Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 9.518,40 (darin 1.586,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Dem Beklagten wurde am 1.10.1991 in einem Fahrnisexekutionsverfahren ein PKW der Type BMW 325 ix um das geringste Gebot von 102.500 S zugeschlagen.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Herausgabe dieser Sache. Sie habe den PKW am 1.9.1989 um 474.897 S gekauft und daran durch Übergabe gemäß § 428 erster Halbsatz ABGB Eigentum erworben. Mit Vertrag vom 20.9.1989 habe sie ihn der nunmehrigen Ehefrau des Verpflichteten (richtig: der Verpflichteten) verleast. Im Protokoll über die Pfändung des PKW finde sich der Vermerk: "Zu PZ 11 wurde Fremdeigentum behauptet, Belehrung erteilt". Einer ihrer Angestellten habe erst unmittelbar vor der Versteigerung davon erfahren. Dieser habe den Gerichtsvollzieher in einem Telefongespräch darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei dem zu versteigernden PKW um ein Leasingfahrzeug handle. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang damit habe der Beklagte ihrem Angestellten mitgeteilt, daß er das Fahrzeug soeben ersteigert habe, und die Herausgabe des Typenscheins verlangt. Der Beklagte sei beim Erwerb nicht redlich gewesen, weil er infolge des Fehlens des Typenscheins und des mit dem Gerichtsvollzieher geführten Telefongesprächs die Verpflichtete nicht für die Eigentümerin des PKW halten habe dürfen.
Der Beklagte wendete ein, daß er in den Exekutionsakt nicht Einsicht genommen und von dem unmittelbar vor der Versteigerung geführten Telefongespräch keine Kenntnis gehabt habe. Er habe den Gerichtsvollzieher erst nach der Übergabe des Fahrzeuges nach dem Typenschein gefragt und sich dann erst von zu Hause mit der klagenden Partei in Verbindung gesetzt. Von dieser sei er an ihren Vertreter verwiesen worden, von dem er erfahren habe, daß der PKW Eigentum der klagenden Partei sein solle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Die Verpflichtete des Fahrnisexekutionsverfahrens leaste am 20.9.1989 den versteigerten, von der Wolfgang Denzel Kraftfahrzeuge Aktiengesellschaft an die klagende Partei verkauften PKW für die Dauer von 48 Monaten. Dieser PKW wurde am 28.8.1991 gepfändet, wobei im Pfändungsprotokoll festgehalten wurde, daß "Fremdeigentum" an dem PKW (offensichtlich von der bei der Pfändung anwesenden Verpflichteten) behauptet und daß (offensichtlich dieser) "Belehrung" erteilt wurde. Am 1.10.1991 wurden am Ort der Pfändung mehrere gepfändete Gegenstände, darunter der PKW, versteigert. Zu Beginn der Versteigerung wies der Ehemann der Verpflichteten den Gerichtsvollzieher darauf hin, daß es sich bei dem PKW um ein Leasingfahrzeug handle. Ein Angestellter der klagenden Partei, der vom Ehemann der Verpflichteten von der bevorstehenden Versteigerung verständigt wurde, versuchte in einem Telefongespräch, vom Gerichtsvollzieher die Aufschiebung der Versteigerung mit dem Hinweis zu erreichen, daß die klagende Partei Eigentümerin des PKW und im Besitz des Typenscheins sei. Der Gerichtsvollzieher teilte dem Angestellten der klagenden Partei jedoch mit, daß die Versteigerung stattfinden werde. Der Beklagte kam erst nach diesem Telefongespräch zum Ort der Versteigerung. Er hatte in den Exekutionsakt nicht Einsicht genommen. Vor der Ausbietung des PKW gab der Gerichtsvollzieher den Schätzwert bekannt und teilte mit, daß für das Fahrzeug kein Typenschein vorhanden sei. Davon, daß "Fremdeigentum" behauptet wurde, erwähnte er nichts.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Beklagte zum maßgebenden Zeitpunkt der Zuschlagserteilung redlich gewesen sei und deshalb an dem PKW Eigentum erworben habe. Das Fehlen des Typenscheins habe noch keinen Schluß darauf zugelassen, daß das gepfändete Kraftfahrzeug nicht im Eigentum der Verpflichteten stehe, zumal es auch darauf zurückzuführen sein hätte können, daß der Gerichtsvollzieher diese - in der Regel wohl gesondert vom Fahrzeug aufbewahrte - Urkunde nicht vorgefunden habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der gute Glaube des Erstehers werde zwar schon durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Wenn bei der gerichtlichen Versteigerung eines Kraftfahrzeuges der Typenschein fehle, sei dies - anders als bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung - kein Grund, am Eigentum des Verpflichteten zu zweifeln und einen Bietinteressenten zu weiteren Nachforschungen zu verhalten. Dieser könne vielmehr davon ausgehen, daß das vom Gerichtsvollzieher bekanntgegebene Fehlen des Typenscheins bereits von Amts wegen zur Kenntnis genommen und als bedeutungslos erkannt worden sei. Der Bietinteressent könne auch in Betracht ziehen, daß der Typenschein bloß beim Verpflichteten nicht vorgefunden worden sei und dieser kein Interesse habe, ihn vorzulegen.
