OGH 4Ob98/93

OGH4Ob98/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei S*****brauerei **********, vertreten durch Dr.Günther Dobretsberger und Dr.Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Ö*****Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Christian Beurle, Dr.Hans Oberndorfer und Dr.Ludwig Beurle, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 3.Juni 1993, GZ 12 R 24/93-9, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichtes Linz vom 15.März 1993, GZ 5 Cg 58/93-3 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Antrag der Klägerin, der Beklagten zu verbieten,

1. im geschäftlichen Verkehr Kunden der Klägerin behilflich zu sein, einen bestehenden Bierbezugsvertrag zu brechen, dies insbesondere dadurch, daß sie sich bereit erklärt, im Fall der Klage auf Vertragserfüllung die Kunden schad- und klaglos zu halten;

2. für die Dauer des für die Gaststätte M***** in ***** L*****, S*****straße *****, bestehenden Bierbezugsvertrages, demnach bis zur Abnahme von weiteren 1.972 hl Bier bei der Klägerin, diese Gaststätte mit Bier zu beliefern;

abgewiesen wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 39.195 bestimmten Kosten des Provisorialverfahrens (darin S 6.532,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Beide Parteien erzeugen und vertreiben Bier. Die Klägerin nahm 1974 das Anbot der O***** Genossenschaft mbH (jetzt: R***** Genossenschaft mbH) an, folgenden Bierbezugsvertrag zu schließen:

"1. Sie stellen uns für die Lokaleinrichtung zwei Espressomaschinen Cimbali M-15 A/2 TC mit Entkalker, zwei Kaffemühlen La Cimbali, eine Gläserspülmaschine La Cimbali Modell 101 zu einem Gesamtwert von S 100.000 (Schilling einhunderttausend) leihweise und ohne Entrichtung eines Entgeltes dergestalt zur Verfügung, daß dieses Inventar mit Erfüllung der in diesem Anbot angeführten Bierabnahmevereinbarung in unser unentgeltliches Eigentum übergeht.

2. Außerdem gewähren Sie uns einen Umsatzbonus in Höhe von 8 % (acht Prozent) des Biernettoeinkaufswertes, welcher Bonus auf der uns monatlich zugehenden Monatsrechnung jeweils durch sofortigen Abzug Berücksichtigung finden wird. Den dann noch verbleibenden Zahlungsbetrag werden wir jeweils sofort nach Erhalt der Rechnung an Sie zur Überweisung bringen.

3. Außerdem hatten Sie die Freundlichkeit, uns die Erstbeistellung der notwendigen Gläser gratis zuzusagen, wie auch Ihre guten Dienste für eine fachmännische Beratung über die Bierausschankvorrichtung anzubieten.

In Anbetracht dieses Engagements verpflichten wir uns hiemit, sämtliches in der vorgenannten Cafeteria zum Ausschank oder sonstigen Absatz gelangende Bier ausschließlich und ununterbrochen nur von Ihnen bzw Ihren Depots zu beziehen, und zwar auf die Dauer von fünfzehn Jahren ab Eröffnung, wobei eine Abnahmemenge von 4.000 hl als vereinbart gilt. Sollte diese Abnahmemenge im vorgenannten Zeitraum von fünfzehn Jahren nicht erreicht werden können, so verlängert sich dieser Zeitraum bis zur Erreichung der ausgeführten Abnahmemenge von 4.000 hl.

Diese Vereinbarung, die auf Rechtsnachfolger übergeht, ist von uns im Falle einer Verpachtung oder sonstigen Inbestandgabe auf die jeweiligen Bestandnehmer oder sonstigen Rechtsnehmer vollinhaltlich zu überbinden und es ist dafür Sorge zu tragen, daß diese Personen die Einhaltung der Vereinbarung gewährleisten.

