OGH 6Ob600/93

OGH6Ob600/9322.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Gesellschaft mbH,***** vertreten durch Dr.Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, Internationale Transporte, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Sinnißbichler, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 188.494,15 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 27.April 1993, GZ 3 R 53/93-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7.Dezember 1992, GZ 10 Cg 112/92-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.836,20 (darin S 1.472,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt aufgewendete Reparaturkosten von S 188.494,15 sA für einen der Beklagten unentgeltlich zur Verfügung gestellten Vorführwagen. Der LKW sei während der Dauer der Probefahrt nicht vollkaskoversichert gewesen. Der Übernehmer des Fahrzeuges habe anläßlich der Übernahme einen entsprechenden ausdrücklichen Hinweis in der Übernahmsbestätigung unterfertigt. Das Begehren werde auf den Titel des Schadenersatzes und auf den des Vertrages "laut Übernahmsbestätigung" gestützt.

Die Beklagte wandte ein, sie habe keinen Reparaturauftrag erteilt. Anläßlich der Vereinbarung einer unentgeltlichen Probefahrt mit einem LKW DAF nach Belgien habe die Klägerin auf ausdrückliche Anfrage zugesichert, das Fahrzeug sei naturgemäß vollkaskoversichert, sodaß im Schadenfall lediglich der Selbstbehalt zu zahlen sei. Die dem Kraftfahrer der Beklagten zur Unterfertigung vorgelegte Übernahme- und Übergabebestätigung sei von diesem nicht überprüft worden. Es sei ihm gesagt worden, es ginge lediglich um eine Erklärung zur Bezahlung des Selbstbehaltes. Die Klägerin habe die ihr obliegenden Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten verletzt, weil sie auf die mangelnde Vollkaskoversicherung nicht hingewiesen habe. Die Beklagte sei über einen wesentlichen Inhalt der Erklärung, das Fehlen einer Versicherung, in Irrtum geführt worden. Bei entsprechender Mitteilung hätte die Beklagte für die Dauer der Probefahrt selbst eine Versicherung abgeschlossen. Sie sei daher nur bereit, einen entsprechenden Selbstbehalt zu zahlen.

Das Erstgericht wies die Klage unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen ab: Die Beklagte faßte ins Auge, von der Klägerin einen LKW DAF zu kaufen. Im Zuge der hierüber geführten Gespräche bot der zuständige Angestellte der Klägerin dem Prokuristen der Beklagten an, einen Vorführwagen zur Probe für einen Auslandstransport zur Verfügung zu stellen. Über Befragen des Prokuristen nach der Art der Fahrzeugversicherung erklärte der Angestellte der Klägerin, deren Fahrzeuge seien kaskoversichert; im Falle eines Schadens an einem Vorführfahrzeug sei nur ein geringer Selbstbehalt zu bezahlen. Da zum Zeitpunkt dieses Gespräches das Vorführfahrzeug gerade nicht verfügbar war, verblieben die Gesprächspartner so, daß sich der Prokurist der Beklagten melden werde, wenn er Interesse an der Inanspruchnahme des Vorführfahrzeuges habe. In der Folge wurde zwischen den Streitteilen ein Termin für die Probefahrt fixiert. In Begleitung eines weiteren bei der Beklagten Beschäftigten fand sich ein Kraftfahrer der Beklagten am 28.10.1991 bei der Klägerin ein, um das Fahrzeug abzuholen. Ein Angestellter der Klägerin legte dem Kraftfahrer ein Formular "Übernahme- und Übergabebestätigung für Vorführwagen-Leihwagen", in welches er handschriftlich die Fahrzeugdaten, den Namen der Beklagten und jenen des Kraftfahrers sowie die Dauer der zur Verfügungstellung des Fahrzeuges einsetzte, zur Unterschrift vor. Das Formular enthielt in der Zeile über jener, an der Ort und Datum der Übernahme einzusetzen sind, den Vordruck "Dieses Fahrzeug ist NICHT kaskoversichert. Wert

...... ".

