OGH 11Os138/93

OGH11Os138/9312.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hager, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Günther P***** wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Krems an der Donau vom 15. Juli 1993, GZ 14 Vr 154/93-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Gahleitner, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 22. November 1961 geborene Landwirt Günther P*****des Verbrechens des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 21. März 1993 in E***** versuchte, (seinen Bruder) Josef P***** durch mehrere wuchtige Hammerschläge auf den Kopf zu töten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die ausschließlich auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Als Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung rügt er damit, daß zur Hauptfrage nach § 75 StGB keine Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) gestellt wurde. Diese wäre - nach Auffassung des Beschwerdeführers - auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere der Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Karl H***** und Norbert G*****indiziert gewesen.

Die Rüge versagt.

Gemäß § 313 StPO sind Zusatzfragen nämlich nur zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht werden, die - falls als erwiesen angenommen - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Ein Vorbringen von Tatsachen im Sinne dieser Gesetzesstelle liegt aber nur dann vor, wenn in der Hauptverhandlung konkrete Umstände behauptet werden oder sonst aus den vorangeführten Beweismitteln hervorkommen, die das Vorliegen eines solchen Strafaufhebungsgrundes in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken (Mayerhofer-Rieder StPO3 E 13 ff zu § 313).

Der Angeklagte hat zunächst vor der Gendarmerie (19, 29, 33) und dann vor der Untersuchungsrichterin (40, 43) einen auf Tötung seines Bruders gerichteten Vorsatz entschieden in Abrede gestellt und diese Verantwortung in der Hauptverhandlung (in der sie auch verlesen wurde - 544) aufrecht erhalten (429, 470). Mit einem ihn belastenden Erhebungsergebnis, nämlich der Entdeckung der von ihm hergestellten grabähnlichen Erdbodenvertiefung, konfrontiert, gab der Angeklagte vor der Gendarmerie ferner an, daß "er zwar vorhatte, seinen Bruder durch Hammerschläge zu töten, sein Unterbewußtsein sich doch dagegen wehrte", weshalb er auch (bloß) einen Gummi- statt eines Eisenhammers verwendete und damit "nicht so fest zuschlug, als ihm dies möglich gewesen wäre" (219). Dieser in der Hauptverhandlung von den vorgenannten Zeugen wiedergegebenen (473, 506) und erörterten Verantwortung nach behauptet der Angeklagte also, sein ursprüngliches Tötungsvorhaben bereits vor Tatausführung aufgegeben und diesem Umstand durch Wahl eines anderen Tatwerkzeuges und durch die Art seiner Verwendung entsprechend Rechnung getragen zu haben. Da der Beschwerdeführer nach dieser Verantwortungsvariante ohne Tötungsvorsatz gegen seinen Bruder vorgegangen sein will, stellt sich aus rechtlicher Sicht die Frage einer dem Eintritt in das Stadium strafbaren Versuchs nachfolgenden Abstandnahme von der (weiteren) Ausführung bzw. Vollendung einer auf Tötung abzielenden Tat überhaupt nicht. Somit fehlte es an einem Tatsachensubstrat, das die reklamierte Zusatzfrage hätte rechtfertigen können.

Es versagt aber auch der Einwand, mit Beziehung auf die den Einsatz eines lebensgefährlichen Mittels verneinenden Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Kaiser wäre eine Eventualfrage (§ 324 Abs 1 StPO) in Richtung des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB in das Fragenschema aufzunehmen gewesen. Der Beschwerdeführer übersieht damit nämlich, daß die Geschwornen, die eine Frage auch teilweise (mit Beschränkungen) bejahen können (§ 330 Abs 2 StPO) und vorliegend auf eine solche Möglichkeit in der allgemeinen Rechtsbelehrung ausdrücklich hingewiesen wurden (S 1 und 18 der Rechtsbelehrung), demnach in der Lage gewesen wären, die an sie in Richtung der § 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB gestellte Schuldfrage (Eventualfrage III) unter Ausklammerung der Worte "... wobei die Tat mit einem solchen Mittel und auf solche Art, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, begangen worden ist ..." zu beantworten und auf diese Weise eine Tatbeurteilung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB herbeizuführen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Aber auch die Berufungen sind unbegründet.

Das Geschwornengericht hat bei der Strafbemessung als erschwerend die reifliche Überlegung, mit der der Angeklagte an die Tat heranging und die Heimtücke, mit der er sie ausführte, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand gewertet, daß es beim Versuch geblieben ist sowie die heftige Gemütsbewegung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt und die Tatsache, daß ihm sein Bruder die Tat verziehen hat. Ausgehend von diesen Strafbemessungsumständen hielt das Geschwornengericht die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach dem § 41 Abs 1 Z 1 StGB für begründet und eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren für tatschuldangemessen.

Die von der Berufung des Angeklagten reklamierten weiteren Milderungsgründe liegen zum Teil nicht vor, zum Teil wurden sie ohnedies bei der Strafbemessung ausdrücklich berücksichtigt. Ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung kann in der den äußeren Tatbestand zugestehenden Verantwortung des Angeklagten angesichts der ohnedies von vornherein eindeutigen Beweislage nicht erblickt werden. Worin bei an sich schwerer Körperverletzung ein "relativ geringer Taterfolg" zu erblicken wäre, vermag die Berufung nicht darzulegen; den Umstand, daß die Tat lediglich beim Versuch geblieben ist, hat das Geschwornengericht ausdrücklich als mildernd berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Berufung ist nach der Aktenlage ein dem Milderungsgrund der Z 1 des § 34 StGB entsprechender Einfluß eines abnormen Geisteszustandes oder Verstandesschwäche nicht gegeben. Ebenfalls entgegen der Auffassung der Berufung hat das Erstgericht aus der Anlegung einer Grabstätte vor der Tat mit Recht im Sinne des § 32 Abs 3 StGB auf eine reifliche Tatplanung geschlossen und den Überfall während des Schlafs auch zutreffend als heimtückisch im Sinne der Z 6 des § 33 StGB beurteilt. Insgesamt erweist sich daher, daß das Geschwornengericht die Strafbemessungsgründe nicht nur - wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung einräumen muß - zutreffend und vollständig dargestellt, sondern auch ihrem Gewicht entsprechend gewertet hat. Der Sache nach hat es dabei auch die von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Argumente berücksichtigt und im Ergebnis zu Recht die Anwendbarkeit der außerordentlichen Strafmilderung bejaht. Zu der vom Angeklagten angestrebten weitergehenden Ausschöpfung der durch § 41 StGB eingeräumten Möglichkeit der Unterschreitung der gesetzlichen Mindeststrafdrohung fand sich allerdings wegen der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zutreffend hervorgehobenen Umstände dieses Falles kein Anlaß, weil in der Gesamtschau die vom Geschwornengericht ausgemittelte Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren allen Strafbemessungskriterien gerecht wird.

Aus all diesen Erwägungen war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist in der dazu angeführten Gesetzesstelle begründet.

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