Sollte die vorstehende Bierabnahmevereinbarung nicht eingehalten werden, so haben wir eine der richterlichen Mäßigungsberechtigung nicht unterliegende Konventionalstrafe in Höhe von 20 % des jeweiligen Biereinkaufswertes zu bezahlen bzw kann die Bezahlung auch im Rechtsnachfolgefall vom jeweiligen Rechtsnehmer durch Sie begehrt werden. Hinsichtlich der Bezugshöhe vertragswidrig bezogenen Bieres haben die jeweiligen Verpflichteten die diesbezüglichen Unterlagen vorzulegen. Durch die Bezahlung der Konventionalstrafe wird jedoch die Bierabnahmevereinbarung weder gehemmt noch aufgehoben.

Sollte die vertragsgegenständliche Cafeteria während der Vereinbarungszeit durch Umbau, Ausbau oder Neubau oder durch Verlegung weitere Bierabgabestellen als die derzeit geplanten erhalten oder den Standort ändern, so gilt auch für diese Fälle die gegenständliche Vereinbarung vollinhaltlich als auf diese Fälle ausgedehnt.

Das uns zur Verfügung gestellte Inventar wird auch für den Zeitraum, als es noch Ihr Eigentum ist, durch uns auf unsere Kosten instandgehalten.

....................."

Am 19.11.1992 schloß die B*****gesellschaft mbH, eine Immobilienverwaltungs-Tochtergesellschaft der R***** Genossenschaft mbH, mit Claudio N***** einen Pachtvertrag über das Lokal, auf das sich die Bierbezugsverpflichtung bezieht. Der Pachtvertrag nimmt auf den Bierbezugsvertrag wie folgt Bezug:

" VIII.

Der Pächter ist in Kenntnis darüber, daß für den Betrieb mit der S*****brauerei *****, ein ausschließlicher Bierbezugsvertrag vom 3.10.1974 besteht, von dem noch 1.972 hl offen sind. Er erklärt mit Durchführung des Vertrages, daß er diese Vereinbarung und die daraus resultierenden Verbindlichkeiten zur eigenen Erfüllung gegenüber der S*****brauerei übernimmt und somit gemeinsam mit der Verpächterin für die Erfüllung des Vertrages eine Gesamthandhaftung begründet.

Dieser Bierbezugsvertrag ist nach Meinung des Pächters nicht mehr gültig, es steht dem Pächter frei, mit der S*****brauerei eine vorzeitige Auflösung des bestehenden Bierbezugsvertrages herbeizuführen, wenn daraus keine Verpflichtungen für die Verpächterin entstehen.

Mit vollständiger Erfüllung oder vorzeitiger Auflösung bzw Wegfall dieses Bierlieferungsvertrages steht es dem Pächter frei, mit einer Brauerei bzw Getränkefirma einen neuen Bierliefervertrag abzuschließen, wenn aus dem Abschluß eines derartigen Vertrages für die Verpächterin keine Verpflichtungen entstehen können.

.........."

Mit Schreiben vom 17.11.1992 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber Claudio N*****i, ihn im Fall einer Klage der Klägerin auf Erfüllung des Bierbezugsvertrages schad- und klaglos zu halten. Claudio N***** bezieht das Bier seit der Eröffnung des Lokals Anfang 1993 von der Beklagten.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,

1. im geschäftlichen Verkehr Kunden der Klägerin behilflich zu sein, einen bestehenden Bierbezugsvertrag zu brechen, dies insbesondere dadurch, daß sie sich bereit erklärt, im Fall der Klage auf Vertragserfüllung die Kunden schad- und klaglos zu halten;

2. für die Dauer des für die Gaststätte M***** in ***** L*****, S*****straße *****, bestehenden Bierbezugsvertrages, demnach bis zur Abnahme von weiteren 1.972 hl Bier bei der Klägerin, diese Gaststätte mit Bier zu beliefern.

