OGH 4Ob113/93

OGH4Ob113/9312.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei "W*****" *****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Johannes Neumayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei N*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gerald Ganzger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 500.000) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 8. Juli 1993, GZ 3 R 76/93-11, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 19.März 1993, GZ 17 Cg 38/93g-6, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 36.871,92 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 6.145,32 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Medieninhaberin der Zeitschrift "Basta"; die Beklagte ist Medieninhaberin der Zeitschrift "NEWS".

Die Beklagte kündigte in der Zeitschrift "NEWS", in Hörfunk- und Fernseheinschaltungen und auf Plakaten das Gewinnspiel "Casino Royal" an. In allen Ankündigungen wurde erklärt, daß der Zeitschrift "NEWS" ein "1000 S-Gewinn-Jeton" beigepackt sei. So heißt es in einem der Zeitschrift "NEWS" vom 11.2.1993 angehefteten Drittelumschlag ("Flappe"):

"Casino-Gewinn

1.000 S-Jeton in diesem Heft.

Chancen im Wert von einer Viertelmillion.

Casino Royal

Die vierte Glückszahl

Neue Chance

Gewinne im Wert von 300.000 öS

Casinos Austria

Machen Sie Ihr Spiel".

Im Blattinnern wird das Spiel näher erläutert:

" Spielen Sie mit

NEWS Roulette

Für jeden Leser hat NEWS diese Woche 1.000 S als Jeton auf eine Roulette-Chance gesetzt. Preise im Gesamtwert von 300.000 S warten.

..."

Jedem Heft der Zeitschrift "NEWS" war ein "Gewinn-Jeton" eingeklebt. In diesem Gewinn-Los war eine Zahl, eine Zahlenkombination, "Schwarz" oder "Rot", "Pair" oder "Impair" angegeben; im selben Heft war eine Gewinnzahl veröffentlicht. War diese Gewinnzahl der Zahl im Gewinn-Los gleich oder in der Zahlenkombination enthalten, entsprach ihr das dort angegebene "Rot" oder "Schwarz", "Pair" oder "Impair", dann erhielt der Inhaber des Gewinn-Loses jenen Gewinn, den er erhalten hätte, wenn er im Casino 1.000 S auf die Gewinnzahl gesetzt hätte und die Roulette-Kugel auf einem Feld stehengeblieben wäre, dem die im Gewinn-Los angegebene Gewinn-Chance entsprach.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr, insbesondere beim Vertrieb, Verkauf von und der Werbung für die periodische Druckschrift "NEWS", zu unterlassen:

a) Ankündigungen, sei es im Fernsehen, Hörfunk, auf Plakaten oder mobilen Verkaufsständern, die vor Trafiken plaziert werden, oder auf der Titelseite oder auf dort angehefteten "Flappen" der periodischen Druckschrift "NEWS", somit durch öffentliche Bekanntmachungen oder Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, daß Ausgaben der periodischen Druckschrift "NEWS" für den Casino-Gewinn ein "1.000 S-Jeton" beigeheftet oder beigelegt sei, sofern nicht gleichzeitig unmißverständlich den Empfängern der Ankündigung mitgeteilt wird, daß kein Jeton mit einem Verkehrswert von 1.000 S beigepackt ist, sondern daß der Zeitschriftenkäufer lediglich eine Gewinnchance in einem Gewinnspiel erhält, deren statistischer Erwartungswert bzw Verkehrswert nicht einmal 1 % von 1.000 S erreicht oder wesentlich unter dem Wert von 1.000 S liegt;

in eventu

b) es zu unterlassen, öffentlich anzukündigen, daß den Ausgaben der Druckschrift "NEWS" ein 1.000 S-Jeton beigeheftet oder beigelegt sei, wenn auf Grund der Ankündigung und der Begleitumstände der Eindruck erweckt wird, daß es sich dabei um einen 1.000 S-Jeton handelt, der als Spieljeton oder dessen Surrogat bei den Casinos der "Casinos Austria AG" akzeptiert wird, sofern dies nicht tatsächlich erfolgt oder der Wert der Beigabe tatsächlich wesentlich geringer ist;

in eventu

c) es zu unterlassen, auf der Titelseite oder auf einer außen befindlichen "Flappe" der periodischen Druckschrift "NEWS" oder im Fernsehen die Beigabe eines 1.000 S-Jetons für eine Gewinnmöglichkeit in den Casinos der "Casinos Austria AG" anzukündigen oder ankündigen zu lassen, wenn entweder:

aa) die Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel angekündigt wird, bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose oder Gewinn-Chancen) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte oder der Gewinn-Chance 5 S oder der Gesamtwert der ausgespielten Preise 300.000 S übersteigt, oder

bb) der Wert der dem Heft beigegebenen und mit einem Wert von 1.000 S angegebenen Gewinn-Chance tatsächlich unter 5 S liegt,

