OGH 14Os141/93

OGH14Os141/935.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Oktober 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Wimmer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut P***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Schöffengericht vom 7.Juli 1993, GZ 17 Vr 846/92-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Presslauer, und des Verteidigers Dr.Zawodsky, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Helmut P***** (im zweiten Rechtsgang abermals) des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 14.August 1992 zwischen Böheimkirchen und Kirchstetten gemeinsam mit dem gesondert abgeurteilten Stefan F***** als Mittäter versucht hat, den Österreichischen Bundesbahnen etwa 300 kg Altkupfer im Wert von ca. 5.000 S mit Bereicherungsvorsatz sowie mit gewerbsmäßiger Zielsetzung zu stehlen. Das in Aussicht genommene Diebsgut lagerte im Nahbereich der Eisenbahngleise. Als Stefan F***** nach dem Eintreffen am Tatort vorerst allein auf die Bahnböschung kletterte, wurde er von einem vorbeifahrenden Zug erfaßt und schwer verletzt. Der Beschwerdeführer veranlaßte hierauf die Verständigung von Rettung und Gendarmerie. Zur Ausführung des geplanten Diebstahls kam es nicht mehr.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der er strafaufhebenden Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) reklamiert.

In der Mängelrüge (Z 5) wendet er sich gegen die Urteilsfeststellung, daß er die Diebstahlsvollendung notgedrungen aufgegeben habe, weil es ihm unmöglich gewesen sei, seinen durch den vorbeifahrenden Zug schwer verletzten Mittäter allein zu bergen und wegzubringen, weshalb er befürchtete, nach der Verübung des Delikts als Täter ausgeforscht zu werden. Der Beschwerdeführer erhebt gegen diese Konstatierungen den Vorwurf, daß sie nicht oder nur unzureichend begründet wären, ohne jedoch näher darzulegen, worin er eine dem herangezogenen Nichtigkeitsgrund entsprechende Willkürlichkeit oder Denkgesetzwidrigkeit der Sachverhaltsannahmen erblickt. Die Überzeugung des Schöffengerichtes, daß Bergung und Abtransport eines Mannes, der in der Nacht mit einer schweren Schädelverletzung bewußtlos auf einem Bahndamm liegt, das Zusammenwirken mehrerer Personen erfordert und vom Angeklagten nicht allein zu bewerkstelligen gewesen wäre, bedurfte im Hinblick auf die Übereinstimmung mit der allgemeinen Lebenserfahrung keiner gesonderten Erörterung und war zudem im Anlaßfall bereits deshalb nicht weiter begründungsbedürftig, weil der Angeklagte seiner Verantwortung zufolge wegen einer Gehbehinderung allein schon beim Aufsuchen der Unfallstelle Schwierigkeiten gehabt hatte (S 197 f). Das Gericht gelangte ferner auf tragfähiger Grundlage zur Überzeugung, daß es für den Angeklagten wegen des aufgegebenen Diebstahlsvorhabens notwendig war, bei Herbeiholung von Hilfe für den Mittäter Stefan F***** vorerst sein Bekanntsein mit dem Genannten zu leugnen und einen Sturz aus dem Zug zu erfinden (US 7). Demgemäß mußte es aber die Überlegung, wonach der schon bei den tatsächlichen Gegebenheiten mit Nachforschungen und einer Aufdeckung des wahren Sachverhaltes rechnende und ihnen durch unrichtige Angaben entgegenwirkende Angeklagte auch für den hypothetischen Fall der Diebstahlsvollendung solche Maßnahmen erwartete und seine Ausforschung als Täter befürchtete, nicht zusätzlich begründen, weil dies nach den Feststellungen klar auf der Hand lag. Die aus diesen Prämissen von den Tatrichtern gezogene Schlußfolgerung, daß der Angeklagte nicht aus freien Stücken von der Diebstahlsvollendung abließ, sondern hiezu durch die Einsicht gezwungen wurde, bei Tatverübung unter den unerwartet hinzugetretenen, aus dem Unfall seines Mittäters resultierenden Umständen als Dieb ausgeforscht zu werden, basiert auf einer durchaus logischen und aus empirischer Sicht einleuchtenden Überlegung, weshalb vom eingewendeten Mangel einer unzureichenden Urteilsbegründung nicht die Rede sein kann.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit. b) argumentiert der Beschwerdeführer damit, daß er vom Diebstahlsversuch freiwillig zurückgetreten sei, weil die Freiwilligkeit des Handelns auch dann erhalten bleibe, wenn das Motiv für die Aufgabe des Tatentschlusses die Furcht vor Entdeckung und Strafe sei.

