OGH 12Os108/93(12Os143/93)

OGH12Os108/93(12Os143/93)7.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mazzolini als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Nenad O***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nenad O*****, Stanimir O*****, Rada O***** und Vukasin K***** gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 9.Juni 1993, GZ 16 Vr 1437/92-137, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Nenad O***** gegen den Beschluß des Vorsitzenden des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 17.September 1993, GZ(Teilakt)16 Vr 1437/92-3, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und der Verteidiger Dr.Weber und Dr.Vintschgau, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Nenad O***** (geb. 6.April 1972), Stanimir O***** (geb. 26. September 1954), Rada O***** (geb. 1.Juli 1955) und Vukasin K***** (geb. 15.Mai 1932) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, die drei letztgenannten Angeklagten als Beteiligte nach § 12 zweiter Fall, Vukasin K***** (rechtlich verfehlt) auch dritter Fall, StGB und Nenad O***** überdies des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffenG schuldig erkannt.

Demnach haben - zusammengefaßt wiedergegeben -

1) Nenad O***** am 8.November 1992 in Feldkirch

a) Ruza T***** durch Abgabe mehrerer Schüsse aus einer Pistole gegen ihren Kopf und Oberkörper vorsätzlich getötet;

b) wenn auch nur fahrlässig eine Faustfeuerwaffe, nämlich die zu 1)a) angeführte Pistole, unbefugt besessen und geführt;

2) Stanimir O*****, Rada O***** und Vukasin K***** dadurch, daß sie Nenad O***** bis zum 7.November 1992 mehrfach eindringlich und unmißverständlich aufforderten, seine ehemalige Lebensgefährtin Ruza T***** umzubringen, vorsätzlich dazu bestimmt, diese zu töten, wobei Vukasin K***** am 8.November 1992 in Feldkirch zu der zu 1)a) bezeichneten Tat des Nenad O***** (noch) dadurch beitrug, daß er Sabine T***** von hinten niederschlug und ein Eingreifen des Werner G***** verhinderte.

Rechtliche Beurteilung

Die Schuldsprüche bekämpfen der Angeklagte Nenad O***** (ausschließlich) im Mordvorwurf mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs. 1 Z 6 StPO und die übrigen Angeklagten mit gemeinsamer Nichtigkeitsbeschwerde aus § 345 Abs. 1 Z 3 und 8 StPO.

Nach (rechtzeitiger) Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde durch seinen Verteidiger hatte der Angeklagte Nenad O***** überdies in einer mit 3.September 1993 datierten und am 9.September 1993 eingelangten Eingabe dieses Rechtsmittel selbst (nochmals) ausgeführt. Mit Beschluß vom 17.September 1993 wies der Vorsitzende des Geschwornengerichtes die von diesem Angeklagten persönlich ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 a Z 2 StPO zurück.

Mit seiner dagegen (wiederum persönlich) erhobenen Beschwerde ist der Angeklagte Nenad O***** nicht im Recht, weil - der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes folgend (Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr. 36, 37 zu § 285 StPO) - zur Nichtigkeitsbeschwerde nur eine einzige Ausführung, die als Schriftsatz gemäß § 285 a Z 3 StPO die Unterschrift eines Verteidigers tragen muß, zulässig ist und zusätzliche Aufsätze des Rechtsmittelwerbers unbeachtlich sind. Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Nenad O*****:

Unter dem angeführten Nichtigkeitsgrund (Z 6) vermißt der Beschwerdeführer zu Unrecht eine Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB), wie er sie in der Hauptverhandlung beantragt hatte (S 290/III).

Der Beschwerde zuwider fehlten nämlich die - vom Schwurgerichtshof vorweg zu prüfenden (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 314 ENr. 36 und 37) rechtlichen - Voraussetzungen nach § 314 Abs. 1 StPO für die angestrebte Fragestellung dergestalt, daß in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, nach denen - würden sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat bei richtiger Gesetzesauslegung unter den mit geringerer Strafe bedrohten Tatbestand des Verbrechens des Totschlags nach § 76 StGB fiele. Hatte sich doch der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung damit verantwortet, die Schüsse aus Wut und Zorn darüber abgegeben zu haben, daß sich das Tatopfer weigerte, mit ihm mitzukommen (S 189, 197, 199/III) und damit eingestanden, daß die behauptete heftige Gemütsbewegung, welche die Tat auslöste, auf einem verwerflichen Beweggrund beruhte, der die Unterstellung der Tat unter § 76 StGB mangels allgemeiner Begreiflichkeit ausschließt (Leukauf-Steininger, aaO, RN 12 und 13 zu § 76 StGB). Die Eventualfrage auf Totschlag unterblieb daher zu Recht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten

Stanimir O*****, Rada O***** und Vukasin K*****:

Mit dem Einwand, das von der Sicherheitsbehörde erstellte Protokoll über die Befragung des (siebenjährigen) Zoran O***** (S 719 ff/I) sei ungeachtet der Verwahrung des Verteidigers (S 192, 241/III) in der Hauptverhandlung verlesen und verwertet worden, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs. 1 Z 3 StPO schon deshalb nicht dargetan, weil dieser nur durch die Verlesung nichtiger gerichtlicher Vorerhebungs- und Voruntersuchungsakte, nicht jedoch auch sicherheitsbehördlicher Vernehmungen oder sonstiger Erhebungen der Sicherheitsorgane begründet werden kann (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 345 Abs. 1 Z 3 ENr. 4). Im übrigen wurde in der Hauptverhandlung auf die Einvernahme des Zeugen Zoran O***** einverständlich verzichtet (S 240/III).

In ihrer Instruktionsrüge (Z 8) bemängeln die Beschwerdeführer, daß die Geschwornen in der schriftlichen Rechtsbelehrung über den ursächlichen Zusammenhang, der zwischen dem Verhalten des Bestimmenden und des Bestimmten beim Erwecken des Tatentschlusses bestehen muß, unzureichend informiert worden seien, um Mißverständnisse hintanzuhalten.

Demgegenüber kommt in der Rechtsbelehrung aber in einer auch für Laien durchaus verständlichen Weise zum Ausdruck (S 309/III), daß zwischen dem Verhalten des Bestimmungstäters und des Bestimmten ein Verursachungszusammenhang erforderlich ist (Leukauf-Steininger aaO RN 27 ff zu § 12; Fabrizy in WK, Rz 40 ff zu § 12). Die Beschwerdeführer übersehen im übrigen, daß Gegenstand der Rechtsbelehrung nach § 321 Abs. 2 StPO nur Rechtsbegriffe, nicht aber tatsächliche Umstände sein können, die sich aus dem Beweisverfahren ergeben. Auf die in der Beschwerde relevierten konkreten Umstände des Falles war daher nicht in der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 2 StPO) einzugehen, sondern vielmehr in der Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen nach § 323 Abs. 2 StPO, die nicht Gegenstand der Anfechtung nach § 345 Abs. 1 Z 8 StPO ist (Mayerhofer-Rieder aaO § 345 Abs. 1 Z 8 ENr. 2, 14 ff). Der Vorwurf einer infolge Unvollständigkeit unrichtigen Rechtsbelehrung über die Ursächlichkeit der Bestimmungshandlung erweist sich demzufolge als unzutreffend.

Die zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher hinsichtlich aller vier Angeklagten zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über die Angeklagten jeweils nach § 75 StGB - bei Nenad O***** und (unzutreffend) auch bei Rada O***** unter Anwendung des § 28 StGB - Freiheitsstrafen (bei Nenad O***** und Rada O***** jeweils gemäß §§ 31, 40 StGB als Zusatzstrafe), und zwar über Nenad O***** von vierzehn Jahren und sieben Monaten, über Stanimir O***** von zwanzig Jahren, über Rada O***** von neun Jahren und acht Monaten und über Vukasin K***** von siebzehn Jahren. Es wertete als erschwerend bei Nenad O***** die Heimtücke beim Mord und das Zusammentreffen der Mordtat mit den Vergehen nach dem Waffengesetz, der gefährlichen Drohung und der Freiheitsentziehung, bei Stanimir O***** die Wiederholung der eindringlichen Bestimmungshandlungen durch längere Zeit, eine Vorverurteilung nach § 88 Abs. 1 StGB und den Umstand, daß er als Familienoberhaupt die treibende Kraft des Mordverbrechens und damit an dieser Tat führend beteiligt war, bei Rada O***** die Wiederholung der Bestimmungshandlungen durch längere Zeit und das Zusammentreffen des Mordverbrechens mit der Freiheitsentziehung und bei Vukasin K***** das Zusammentreffen der Täterschaftsformen nach § 12 zweiter und dritter Fall, die Wiederholung der Bestimmungshandlungen sowie die Heimtücke beim Mord. Als mildernd wurden hingegen berücksichtigt bei Nenad O***** das reumütige, jedoch eingeschränkte Geständnis, die Tatbegehung vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres, die Begehung der Mordtat unter dem starken Einfluß der drei Bestimmungstäter sowie die etwas eingeschränkte Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit, bei Rada O***** der bisher ordentliche Lebenswandel, ihre eher geringe Intelligenz sowie die Tatbegehung unter Einwirkung ihres Ehemannes aus Furcht und/oder Gehorsam, bei Stanimir O***** und Vukasin K***** jedoch kein Umstand. (Mit dem angeführten Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9.April 1993, auf das Bedacht genommen wurde, waren Nenad O***** wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten und Rada O***** wegen des letztgenannten Vergehens ebenfalls bedingt zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Diese Delikte hatten die beiden Angeklagten am 31.Juli 1993 gegenüber dem späteren Mordopfer begangen.)