in eventu

d) es zu unterlassen, beim Vertrieb oder bei der Werbung für die periodische Druckschrift "NEWS" die Beigabe von Gewinn-Chancen oder Spiel-Jetons an außen am Heft befindlichen "Flappen" oder auf der Titelseite dieser Druckschrift oder durch mitveranstaltende Dritte oder selbst in anderen Medien anzukündigen oder ankündigen zu lassen, wenn in dieser Ankündigung der irreführende Eindruck entsteht, daß der periodischen Druckschrift "NEWS" ein 1.000 S-Jeton der "Casinos Austria AG" oder ein Gutschein zum Bezug eines derartigen Jetons oder eine Teilnahmemöglichkeit am Spiel bei der "Casinos Austria AG" mit einem Einsatzwert von 1.000 S beigegeben sei, sofern dies nicht den Tatsachen entspricht, insbesondere der Wert der Gewinn-Chance (ausgespielte Gewinne durch Anzahl der mit dem Jeton oder der Gewinn-Chance versehenen Hefte des Magazins "NEWS") unter 1.000 S liegt.

Die Ankündigungen der Beklagten seien entweder irreführend oder ein Verstoß gegen § 9 a UWG, in jedem Fall aber ein Verstoß gegen § 1 UWG, weil ein übertriebener Anlockeffekt hervorgerufen werde. Der Konsument erwarte jedenfalls eine geldwerte Gewinnchance im Wert von 1.000 S, die in irgendeiner Form mit einem Jeton und den Casinos zu tun habe. Tatsächlich erhalte er jedoch ein Los, das es ihm nicht ermöglicht, am Roulette teilzunehmen. Das Los sei nicht 1.000 S wert, sondern, je nach Auflage, zwischen 2 S und 5 S; andernfalls, bei einem Einsatz von 1.000 S je Heft, müßte die Gewinnsumme die angegebenen 300.000 S bei weitem überschreiten. Die Beklagte habe daher offensichtlich nur wenigen Heften Gewinnlose, allen anderen aber "Nieten" beigepackt. Der eingeklebte "Gewinn-Jeton" sei daher niemals 1.000 S wert.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Ankündigungen seien nicht irreführend. "Casino Royal" sei eine Phantasiebezeichnung, die in keinem Zusammenhang mit der "Casinos Austria AG" steht. Das Wort "Gewinn" in "Gewinn-Jeton" verhindere, daß potentielle Käufer auch bei nur flüchtiger Wahrnehmung den Eindruck gewinnen könnten, der Zeitschrift "NEWS" sei ein Jeton der "Casinos Austria AG" beigelegt. Auch der Preis der Zeitschrift von nur 20 S und der Hinweis auf die Gesamtgewinnsumme von 300.000 S schlössen eine solche Annahme aus. Die Käufer erwarteten eine Gewinnchance auf der Basis eines Einsatzes von 1.000 S; diese Chance sei ihnen im Spiel gewahrt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Selbst nach dem Vorbringen der Klägerin überstiegen weder der Wert des einzelnen Loses noch der Gesamtwert der ausgespielten Preise die in § 9 a Abs 2 Z 8 UWG angeführten Beträge. Die Ankündigungen seien auch nicht irreführend: Das an Gewinnspiele gewöhnte Publikum werde die beanstandeten Ankündigungen nicht dahin verstehen, daß der Zeitschrift tatsächlich ein Jeton im Wert von 1.000 S beigepackt sei, der bei einem in Österreich zugelassenen Casino verwendet werden kann. Das Publikum werde vielmehr zu dem Schluß kommen, daß es sich mit dem Gewinnspiel erst näher vertraut machen müsse. Schon aus der Begrenzung der Gewinnchancen auf 300.000 S werde jeder Leser erkennen, daß weder ein 1.000 S-Jeton noch ein Gutschein für einen solchen Jeton der Zeitschrift beigepackt ist.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Die beanstandeten Ankündigungen seien dahin zu verstehen, daß jedes Heft der Zeitschrift "NEWS" eine Teilnahmemöglichkeit an einem Spiel im Wert von 1.000 S biete. Die maßgebenden Verkehrskreise seien nicht in der Lage, die Übertreibungen ohne weiteres und sofort auf das Maß des Richtigen zurückzuführen; von einer bloß marktschreierischen Werbung könne somit keine Rede sein. Soweit daher nicht ohnedies ein Verstoß gegen § 2 UWG vorliege, habe die Beklagte durch übertriebenes Anlocken sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt.

Wettbewerbswidrige Irreführung liege auch bei unwahren Angaben über die Beschaffenheit von Zugaben vor. Durch die UWG-Novelle 1993 BGBl 227 sei das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht weggefallen, weil die Beklagte gegen § 2 UWG und nicht gegen das Zugabenverbot verstoßen habe. Auch die Wiederholungsgefahr bestehe nach wie vor, wenn sich auch die Bereitschaft der Beklagten, neuerlich ein Gewinnspiel zu veranstalten, durch das durch die UWG-Novelle 1993 eingeführte Verbot von Zeitungs-Gewinnspielen möglicherweise vermindert habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihn abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Beklagte wendet sich in ihrem Rechtsmittel gegen die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, daß die beanstandete Ankündigung eines Gewinnspiels eine irreführende Tatsachenangabe im Sinn des § 2 UWG sei. Dem ist zuzustimmen:

Gegen § 2 UWG verstößt, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über geschäftliche Verhältnisse Angaben macht, die zur Irreführung geeignet sind. Zu den geschäftlichen Verhältnissen gehören auch Zugaben; auch Angaben darüber betreffen einen Umstand, der für den Kaufentschluß wesentlich sein kann (s.

Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 3 dUWG Rz 122; ÖBl 1990, 115; 4 Ob 64/93 ua).

Nach ständiger Rechtsprechung vertößt eine Ankündigung schon dann gegen § 2 UWG, wenn sie nach ihrem Gesamteindruck bei flüchtiger Betrachtung durch einen Kunden mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit einen irrigen Eindruck erwecken kann (ÖBl 1979, 94; ÖBl 1981, 159; ÖBl 1984, 70 uva). Bei Mehrdeutigkeit eines Ausdrucks muß der Ankündigende die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (ÖBl 1989, 42; ÖBl 1991, 157 uva). Wollte man diesen Maßstab an die von der Klägerin beanstandeten Ankündigungen der Beklagten auf der ihrer Zeitschrift angehefteten "Flappe" anlegen, dann müßte die Irreführungseignung bejaht werden. Bei wörtlicher Auslegung dieser Texte könnte die Ankündigung der Beklagten - im Sinn der oben erwähnten "Unklarheitenregel" - dahin ausgelegt werden, daß jedem Heft der Zeitschrift "NEWS" ein 1.000 S-Jeton beigelegt sei. Die Ankündigung wird aber von so gut wie niemandem in diesem Sinn aufgefaßt werden; vielmehr konnte sie vom Publikum als nicht wörtlich zu nehmender Hinweis auf ein Gewinnspiel der Beklagten verstanden werden, dessen Regeln erst in Erfahrung zu bringen waren. Nach ihrem Gesamteindruck war daher die beanstandete Ankündigung entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes marktschreierisch, liegt doch eine marktschreierische Anpreisung nach ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn sie von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht wörtlich genommen, sondern sogleich als nicht ernstgemeinte Übertreibung aufgefaßt und damit von jedermann unschwer auf ihren tatsächlichen Gehalt zurückgeführt wird, welcher deutlich erkennbar nicht in einer ernst zu nehmenden Tatsachenbehauptung, sondern in einer ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit auftretenden reklamehaften Anpreisung liegt (ÖBl 1984, 97 mwN; ÖBl 1991, 157 ua). Auch eine marktschreierische Anpreisung kann aber in einem bestimmten eingeschränkten Umfang als sachbezogene Aussage ernst genommen werden; auch Ankündigungen, die erkennbar als reklamehafte Übertreibungen verstanden werden, lassen sich häufig doch noch auf einen sachlich nachweisbaren Tatsachenkern zurückführen, welcher durchaus ernstgenommen wird und daher bei Unrichtigkeit zur Irreführung geeignet ist (ÖBl 1984, 97 mwN).

Tatsachenkern der hier beanstandeten Ankündigungen ist der Hinweis, daß die Beklagte ein Gewinnspiel veranstaltet, bei dem jeder Leser eine Gewinnchance hat, die einem 1.000 S-Gewinn-Jeton entspricht. Mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welcher Höhe der einzelne Spielinteressent Gewinne erzielen kann, ist der Ankündigung nicht zu entnehmen; deren Tatsachenkern entspricht aber der Wahrheit. Aus diesem Grund kann entgegen der Meinung des Rekursgerichtes nicht angenommen werden, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise davon ausgegangen sein konnte, daß er mit dem Heft einen 1.000 S-(Gewinn)-Jeton erhalten werde, der tatsächlich einen Wert von 1.000 S hat.

Damit gleicht der hier zu beurteilende Fall dem der Entscheidung 4 Ob 64/93 zugrunde liegenden Sachverhalt. Auch dort war es um die Ankündigung eines Gewinnspiels gegangen, die so gestaltet war, daß sie als marktschreierisch empfunden wurde; Gegenstand der Entscheidungen ÖBl 1990, 115 und WBl 1991, 203 waren hingegen Ankündigungen, die durchaus ernst zu nehmen waren.

War aber die Ankündigung der Beklagten nicht zur Irreführung geeignet, dann ist nicht nur das Hauptbegehren unbegründet, sondern auch die zu b) und d) erhobenen Eventualbegehren sind nicht berechtigt, stellen doch auch sie darauf ab, daß die Ankündigung der Beklagten einen irreführenden Eindruck erweckte. Das Eventualbegehren zu Punkt c) ist hingegen auf die Untersagung eines unzulässigen Gewinnspieles gerichtet. Daß aber das Gewinnspiel der Beklagten nicht unter den (damals, dh noch vor der UWGNov 1993 BGBl 227 auch noch für Zeitungsgewinnspiele gültigen) Ausnahmetatbestand des § 9 a Abs 2 Z 8 UWG gefallen wäre, hat die hiefür beweispflichtige Klägerin nicht bescheinigt.

Dem Revisionsrekurs der Beklagten war daher Folge zu geben; die Entscheidung des Erstgerichtes war wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50, 52 ZPO.

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