Die R***** Genossenschaft mbH habe das Lokal immer wieder verpachtet und die Bezugsverpflichtung jeweils überbunden. Die Klägerin habe den jeweiligen Pächtern mehrfach weitere Vergütungen gewährt. Von der vereinbarten Abnahmemenge seien noch 1.972 hl offen. Die Beklagte habe Claudio N***** dazu verleitet, den Vertrag mit der Klägerin zu brechen. Die Beklagte habe nicht davon ausgehen können, daß der Bierbezugsvertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ungültig sei. Die vom Pächter eingegangene Bindung gehe nicht über 15 Jahre hinaus. Der Pächter habe den Bierbezugsvertrag in seiner Kalkulation berücksichtigen können, weil der Pachtzins für eine "vertragsfreie Gaststätte" wesentlich höher sei. Mit dem Abschluß des Bierbezugsvertrages habe die Klägerin gegenüber der R***** Genossenschaft mbH keine wirtschaftliche Handlungsübermacht mißbraucht. Diese Umstände seien der Beklagten bekannt gewesen; sie habe mit der Verleitung zum Vertragsbruch und mit der Unterstützung des Vertragsbruches sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Bierbezugsvertrag habe sich bei seinem Abschluß auf eine Cafeteria mit nur 40 Sitzplätzen bezogen, so daß es von vornherein unmöglich gewesen sei, die vereinbarte Menge innerhalb von 15 Jahren abzunehmen. Die Klägerin habe daher versucht, die in diesen Dingen unerfahrene R***** Genossenschaft mbH über einen längeren Zeitraum als 15 Jahre zu binden. Die von der Klägerin behauptete Gegenleistung liege unter jenen Durchschnittssätzen, welche die Beklagte 1974 ihren Kunden gewährt habe. Aus dem Pachtvertrag mit Claudio N***** ergebe sich, daß dieser den Bierbezugsvertrag nur unter der Voraussetzung seiner Gültigkeit übernommen habe.

Werde die bisherige Jahresabnahmemenge zugrunde gelegt, dann ergebe sich eine Gesamtverkaufsdauer von 35 Jahren; über 15 Jahre hinausgehende Bierbezugsverträge seien aber im Normalfall sittenwidrig. Der Vertrag sei demnach 1990 sittenwidrig, unwirksam und nichtig geworden. Mit dem Bierbezug bei der Beklagten habe Claudio N***** den Vertrag nicht verletzen können; ohne Vertragsverletzung gebe es auch keine Verleitung zum und kein Ausnützen des Vertragsbruchs.

Claudio N***** sei in den Bierbezugsvertrag eingetreten; maßgebend sei daher die gesamte Vertragsdauer. Die Beklagte habe unabhängig von der Wirksamkeit des Bierbezugsvertrages davon ausgehen können, daß der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ungültig sei. Sie habe die Bezugsvereinbarung aus 1974 gekannt und die Information erhalten gehabt, daß die Klägerin keine weiteren wesentlichen Leistungen erbracht habe und vom Leihinventar nichts mehr vorhanden sei. Im Sinne der herrschenden Rechtsprechung habe die Beklagte annehmen müssen, daß der Bierbezugsvertrag nach Ablauf von 15 Jahren unwirksam geworden war. Sie habe Claudio N***** daher richtig informiert.

Die Klägerin habe 1974 ausgenützt, daß ihr, im Gegensatz zu ihrer Vertragspartnerin, Marktlage und branchenüblicher Bierverbrauch bekannt waren; sie sei daher nicht schutzwürdig.

