OGH 10ObS166/93

OGH10ObS166/9321.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Ilona Gälzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Riepl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton L*****, vertreten durch Dr.Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Mai 1993, GZ 34 Rs 148/92-72, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.Juli 1992, GZ 16 Cgs 131/89-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf eine Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte ua fest, daß der Kläger keinen Beruf erlernte und in den letzten 15 Jahren vor dem Pensionsantrag als Kranführer, Maschinist und Maurer tätig war. Weiters ging es davon aus, daß eine (berufliche) Qualifikation (iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG) nicht behauptet wurde. Der Kläger gelte nicht als invalid iS des Abs 3 leg cit, weil er trotz seines beeinträchtigten körperlichen und geistigen Zustandes (zwar nicht mehr als Kranführer arbeiten, aber außerhalb der Baubranche) mehrere auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bewertete, zumutbare Hilfsarbeitertätigkeiten verrichten könne.

In der Berufung machte der Kläger erstmals geltend, daß er invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG sei, weil er überwiegend im angelernten Beruf eines Kranführers tätig gewesen sei. Überdies sei er auch invalid iS des Abs 3 dieser Gesetzesstelle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Ein Krankführer übe keinen erlernten oder angelernten Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG aus. Für diese Tätigkeit, die in der Wiederholung ziemlich gleicher Bedienungshandgriffe bestehe, seien keine einem Lehrberuf vergleichbaren qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich. Deshalb sei die Frage der Invalidität des Klägers vom Erstgericht zutreffend nach Abs 3 der zit Gesetzesstelle geprüft und verneint worden.

In der nicht beantworteten Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend. Weil seine Arbeitsfähigkeit für den überwiegend ausgeübten angelernten Beruf eines Kranführers nicht mehr ausreiche, gelte er als invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG. Jedenfalls sei er aber invalid iS des Abs 3 leg cit, weil ihm die vom Erstgericht genannten Verweisungstätigkeiten mangels Artverwandtheit mit den tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten nicht zumutbar seien. Deshalb sei das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ein angelernter Beruf iS des § 255 Abs 1 ASVG liegt nach Abs 2 leg cit vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten sind.

Arbeitnehmer, die bestimmte Krane, ua Baudrehkrane führen, müssen nach § 2 Abs 1 lit a Verordnung des BMsV 6.6.1975 BGBl 441 über den Nachweis der Fachkenntnisse für bestimmte Arbeiten die für die sichere Durchführung dieser Arbeiten notwendigen Fachkenntnisse iS des § 6 Abs 5 ArbeitnehmerschutzG nachweisen. Diese notwendigen Kenntnisse umfassen nach § 3 Abs 1 der zit V Kenntnisse auf folgenden Gebieten, soweit diese für eine solche Tätigkeit von Bedeutung sind:

a) Grundbegriffe der Mechanik und der Elektrotechnik,

b) Aufbau und Arbeitsweise von Kranen, Kranbahn,

c) mechanische und elektrische Ausrüstung von Kranen, Tragmittel,

d) Sicherheitseinrichtungen von Kranen, Schutzmaßnahmen gegen zu hohe Berührungsspannungen,

e) Betrieb und Wartung von Kranen, Verständigungszeichen beim Kranbetrieb, Lastaufnahmemittel, Anhängen von Lasten,

f) praktische Bedienung von Kranen.

Diese notwendigen Fachkenntnisse sind nach § 7 der zit V durch ein Zeugnis einer der dort genannten Einrichtungen nachzuweisen (abs 1), das nur an Personen ausgestellt werden darf, die nach einer entsprechenden Ausbildung eine Prüfung mit Erfolg bestanden haben, die sich auch auf die praktische Durchführung der Arbeiten erstrecken muß (Abs 2). Arbeitnehmer, die bei Inkrafttreten der zit V (sechs Monate nach ihrer Kundmachung am 14.8.1975) mit Arbeiten nach deren § 2 Abs 1 beschäftigt wurden, ohne die hiefür notwendigen Fachkenntnisse durch ein Zeugnis nach § 7 nachweisen zu können, dürfen diese Arbeiten nach § 15 Abs 1 weiter ausführen. Ähnliche Bestimmungen enthält die zit V auch für das Führen von Staplern mit motorischem Antrieb für die Fahr- und Hubbewegung, für Arbeiten im Rahmen des Einsatzes von Gasrettungsdiensten und für die selbständige Durchführung von Sprengarbeiten.