Vor Unterfertigung dieser Übernahmebestätigung fragte der Begleiter des Kraftfahrers den das Fahrzeug übergebenden Angestellten der Klägerin, was sei, wenn mit dem Fahrzeug auf der Fahrt ein Unfall passiere und erhielt die Antwort, das Fahrzeug sei ohnedies kaskoversichert, bei einem Unfall sei nur der Selbstbehalt zu zahlen. Der Kraftfahrer der Beklagten verließ sich auf diese Angaben und unterfertigte die Übernahmebestätigung, ohne sie im einzelnen durchzulesen. Während der Inanspruchnahme des Fahrzeugs durch die Beklagte erlitt dieses in Belgien eine Unfallbeschädigung. Die Klägerin stellte der Beklagten im Dezember 1991 die Kosten der in Belgien durchgeführten provisorischen Reparatur von S 24.212,83 und der endgültigen Reparatur in Österreich von S 164.281,32 in Rechnung. Die Beklagte lehnte, weil festgelegt worden sei, daß für das Fahrzeug eine Kaskoversicherung bestehe, die Zahlung von Reparaturkosten ab.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte habe sich anläßlich der schriftlichen Bestätigung vom 28.10.1991 zu Recht auf Irrtum berufen. Die Urkunde habe über das Vorliegen einer Kaskoversicherung etwas anderes enthalten, als sich der Übernehmer des Fahrzeuges bei der Unterzeichnung der Urkunde vorgestellt habe. Auf Grund der unmittelbar zuvor abgegebenen Erklärung des Angestellten der Klägerin sei jener davon ausgegangen, das Fahrzeug sei vollkaskoversichert. Es liege daher ein der Beklagten zuzurechnender von der Klägerin veranlaßter Erklärungsirrtum vor. Auf Grund der ausdrücklichen Zusagen der Klägerin habe diese gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz der während der Benützung des Vorführwagens eingetretenen Schäden mit Ausnahme des Selbstbehaltes; ein solcher sei aber nicht begehrt und konkretisiert worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge.