Punkt 1 des Begehrens sei durch den Sachverhalt nicht gedeckt; eine Schad- und Klagloserklärung sei keine "Beihilfe" zum Vertragsbruch; Punkt 2 sei zeitlich zu beschränken, weil eine Vertragsdauer von 35 Jahren jedenfalls sittenwidrig sei.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit übermäßiger zeitlicher Bindung komme es auch auf andere Faktoren als auf die überlange Vertragsdauer an. Die Interessen der Parteien seien gegeneinander abzuwägen. Im konkreten Fall gehe es nicht um den Schutz des Vertragspartners der Klägerin, sondern um den des Pächters Claudio N*****. Dieser habe jedoch in Kenntnis des Bierbezugsvertrages den Pachtvertrag abgeschlossen und sich bereit erklärt, den Vertrag zu übernehmen. Auch wenn er der Meinung sei, daß der Bierbezugsvertrag nicht mehr gültig sei, bedürfe er nicht im besonderen Maße des Schutzes der Rechtsordnung, weil es ihm freigestanden wäre, den Pachtvertrag nicht abzuschließen.

Der neue Pächter sei daher jedenfalls verpflichtet, die noch offene Menge von 1.972 hl Bier abzunehmen. Eine umfassende Interessenabwägung sei nicht notwendig. Die Beklagte habe Claudio N***** durch Erteilung der Rechtsauskunft und Zusage der Schad- und Klagloshaltung dabei unterstützt, die Abnahmeverpflichtung zu brechen. Die Mitwirkung am Vertragsbruch sei sittenwidrig. Die Beklagte habe nicht zu Recht davon ausgehen dürfen, daß der Bierbezugsvertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ungültig sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Die Unterlassungsverpflichtung zu Punkt 2 sei zwar unglücklich formuliert, ihr Sinn sei aber eindeutig. Der Einwand der mangelnden Schlüssigkeit sei daher nicht berechtigt. Der Pachtvertrag sei dahin auszulegen, daß der Vorbehalt des Pächters nur für den Fall der tatsächlichen Ungültigkeit der vertraglichen Bindung gelten sollte. Der Pächter könne der Klägerin nur die noch offene Abnahmemenge und die damit verbundene Dauer der Vertragsbindung entgegenhalten. Die behauptete sittenwidrige Überlänge mache die Bezugsverbindung relativ (teil) nichtig; sie könne daher nur von dem in unzulässigem Umfang gebundenen Vertragspartner geltend gemacht werden. Das sei die R***** Genossenschaft mbH; diese wolle den Vertrag aber offenbar gegen sich gelten lassen. Der Pächter hingegen sei für einen kürzeren Zeitraum gebunden als zulässig erachtet werde. Die im Pachtvertrag übernommene Bezugsverpflichtung sei somit gegenüber der Klägerin wirksam; ihre Ungültigkeit sei aber jedenfalls nicht so überwiegend wahrscheinlich, daß sie einen Konkurrenten rechtfertigen könnte, der dem Kunden eines Mitbewerbers behilflich ist, sich von einer vertraglichen Bindung zu befreien, um selbst ins Geschäft zu kommen.

Es sei unerheblich, daß der neue Pächter, gleichbleibende Bierabnahme vorausgesetzt, rund 17 Jahre gebunden wäre. Der Bierbezugsvertrag sei bei überlanger Bindung nur teilnichtig. Da außerdem eine Steigerung des Bierabsatzes möglich sei, könne die Beklagte nicht auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Ungültigkeit des Vertrages verweisen. Für die Überbindung der Bezugsverpflichtung durch die Tochtergesellschaft der R***** Genossenschaft mbH reiche es aus, wenn diese bevollmächtigt oder wenn ihr Handeln genehmigt sei; das sei nach dem Klagsvorbringen offenkundig der Fall.