Das Führen von Staplern (SSV-NF 5/7) und die selbständige Durchführung von Sprengarbeiten (SSV-NF 6/95) wurden vom erkennenden Senat nicht als angelernte Berufe iS des § 255 Abs 1 ASVG anerkannt, weil dafür keine qualifizierten Kenntnisse unf Fähigkeiten erworben werden müssen, die jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind.

Dies trifft auch für das Führen von Kranen zu. Die dafür notwendigen Fachkenntnisse iS des § 3 Abs 1 der zit V sind wesentlich geringer als die eines ausgelernten Facharbeiters und qualifizieren den Arbeitnehmer nur für bestimmte Arbeiten (sa SSV 6/49 und 93 mwN). Solche Arbeiter sind zwar keine einfachen (Bau)Hilfsarbeiter, aber auch keine gelernten oder angelernten (Bau)Facharbeiter iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG. Sie werden zB im Art 3 des Kollektivvertrages für Bauindustrie und Baugewerbe, sofern sie bestimmte motorisch betriebene Turm- und Derrick-Kräne führen oder Kabelkrankführer sind, ebenso wie zB Baggerführer, Drittelführer und Führer von Lkw mit mehr als 10 t Eigengewicht in die Beschäftigungsgruppe III a eingereiht und als "angelernte Bauarbeiter" bezeichnet, die als "für besondere Arbeiten qualifizierte Arbeiter" definiert werden. Solche "angelernte Bauarbeiter" benötigen allerdings noch keine einem Facharbeiter gleichzuhaltende Kenntnisse und Fähigkeiten (vgl hinsichtlich eines Drittelführers SSV-NF 6/95). Diese Auffassung wird auch durch die Beschreibung des Berufsbildes eines "Krankführers" im vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung verfaßten, vom BMAS herausgegebenen Berufslexikon 2, Ausgewählte Berufe 11, 306 bestätigt. Danach werden Kranführer innerbetrieblich für die Bedienung eines Kranes eingeschult. In Kursen am BFI oder WIFI können sie neben der innerbetrieblichen Ausbildung jene Kenntnisse erwerben, die für die Kranführerprüfung erforderlich sind. Führer von Mobilkränen müssen auch den Führerschein der Klasse C besitzen. Für Kranführer gibt es keine Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.

Daß die Tätigkeit eines Kranführers mit Verantwortung verbunden ist, qualifiziert sie noch nicht iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG (vgl hinsichtlich eines Sprengbefugten SSV-NF 6/95).

Selbst wenn der Kläger überwiegend als Kranführer tätig gewesen wäre, wäre er nicht überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG tätig gewesen. Die Frage seiner Invalidität ist daher nach Abs 3 dieser Gesetzesstelle zu prüfen.

Das Verweisungsfeld solcher Arbeiter ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates (SSV-NF 6/12 uva) mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ident. Die im § 255 Abs 3 ASVG enthaltene Zumutbarkeitsformel hindert entgegen der Meinung des Revisionswerbers die Verweisung auf Tätigkeiten, die den bisher ausgeübten nicht artverwandt und daher unähnlich sind, nicht (SSV-NF 6/12 ua). Die vom Erstgericht genannten einfachen Hilfsarbeiten, bei denen es sich um keine Bauarbeiten handelt, sind daher dem Kläger, der überwiegend als ungelernter Bauarbeiter tätig war, nicht unzumutbar. Deshalb gilt er auch nicht als invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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