Die bekämpfte Feststellung, daß auch anläßlich der Übernahme des Leih-LKW seitens der Klägerin neuerlich zugesichert worden sei, das Fahrzeug sei kaskoversichert, sei nicht entscheidungswesentlich, weil dies unbekämpft schon anläßlich der Einigung über eine Probefahrt geschehen sei. Unabhängig davon, ob zwischen den Streitteilen nur ein Leihvertrag im Sinne der §§ 971 f ABGB oder ein Kauf nach Probe beabsichtigt gewesen sei, ändere sich an der grundsätzlichen Haftung der Beklagten für Beschädigungen nichts. Die festgestellte Zusage, das Fahrzeug sei vollkaskoversichert, sei eine bloße Wissensmitteilung gewesen; ein Parteiwille im Sinne einer Verpflichtung der Klägerin, den überlassenen LKW zu versichern, könne daraus nicht abgeleitet werden. Die Beklagte als Entlehnerin habe aber darauf vertrauen können, daß im Falle eines Unfalles der Klägerin wirtschaftlich kein weiterer Schade als ein allfälliger Selbstbehalt und eine Forderung höchstens in dieser Höhe entstehen werde. Der Verleiher hafte nur für Vorsatz. Diese Regel werde aber dann durchbrochen, wenn der verliehenen Sache Eigenschaften fehlten, die nach der Verkehrsauffassung im allgemeinen vorausgesetzt würden, deren Fehlen den Gebrauch aber gefährlich oder riskant machten. Dies sei auch dann der Fall, wenn ein LKW ohne Bestehen einer Kaskoversicherung verliehen werde. Die Klägerin hafte daher auch bei bloßer Fahrlässigkeit für die Verletzung ihrer Aufklärungspflicht über den fehlenden Versicherungsschutz, dies umsomehr, als sie diesen Versicherungsschutz als bestehend behauptet habe. Dieser Aufklärungspflicht habe die Klägerin durch Überreichen der den Hinweis auf die fehlende Kaskoversicherung enthaltenden Übergabe- und Übernahmebestätigung nicht entsprochen. Denn es gehe nicht an, daß die Klägerin ihre ursprüngliche Zusage durch kommentarlose Vorlage der Übernahmsbestätigung an einen bloßen Kraftfahrer der Beklagten widerrufe. Dieser sei nach allgemeinen Grundsätzen bloß als Bote zur Übernahme des Fahrzeuges als ermächtigt anzusehen. Im übrigen müsse man beim Widerruf einer solchen Zusicherung gegenüber einem Kraftfahrer von der Klägerin eine besondere Hervorhebung erwarten, weil die (wenn auch nicht versteckte) Klausel in der Übernahmsbestätigung im Widerspruch zur vorherigen mündlichen Zusicherung gestanden sei. Da ein Selbstbehalt nicht geltend gemacht worden sei, sei der Schadenersatzanspruch abzuweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Entscheidung zur Leihe eines Kraftfahrzeuges ohne Versicherungsschutz nicht aufgefunden werden konnte und die Überlassung von Fahrzeugen zu Probefahrten häufig vorkomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist im vorliegenden Fall nicht die Frage des Umfanges der Haftung des Verleihers für dem Entlehner entstandene Schäden entscheidend, sondern vielmehr der Inhalt des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages. Die zwischen dem Angestellten der Klägerin und dem Prokuristen der Beklagten getroffene Vereinbarung kann nach den abgegebenen Erklärungen nur dahin verstanden werden, daß die Klägerin der Beklagten einen kaskoversicherten LKW der Marke DAF für eine nach Datum und Dauer festgelegte Zeit unentgeltlich zur Verfügung stellt. Damit waren alle Einzelheiten des Leihvertrages festgelegt, wenn dieser auch als Realkontrakt erst mit der Übergabe der geliehenen Sache perfektioniert wurde. Selbst wenn man mit dem Berufungsgericht die über ausdrückliches Befragen abgegebene Erklärung des Vertreters der Klägerin, deren Fahrzeuge seien vollkaskoversichert, bei einem Unfall sei lediglich ein geringer Selbstbehalt zu bezahlen, als bloße Wissenserklärung ansehen wollte, müßte ihr in wertungsmäßiger Übereinstimmung mit § 871 ABGB Rechtswirkung zukommen, weil dem Erklärenden die Wissenserklärung zurechenbar ist und die Beklagte im guten Glauben nachhaltig - durch Unterlassung des Abschlusses einer Kaskoversicherung für den Zeitraum der Probefahrt - disponiert hat (vgl Rummel in Rummel ABGB2 Rz 4 zu § 863 und die dort angeführten zahlreichen Nachweise). Eine Abänderung des zustandegekommenen Vorvertrages, der inhaltlich die Haftung der Beklagten für Unfallschäden auf jenen Betrag begrenzte, den die Klägerin als Versicherungsnehmerin ihrer Kaskoversicherung zu zahlen hatte, anläßlich der Übergabe durch Unterfertigung des Übergabe- und Übernahmeprotokolles durch den Kraftfahrer der Beklagten, der das Fahrzeug abholen sollte, ist nicht erfolgt. Dieser war nach der Natur seines Auftrages nach dem äußeren Tatbestand nur als bevollmächtigt anzusehen, das Fahrzeug zu übernehmen und die Übernahme zu quittieren, keineswegs aber mit Wirkung für die Beklagte Änderungen oder einen Widerruf der abgeschlossenen Vereinbarung zur Kenntnis zu nehmen. Von einer Anscheinsvollmacht durfte die Klägerin nicht ausgehen.

Die Vorinstanzen haben das Begehren auf Zahlung von Reparaturkosten daher zu Recht abgewiesen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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