Da ein Mitbeweber die Vertragsbindung des umworbenen Kunden zu einem Konkurrenten nur dann nicht respektieren müsse, wenn deren Unwirksamkeit (Sittenwidrigkeit) auf der Hand liegt, habe die Beklagte mit der Förderung und Unterstützung des dem Pächter anzulastenden Vertragsbruches wettbewerbswidrig gehandelt, dies unabhängig davon, ob Claudio N***** schon selbst zum Vertragsbruch entschlossen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten. Die Rechtsmittelwerberin beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin vertritt die Auffassung, daß der neue Pächter die Bezugsverpflichtung nicht übernommen habe. Claudio N***** halte im Pachtvertrag ausdrücklich fest, daß seiner Meinung nach der Bierbezugsvertrag nicht mehr gültig sei; die Verpächterin stelle ihm ausdrücklich frei, den Bierbezugsvertrag nicht mehr einzuhalten, solange ihr daraus keine Verpflichtungen entstehen. Inhalt dieser Bestimmung sei daher lediglich die Erklärung des Pächters, die Verpächterin bei einer etwaigen Inanspruchnahme durch die Klägerin schad- und klaglos zu halten. Da Claudio N***** somit von vornherein erklärt habe, die Bezugsverpflichtung nicht anzuerkennen und nicht einhalten zu wollen, habe er von der Beklagten nicht dazu veranlaßt werden können, den Vertrag mit der Klägerin zu brechen; einen solchen Vertrag gebe es gar nicht. Einen Wirt bei seinem Entschluß zu unterstützen, nicht mit der Konkurrenz abzuschließen, sei nicht sittenwidrig, sondern gehöre zum Wesen des Wettbewerbs.

In Punkt VIII. des Pachtvertrages nimmt der Pächter zur Kenntnis, daß vom Bierbezugsvertrag noch 1.972 hl offen sind. Daran schließt sich seine Erklärung, "diese Vereinbarung und die daraus resultierenden Verbindlichkeiten zur eigenen Erfüllung gegenüber der Stieglbrauerei" zu übernehmen "und somit gemeinsam mit der Verpächterin für die Erfüllung des Vertrages eine Gesamthandhaftung" zu begründen. Erst danach ist die Auffassung des Pächters festgehalten, daß der Bierbezugsvertrag nicht mehr gültig sei, und es wird ihm freigestellt, mit der Klägerin eine vorzeitige Auflösung des Vertrages herbeizuführen, wenn daraus keine Verpflichtungen für die Verpächterin entstehen.

Es ist daher nicht richtig, daß der Pächter in den Bierbezugsvertrag nicht eingetreten wäre; er hat vielmehr die Verpflichtungen aus dem Vertrag übernommen, so daß sowohl sein Vertragsbruch als auch die Mithilfe beim Vertragsbruch durch die Beklagte grundsätzlich möglich waren.

Langfristige Bierbezugsverträge, die den Gastwirt verpflichten, kein Bier von anderen Brauereien zu beziehen, sind nicht von vornherein sittenwidrig. Sie können es aber insbesondere mit Hinblick auf die Dauer, sein, wenn durch die Ausschließlichkeitsbindung an die Brauerei die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirtes allzusehr eingeengt wird; dabei ist auch die Höhe der Entgeltleistung der Brauerei zu berücksichtigen. Im Normalfall ist eine 15 Jahre überschreitende Bindung unzulässig. Die Bindung ist auf eine angemessene Dauer zu reduzieren (Krejci in Rummel, ABGB2, § 879 Rz 86; stRsp RdW 1992, 236 ua).

Bierbezugsverträge mit Ausschließlichkeitsbindung werden daher als sittenwidrig erachtet, wenn sie die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirtes derart einschränken, daß dies einer Knebelung gleichkommt. Der streitgegenständliche Bezugsvertrag wurde 1974 und somit vor mehr als 15 Jahren geschlossen. Dem Vertragspartner der Klägerin, der R***** Genossenschaft mbH, steht es daher grundsätzlich frei, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen. Die R***** Genossenschaft mbH hält aber, wie die von ihrer Tochtergesellschaft in den Pachtvertrag aufgenommene Überbindung der Vertragspflichten zeigt, am Vertrag fest. Zu prüfen ist daher, ob sich der erst mit Pachtvertrag vom 19.11.1992 in den Bezugsvertrag eingetretene Pächter dennoch auf die Unwirksamkeit berufen kann.