Den Berufungen der Angeklagten, mit denen sie Strafreduktion (jeweils unter Anwendung des § 41 StGB) begehren, muß durchwegs ein Erfolg versagt bleiben.

Zu Unrecht wendet sich Nenad O***** gegen die Annahme des besonderen Erschwerungsumstandes heimtückischen Vorgehens bei der Tatausführung; griff er doch sein Opfer, dem er mit der späteren Tatwaffe auflauerte, bei der nächtlichen Heimkehr zur Wohnung überraschend und unter einem verwerflichen Vertrauensbruch an. Fehl geht auch der von diesem Angeklagten gegen die Annahme des Zusammentreffens mit dem Vergehen der gefährlichen Drohung als besonderen Erschwerungsumstand erhobene Einwand, weil im Falle der Bedachtnahme auf ein Vor-Urteil gemäß § 31 StGB - wie hier - das Zusammentreffen der früheren Straftat(en) mit der nunmehr abgeurteilten Tat als erschwerend zu berücksichtigen ist (9 Os 64/86). Angesichts dessen, daß er in seiner Verantwortung die Begleitumstände und die Planung seiner Tat in ein günstigeres Licht zu setzen trachtete, wurde ihm auch mit Recht (bloß) ein eingeschränktes Geständnis zugute gehalten, wogegen er mit seinem Berufungseinwand, das Geschwornengericht hätte ihm zugute halten müssen, daß der Milderungsumstand nach § 34 Z 1 StGB (auch) durch Verstandesschwäche erfüllt sei, übersieht, daß diesem Umstand der Sache nach durch die Annahme einer etwas eingeschränkten Dispositionsfähigkeit Rechnung getragen wurde. Daß der in Rede stehende Milderungsumstand zusätzlich noch durch eine vernachlässigte Erziehung (ON 171) erfüllt wird, fällt bei der gegebenen Sachlage zugunsten des Angeklagten nicht wesentlich ins Gewicht.

Analoges gilt - der Berufung der Angeklagten Stanimir O*****, Rada O***** und Vukasin K***** zuwider - in Ansehung der vergleichsweise größeren Bedeutung, die nach den Sitten und Gebräuchen des Kulturkreises, dem die Angeklagten angehören, dem Umstand zukommen soll, daß die später Ermordete den Angeklagten Nenad O*****, dem sie zur Heirat versprochen worden war, und seine Familie verlassen hatte, weil dies bei Mord weder den Unrechts- noch den Schuldgehalt nennenswert zu mindern vermag.

Da von einer Beteiligung der Angeklagten Rada O***** in untergeordneter Weise angesichts der wiederholten Bestimmungshandlungen keine Rede sein kann und dem behaupteten Umstand, der Angeklagte Vukasin K***** sei Analphabet und minderbegabt, nicht die Bedeutung eines besonderen Milderungsumstandes zugestanden werden kann, kommt der Berufung nur insoweit Berechtigung zu, als sie hinsichtlich Stanimir O***** reklamiert, daß diesem Angeklagten der Erschwerungsumstand einer einschlägigen Vorstrafe angelastet wurde, da die einzige - den Berufungsausführungen zuwider allerdings einschlägige - Vorverurteilung dieses Angeklagten wegen § 88 Abs. 1 StGB schon zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz tilgbar war und inzwischen auch tatsächlich getilgt ist. In Ergänzung zu den vom Geschwornengericht festgestellten Strafzumessungsgründen kann sonach diesem Angeklagten ebenso wie - den Ausführungen im angefochtenen Urteil zuwider - dem gleichfalls unbescholtenen Angeklagten Vukasin K*****, aber auch dem nicht vorbestraften Angeklagten Nenad O*****, wenngleich dies hier nicht ausdrücklich geltend gemacht wurde, der Milderungsumstand eines bis zur abgeurteilten Tat untadeligen Lebenswandels nicht vorenthalten werden, da sich aus den Akten auch keine Hinweise auf (unbestraft gebliebene) asoziale Verhaltensweisen dieser Angeklagten ergeben.

Für die Höhe der geschöpften Unrechtsfolgen mußten diese Korrekturen jedoch vorliegend ohne Bedeutung bleiben, weil sie bei dem anzuwendenden Strafsatz auch auf der geänderten Basis durchaus tatschuldadäquat und damit einer Ermäßigung unzugänglich sind.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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