OGH 5Ob522/93

OGH5Ob522/9322.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosemarie P*****, Hausfrau, ***** G*****, H*****gasse 9, vertreten durch Dr.Wilfried Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Ing.Peter P*****, Tonmeister, ***** G*****, H*****gasse 4, vertreten durch Dr.Peter Schaden, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhalts (Reststreitwert S 193.725,-) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgericht vom 29.April 1993, GZ 2 R 165/93-17, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 27.Jänner 1993, GZ 28 C 52/92-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 8.836,20 (darin enthalten S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des landesgerichtes für ZRS Graz vom 21.3.1984, 18 Cg 71/84-4, gemäß § 55 Abs 3 EheG geschieden, wobei gemäß § 61 Abs 3 EheG das alleinige Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe festgestellt wurde. Der in der Folge beim Bezirksgericht für ZRS Graz zu 31 C 176/84 anhängige Unterhaltsstreit endete am 5.2.1985 mit einem Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, der Klägerin monatlich S 11.000,- zu zahlen. Diese Unterhaltsleistung inkludierte den monatlichen Krankenkassenbeitrag der Klägerin (damals S 1.200,-) und berücksichtigte den Umstand, daß der Beklagte ein monatliches Durchschnittseinkommen von rund S 32.000,- netto bezog und für zwei Kinder sorgepflichtig war, denen er monatlich je S 3.690,- zu zahlen hatte. Die Klägerin war ohne eigenes Einkommen.

Nunmehr beläuft sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage (bis einschließlich März 1994) auf S 78.804,48; außerdem sind die Sorgepflichten des Beklagten für die beiden Kinder weggefallen. Die Klägerin ist nach wie vor nicht berufstätig; ihr monatlicher Krankenkassenbeitrag hat sich 1992 auf S 2.232,- und 1993 auf S 2.350,- erhöht.

Mit Teilanerkenntnisurteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 18.11.1992 (ON 8) wurde der Klägerin für die Monate März 1992 bis einschließlich März 1994 ein zusätzlicher monatlicher Unterhaltsbetrag von S 15.005,- zuerkannt. Die Klägerin begehrt jedoch für den angeführten Zeitraum weitere S 7.749,- monatlich (insgesamt also S 33.754,-), wobei sie von der Erwägung ausgeht, daß ihr der Beklagte - unter Aufrechterhaltung der Vergleichsrelationen - 40 % seines Nettoeinkommens und dazu noch den Krankenkassenbeitrag zu leisten habe.

Der Beklagte hält dem entgegen, daß es immer um die Ausmessung des gesetzlichen Unterhalts gegangen sei und die Klägerin - inklusive Krankenkassenbeitrag - daher nicht mehr als 33 % seines derzeitigen Durchschnittseinkommens verlangen könne. Er hat daher die Abweisung des nicht anerkannten Klagebegehrens beantragt.

Das Erstgericht gab dem restlichen Unterhaltsbegehren der Klägerin statt. Es gelangte nämlich nach Vernehmung der Parteien und des seinerzeitigen Vertragsverfassers (des jetzigen Klagsvertreters) zur Überzeugung, daß sich die Streitteile am 5.2.1985 darauf geeinigt hätten, daß die Klägerin 40 % des verfügbaren Einkommens des Beklagten (S 24.620,- nach Abzug der Unterhaltszahlungen an die Kinder) und dazu noch den Krankenkassenbeitrag erhalten sollte. In der Folge sei der Unterhaltsanspruch der Klägerin auch immer nach dieser Formel errechnet worden (S 7 des Ersturteils ON 11). Daher stünden der Klägerin - bei grundsätzlicher Weitergeltung des Vergleiches - auch jetzt 40 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage und der Ersatz des Krankenkassenbeitrages zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Erwägung, daß es durchaus noch im Rahmen der Ausmessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche der nach § 55 Abs 3 EheG schuldlos geschiedenen Ehegattin gelegen sei, ihr in einem Vergleich 40 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage zuzugestehen. Die Aufrechterhaltung dieser Relation sei daher auch bei einer Neubemessung aufgrund geänderter Verhältnisse nicht zu beanstanden (RZ 1992, 290/95). Konstitutive Wirkung entfalte jedoch der streitgegenständliche Vergleich insofern, als die Klägerin dazu noch den Ersatz ihres monatlichen Krankenkassenbeitrages verlangen könne. An diese Vereinbarung sei der Kläger gebunden.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Begründet wurde dies mit der über den Einzelfall hinausreichenden Bedeutung der unterschiedlich beurteilten Vergleichsauslegung.