Dieser Beschwerdestandpunkt erweist sich mangels ausreichender Differenzierung zwischen allgemeiner Befürchtung von Unrechtsfolgen als Beweggrund für die Abstandnahme von einem gleichwohl als durchführbar angesehenen Vorhaben einerseits und situationsbedingter konkreter Furcht als tatplanwidrig wirksames Hindernis gegen die Fortsetzung eines deliktischen Vorhabens andererseits als verfehlt. Die Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch wird zwar dadurch, daß sie auf allgemeiner Furcht vor Entdeckung und Strafe beruht, nicht ausgeschlossen, wenn dem Täter nichtsdestoweniger die Vorstellung erhalten bleibt, daß ihm eine dem Tatplan entsprechende Vollendung seines Vorhabens nach wie vor möglich wäre. Wenn sich jedoch die konkrete Befürchtung eines Täters, entdeckt zu werden, dahin auswirkt, daß er sich außerstande wähnt, sein Ziel tatplanmäßig zu erreichen, kommt Freiwilligkeit nicht in Betracht (SSt. 52/40).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Angeklagte nach Auffindung seines verunglückten Mittäters annahm, im Falle der Vollendung des Diebstahlsvorhabens als Täter ausgeforscht und bestraft zu werden. Damit war aber der Tatplan in einem wesentlichen Punkt undurchführbar geworden, hatte doch der Angeklagte (auch) darauf abgezielt, als Dieb unentdeckt zu bleiben. Da er es aus diesem Grund unterließ, sein deliktisches Vorhaben zu Ende zu führen, handelte er nicht aus einem autonomen Motiv, sondern im Bewußtsein der Aussichtslosigkeit, sein auch die Vermeidung von Hinweisen auf seine Täterschaft umfassendes Ziel zu erreichen, weshalb der Versuchsrücktritt nicht freiwillig war.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten als erschwerend, als mildernd hingegen, daß die Tat beim Versuch geblieben ist. Es verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten.

Dagegen richtet sich die auf eine Strafherabsetzung abzielende Berufung des Angeklagten, in der er dem Erstgericht zum Vorwurf macht, den Vorstrafen zu große Bedeutung beigemessen und den im Hinblick auf den Wert der erhofften Beute geringen Unrechtsgehalt der ohnedies nur beim Versuch gebliebenen Tat zu wenig berücksichtigt zu haben. Außerdem hätte ihm zugutegehalten werden müssen, daß er sich seinem schwer verletzten Mittäter gegenüber korrekt verhalten habe, indem er Gendarmerie und Rettung zu Hilfe rief.

Bei diesem Vorbringen übersieht der Berufungswerber, daß das entscheidende - und strafsatzbestimmende - Kriterium für die Strafbemessung im vorliegenden Fall der Schuldvorwurf gewerbsmäßiger Begehungsweise ist, demgegenüber der objektive Unrechtsgehalt der Tat deutlich in den Hintergrund tritt. Die dem Komplizen gewährte Hilfeleistung stellt aber keinen Milderungsgrund dar, weil der Angeklagte bei Unterlassung derselben eine weitere strafbare Handlung (§ 95 Abs. 1 StGB) zu verantworten gehabt hätte. Auch sonst bieten die konkreten Umstände dieses Falles keinen Anlaß zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe, zumal die letzte Verurteilung wegen völlig gleichartiger Diebstähle erst drei Monate zurücklag. Deshalb war auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Angeklagten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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