Rechtliche Beurteilung
Die von der klagenden Partei gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil zur Frage, welche Bedeutung das Fehlen eines Typenscheins bei der gerichtlichen Veräußerung hat, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.
Gemäß § 367 ABGB findet gegen den redlichen Besitzer einer beweglichen Sache die Eigentumsklage unter anderem dann nicht statt, wenn er die Sache in einer öffentlichen Versteigerung "an sich gebracht" hat. Die für den Eigentumserwerb nach dieser Gesetzesstelle demnach erforderliche Gutgläubigkeit wird schon durch leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen (JBl 1980, 589 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach ausgesprochen, daß das Fehlen des Typenscheins insbesondere wegen der Tatsache, daß Kraftfahrzeuge häufig auf Kredit und mit Eigentumsvorbehalt verkauft werden, den Erwerber zu besonderer Vorsicht und zu Nachforschungen verpflichtet, und daß die Unterlassung der Aufklärung des bestehenden und von ihm zu berücksichtigenden Verdachtes sogar auffallende Sorglosigkeit und somit grobe Fahrlässigkeit begründet. Diese Entscheidungen betrafen aber entweder den Erwerb des Pfandrechts durch Verpfändung (so die von der klagenden Partei in der Revision zitierte Entscheidung 1 Ob 177/73 = HS 8272) oder den Erwerb des Eigentums durch Kauf (so die Entscheidungen HS 10.760; SZ 34/197, dort für den dem Typenschein entsprechenden deutschen Kraftfahrzeugbrief; 5 Ob 666/80; 7 Ob 597/76). Der darin angesprochene Grundsatz kann entgegen der von der klagenden Partei vertretenen Meinung nicht einfach auf den Erwerb des Eigentums bei einer öffentlichen Versteigerung im Exekutionsverfahren übertragen werden.
Der Typenschein ist als Sache, die keinen Vermögenswert hat und für sich allein nicht verwertbar ist (SZ 55/112), nicht Gegenstand der Pfändung. Er wird daher auch durch die Pfändung des Kraftfahrzeuges, für das er ausgestellt wurde, nicht erfaßt und es steht dieser Pfändung nicht entgegen, wenn er nicht vorgefunden wird. Der Ersteher hat gegen den Verpflichteten keinen Anspruch auf Herausgabe des Typenscheines (SZ 47/50).
Ein Bietinteressent darf unter diesen Umständen die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß der Typenschein bei der Pfändung des den Gegenstand der Versteigerung bildenden Kraftfahrzeuges nicht vorgefunden wurde oder daß der Verpflichtete die Herausgabe verweigert hat. Wird bei einer gerichtlichen Versteigerung bekannt, daß der Typenschein fehlt, so reicht dies daher für sich allein noch nicht aus, daß ein Bietinteressent im Sinn des § 368 ABGB einen "gegründeten Verdacht" gegen das Eigentum des Verpflichteten haben muß. Etwas anderes wird etwa in dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 10.12.1992, 7 Ob 634/92, zugrunde liegenden Fall gelten. Darin wurde die Fahrlässigkeit des Erstehers bejaht, weil eine Angestellte des Verpflichteten vor der Versteigerung unter Vorlage des Leasingvertrages bekanntgab, daß das zu versteigernde Kraftfahrzeug im Eigentum eines Dritten stehe. Ein mit diesem Sachverhalt vergleichbarer Sachverhalt liegt hier aber nicht vor; der Beklagte hatte nämlich von dem zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Angestellten der klagenden Partei geführten Telefongespräch keine Kenntnis.
