einen Gehaltsvorschuß entgegengenommen und quittiert.
Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Fortbestehens des Beschäftigungsverhältnisses über den 27.5.1991 hinaus. Ihre Entgeltansprüche sind infolge rechtskräftiger Entscheidung nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Beide Vorinstanzen wiesen das Feststellungsbegehren ab. Das Aushandeln des Arbeitsvertrages der Klägerin durch Herbert D***** sowie die unwidersprochene Duldung der Regelung sonstiger mit der Arbeitsleistung im Zusammenhang stehender rechtlicher Belange für die Klägerin durch Herbert D***** habe die Beklagte zur Annahme berechtigt, daß die Klägerin das Handeln des Herbert D***** dulde. Sie habe daher auch eine Bevollmächtigung zur Kündigung annehmen dürfen, ohne daß sich Zweifel ergaben, die eine Rückfragepflicht ausgelöst hätten. Das Dienstverhältnis habe daher durch (Arbeitnehmer-)Kündigung zum 30.6.1991 geendet.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Feststellungsbegehrens abzuändern.
Die Beklagte beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Unabhängig davon, ob man eine Vertretungsmacht schon wegen der Wirkung des äußeren Tatbestandes eintreten läßt oder man diesen Tatbestand als Kundgabe einer erfolgten Bevollmächtigung oder bestehenden Vertretungsmacht ansieht (Welser in JBl 1979, 1 f; VR 1991/255), müssen jedenfalls für die Annahme einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht Umstände vorhanden sein, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben zu erwecken, daß der Vertreter zum Abschluß des Geschäftes befugt sei. Das Vertrauen muß dabei seine Grundlage im Verhalten des Vertretenen haben, der diesen äußeren Tatbestand schuf und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht begründete (Koziol-Welser, Grundriß9 I 171; HS 14.780, 16.741; JBl 1986, 784 mwN; JBl 1991, 517; VR 1991/255; 6 Ob 509/90 ua).
Ein Dritter kann sich nur dann auf den äußeren Tatbestand berufen, wenn er bei Anwendung gehöriger Aufmerksamkeit davon ausgehen durfte, daß der vermeintliche Vertreter tatsächlich zum Abschluß des Geschäftes befugt war (JBl 1986, 447 mwN). Liegt ein nicht gesetzlich umschriebener Vollmachtsumfang vor, dann ist dieser nach den Regeln über die Auslegung einseitiger Rechtsgeschäfte zu ermitteln, wobei in Ermangelung einer ausdrücklichen Vollmachtserklärung zu prüfen ist, wie das als Bevollmächtigung aufgefaßte Verhalten nach der Übung des redlichen Verkehrs verstanden werden durfte (Strasser in Rummel I Rz 3 zu §§ 1027-1033). Der Bevollmächtigte ist grundsätzlich zu allen Handlungen ermächtigt, die nach dem Geschäftsgebrauch oder nach den Umständen des Falles, nach der Natur des Geschäftes in den Bereich des aufgetragenen Geschäftes fallen und die die Vornahme eines derartigen Geschäftes nach der Verkehrssitte gewöhnlich mit sich bringt (Koziol-Welser aaO 173; SZ 61/6; SZ 54/46; WoBl 1991/124 mwN).
Die Beklagte konnte daraus, daß Herbert D***** für die Klägerin die Verhandlungen beim Einstellungsgespräch führte und sie selbst anwesend war, aber beim Zustandekommen der Lohnvereinbarung untätig blieb, zwar den Schluß ziehen, sie habe ihren (nachmaligen) Ehegatten ermächtigt (Duldungsvollmacht), diese Gespräche zu führen und die Lohnvereinbarung abzuschließen (Koziol-Welser aaO 172); dieses Verhalten der Klägerin beim Vertragsabschluß konnte aber bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht die Überzeugung der Beklagten begründen, daß Herbert D***** auch zur Abgabe aller weiteren, den Arbeitsvertrag ändernden Erklärungen und insbesondere auch zur Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses ermächtigt sei. Die Befugnis, bei Abschluß eines Arbeitsvertrages für einen anderen Willenserklärungen über eine wesentliche Vertragsbestimmung abzugeben, geht ohne Hinzukommen weiterer Umstände über die Befugnis, nur dieses bestimmte Geschäft bzw. gleichartige Geschäfte abzuschließen, nicht hinaus. Sie berechtigte daher Herbert D***** nicht, Monate später Willenserklärungen über den Bestand des Arbeitsverhältnisses abzugeben.