Die Vorinstanzen haben dies verneint. Das Rekursgericht verweist auf Bydlinski (Zulässigkeit und Schranken "ewiger" und extrem lang dauernder Vertragsbindung, in: Schriftenreihe Niederösterreichische Juristische Gesellschaft Heft 58, 32), welcher die Auffassung vertritt, nur der in unzulässigem Umfang gebundene Vertragspartner könne die Nichtigkeit geltend machen. Die aus der Überlänge der Bezugsbindung folgende Sittenwidrigkeit sei eine relative Nichtigkeit.

Dem hält die Rechtsmittelwerberin entgegen, daß Claudio N***** die Schuld aus der Bezugsbindung so übernommen habe, wie sie besteht; eine vor fast 18 Jahren eingegangene Bezugsverpflichtung sei sittenwidrig. Erstrecke sich die Bindungswirkung auf Claudio N*****, dann könne er sich auch auf die Sittenwidrigkeit berufen, weil er kein außenstehender Dritter sei. Die Rechtsmittelwerberin verweist dazu auf die Rechtsprechung des BGH. Dieser habe ausgesprochen, daß beim Eintritt eines neuen Vertragspartners in einen Bierbezugsvertrag die gesamte vereinbarte Laufzeit des aufrechterhaltenen und identischen Ursprungsvertrages für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebend sei.

Der der zitierten Entscheidung (V/ZR 120/87 NJW 1988, 2362) zugrunde liegende Sachverhalt (Eintritt des Käufers einer Gastwirtschaft in den Getränkebezugsvertrag des Verkäufers) ist dem vorliegenden Fall vergleichbar. Auch der in den Bierbezugsvertrag eintretende Pächter einer Gastwirtschaft übernimmt den Vertrag so, wie er mit dem Verpächter besteht. Es handelt sich daher um ein identisches Vertragsverhältnis, dessen Gesamtdauer für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebend ist. Der Pächter hat die gleiche Rechtstellung wie der Verpächter; auch er kann sich auf eine allenfalls bestehende Sittenwidrigkeit berufen. Daß es sich dabei, wie Bydlinski (aaO) ausführt, um eine nur relative Nichtigkeit handelt, steht ihrer Berücksichtigung demnach nicht entgegen.

Vertragliche Bindungen sind, wie bereits erwähnt, im Normalfall unzulässig, wenn sie 15 Jahre übersteigen; allenfalls wird eine vertragliche Bindung von 20 Jahren toleriert, sofern sie durch die Vertragsbedingungen gerechtfertigt erscheint (siehe RdW 1992, 236 mwN). Ende 1992, als die Beklagte den neuen Pächter als Kunden gewann und sich ihm gegenüber zur Schad- und Klagloshaltung verpflichtete, bestand der Bierbezugsvertrag schon rund 18 Jahre. Der Beklagten kann bei dieser Sachlage nicht vorgeworfen werden, wettbewerbswidrig gehandelt zu haben:

Gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verstößt, wer den Kunden eines Mitbewerbers zum Bruch seiner vertraglichen Verpflichtungen gegenüber diesem Konkurrenten verleitet oder ihn dabei planmäßig fördert oder unterstützt, es sei denn, daß sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig darstellt (stRsp, ÖBl 1987, 45 ua). Das trifft hier zu:

Die Beklagte durfte davon ausgehen, daß der rund 18 Jahre bestehende Bierbezugsvertrag sittenwidrig und daher unwirksam sei, weil nicht festgestellt ist, daß die Klägerin besonders günstige Vertragsbedingungen gewährt hätte und dies der Beklagten bekannt gewesen wäre. Mit ihren Erklärungen gegenüber Claudio N*****, welche diesen möglicherweise bewogen, aber sicher bestärkt haben, das Bier nunmehr bei der Beklagten zu beziehen, hat die Klägerin demnach nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt.

Da das Rechtsmittel der Beklagten schon aus den dargelegten Gründen berechtigt ist, erübrigt es sich, auf ihre weiteren Ausführungen einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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