Ein Bietinteressent, dem bloß bekannt ist, daß der Typenschein für das zu versteigernde Kraftfahrzeug fehlt, ist deshalb entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung zu weiteren Nachforschungen nicht verpflichtet und muß insbesondere nicht in das Pfändungsprotokoll Einsicht nehmen. In der Regel wird auch nicht angenommen werden können, daß ein Bietinteressent die Bestimmung des § 253 Abs. 3 EO kennt, wonach die Ansprüche, die dritte Personen bei der Pfändung an den gepfändeten Sachen behaupten, im Pfändungsprotokoll anzumerken sind (vgl auch Punkt 89 DV). Es muß daher hier nicht erörtert werden, welche Bedeutung es hat, wenn der Ersteher davon wußte, daß dritte Personen solche Ansprüche behauptet haben oder der Verpflichtete die gepfändete Sache als ihm nicht gehörend bezeichnet hat.
Die Ansicht, daß allein das Fehlen des Typenscheins bei einem Bietinteressenten einen gegründeten Verdacht hervorrufen muß, würde in vielen Fällen ungerechtfertigt zur Vereitelung der Versteigerung führen und deshalb die Interessen des betreibenden Gläubigers in unzumutbarer Weise beeinträchtigen; dies würde aber zweifellos nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Der Verpflichtete könnte nämlich die Versteigerung eines Kraftfahrzeuges allein dadurch verhindern, daß er den Typenschein nicht herausgibt oder ihn an einem Ort verwahrt, an dem er von dem die Pfändung vornehmenden Gerichtsvollzieher nicht aufgefunden wird.
Bei der gebotenen Abwägung der Interessen des Eigentümers und des Erstehers ist ferner zu bedenken, daß der Verpflichtete auf Grund des mit dem Eigentümer bestehenden Vertragsverhältnisses im allgemeinen die Pflicht hat, den Eigentümer von der bevorstehenden Versteigerung zu verständigen, um es ihm zu ermöglichen, gegen die Exekution gemäß § 37 EO Widerspruch zu erheben. Diese Pflichtverletzung seines Vertragspartners muß sich der Eigentümer aber auch im Verhältnis zu einem Dritten zurechnen lassen, was dazu führt, daß er diesem gegenüber weniger schutzwürdig ist.
Alle diese Überlegungen zeigen, daß die Ansicht der klagenden Partei zu einem nicht sachgerechten Ergebnis führt und daher abzulehnen ist.
Sieht man von den allgemeinem, oben schon wiedergegebenen Grundsatz ab, daß auch bei der öffentlichen Versteigerung leichte Fahrlässigkeit den guten Glauben ausschließt, so ist für die klagende Partei aus der von ihr in der Revision ins Treffen geführten Entscheidung 5 Ob 630/79 (= JBl 1980, 589) nichts zu gewinnen. In dem dort entschiedenen Fall hatte nämlich der Ersteher davon Kenntnis, daß der Verpflichtete den Leiter der Versteigerung ausdrücklich darauf aufmerksam machte, daß der ausgebotene Gegenstand nicht in seinem Eigentum steht. Dies kann aber nicht einfach mit dem Fehlen des Typenscheins gleichgesetzt werden, zumal dies, wie schon dargelegt wurde, auf andere Gründe als darauf zurückgeführt werden kann, daß der Verpflichtete nicht Eigentümer der ausgebotenen Sache ist.
Die Vorinstanzen haben somit das von der klagenden Partei gestellte Klagebegehren zu Recht abgewiesen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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