Dies gilt erst recht für das von der Klägerin unwidersprochen hingenommene weitere Handeln des Herbert D*****, dessen enge Beziehungen zur Klägerin im Betrieb erst Mitte Mai bekannt wurden. Das Entgegennehmen der Lohnzettel der Klägerin, das Verlangen, für sie einen Krankenschein auszustellen und das Führen ihrer Überstundenlisten sind keine den Arbeitsvertrag unmittelbar gestaltenden Willenserklärungen. Das Führen der Überstundenlisten für die Klägerin konnte sich auch aus der Stellung des Herbert D***** als gastronomischer Leiter des Betriebes ergeben. Bei den anderen Besorgungen für die Klägerin ging die Stellung des Herbert D***** über die eines Boten nur wenig hinaus. Die Behebung eines Vorschusses für die Klägerin war erst nach der Kündigung. In den nach Abschluß des Arbeitsvertrages nach außen in Erscheinung getretenen, von der Klägerin geduldeten Vertretungshandlungen lagen daher keine Willenserklärungen, die den Bestand (die Substanz) des Arbeitsvertrages betrafen und darauf schließen ließen, daß Herbert D***** auch zu weiteren, das Fortbestehen des Arbeitsvertrages betreffenden Erklärungen befugt wäre. Bei gehöriger Sorgfalt hätten der Beklagten daher Zweifel an der Rechtsmacht des Herbert D***** kommen müssen, so daß die Beklagte ohne Rücksprache mit der Klägerin nicht deren Zustimmung zur Kündigung annehmen konnte (JBl 1986, 447).
Daß Herbert D***** mit Schreiben vom 18.6.1991 auch für die Klägerin eine Zahlungsfrist bis 21.6.1991 für den ausständigen Maigehalt unter Austrittsandrohung setzte (Beilage 4), begründet entgegen der Meinung der Beklagten schon deshalb kein Vertrauen auf die Berechtigung des Herbert D*****, den Arbeitsvertrag der Klägerin aufzukündigen, weil Herbert D***** die Kündigung bereits am 16.5.1991 ausgesprochen hat.
Der Entscheidung Arb 10.068 liegt ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde. Dem Dienstgeber war dort nicht nur erkennbar, daß der Ehegatte der dortigen Klägerin - so wie hier - die Vertragsgespräche geführt und die wesentlichen Vertragsbestimmungen hinsichtlich der Entlohnung erörtert hatte, der Ehegatte hatte dort außerdem während des Arbeitsverhältnisses bei wesentlichen Arbeitsvertragsinhalten, wie der Prüfung der Lohnaufstellung und der Arbeitszeit, ein gewichtiges Mitspracherecht. Aus diesem wiederholten Auftreten des Ehegatten bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages wurde auch die Bevollmächtigung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgeleitet. Überdies hatte aber dort die Klägerin ihren Ehegatten im Innenverhältnis ausdrücklich ermächtigt, "die Angelegenheiten mit der Arbeit für 'sie' zu regeln und in Ordnung zu bringen".
Mangels einer rechtswirksamen Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Klägerin besteht das Feststellungsbegehren über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnises über den 27.5.1991 hinaus zu Recht. Das Fernbleiben der Klägerin nach den anläßlich der Hochzeit zustehenden freien Tagen nach Anmeldung des in der Folge nicht bewilligten Urlaubes ließ einen Austrittswillen nicht erkennen. Eine Entlassung wurde nicht ausgesprochen.
Der Revision war daher Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 43 Abs 1 und 2, 50 ZPO.
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