Rechtliche Beurteilung

Die nunmehr vorliegende Revision des Beklagten, in der er weiterhin die Limitierung des Unterhaltsanspruches der Klägerin mit 33 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage verlangt, ist - worauf die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen hat - mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO dennoch unzulässig.

Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, daß der gesetzliche Unterhaltsanspruch der einkommenslosen Ehefrau (gleiches gilt für die geschiedene Ehegattin; Purtscheller - Salzmann, Unterhaltsbemessung, Rz 130, hier iVm Rz 152) üblicherweise mit 33 % des Einkommens des Unterhaltspflichtigen bemessen wird, wenn keine sonstigen Sorgepflichten bestehen (Purtscheller - Salzmann aaO, Rz 92 E 8). Wurde jedoch ein von dieser Regel abweichender Unterhaltsvergleich geschlossen, der sich also nicht in der bloßen Konkretisierung des gesetzlichen Unterhaltsanspruches erschöpft, so ist bei der Neubemessung des Unterhalts aufgrund geänderter Verhältnisse an der seinerzeit festgelegten Relation zwischen Einkommen und Unterhaltsleistung im allgemeinen festzuhalten (JusExtra 831; RZ 1991, 231/72; ÖA 1992, 145 ua; vgl auch Purtscheller - Salzmann aaO, Rz 311 E 2). Inwieweit die geänderten Verhältnisse eine Korrektur des vereinbarten Unterhaltsanspruches erlauben, ist im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln.

Hier haben die Parteien eine Unterhaltsregelung vereinbart, die der Frau 40 % des verfügbaren Einkommens des Mannes und dazu noch den Ersatz ihrer Krankenkassenbeiträge zusicherte. Daß damit in Abweichung von den üblichen Bemessungsgrundsätzen eine Berechnungsformel für den Unterhaltsanspruch der Klägerin geschaffen werden sollte, die auch unter geänderten Verhältnissen ihre Geltung behält, ist eine mögliche, ja sogar naheliegende Interpretation dieses Unterhaltsvergleiches, die für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar ist, weil sie den besonderen Umständen des Falles Rechnung trägt und damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl MietSlg 38/32; EFSlg 64.132; JusExtra 1258 ua). Immerhin wurde der Unterhaltsanspruch der Klägerin jahrelang nach dieser Formel ermittelt. Umstände, warum sie gerade jetzt nicht zur Anwendung kommen sollte, sind nicht hervorgekommen.

Die Zulässigkeit der Revision läßt sich aber auch nicht damit begründen, daß das Berufungsgericht meinte, die vergleichsweise Unterhaltsregelung habe sich noch im Rahmen der Konkretisierung des gesetzlichen Ehegattenunterhalts (bezogen auf eine Scheidung nach § 55 Abs 3 EheG) gehalten und damit keinen neuen Anspruchsgrund geschaffen. Die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche läßt nämlich durchaus eine Bandbreite offen, die für die Berücksichtigung individueller Faktoren genützt werden kann. In diesem Sinn stellt die Zuerkennung eines Ehegattenunterhalts (oder Unterhalts der geschiedenen Frau), der 33 % des Einkommens des Unterhaltspflichtigen übersteigt, nicht schon für sich allein einen Bemessungsfehler dar, der die Anrufung des Obersten Gerichtshofes rechtfertigt (vgl RZ 1992, 290/95). Auch hier bleiben die Umstände des Einzelfalls beachtlich, die im gegenständlichen Fall - wiederum unter Einbeziehung des Unterhaltsvergleiches und seiner Handhabung - darauf hinauslaufen, daß die Klägerin keineswegs auf den Mindestunterhalt verwiesen werden sollte. Ein grober Ermessensfehler des Berufungsgerichtes, der Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision wäre (vgl WoBl 1992, 155/112), ist somit auszuschließen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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