OGH 4Ob68/93(4Ob69/93)

OGH4Ob68/93(4Ob69/93)21.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Kodek, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der klagenden Partei G*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Korn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Polley und Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 840.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 4.März 1993, GZ 3 R 135, 136/92-20, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 27.März 1992, GZ 27 Cg 256, 257/91-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 19.987,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.331,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Medieninhaberin und Herausgeberin der periodischen Druckschrift "Fundgrube"; die Beklagte Medieninhaberin und Herausgeberin der periodischen Druckschrift "PM-Privatmarkt". In beiden Zeitungen werden private Kleinanzeigen kostenlos veröffentlicht.

Kleinanzeigen können bei der Beklagten telefonisch und schriftlich aufgegeben werden. Die telefonische Anzeigenannahme ist schon auf dem Titelblatt ihrer Zeitung "PM-Privatmarkt" angekündigt:

Für die schriftliche Aufgabe von Kleininseraten sind regelmäßig "Gutscheine" abgedruckt:

Die Beklagte fordert dazu auf, nur "Originalgutscheine" zu verwenden:

Nähere Informationen über die Einschaltung von Inseraten im "PM-Privatmarkt" enthalten die "PM-Richtlinien":

In der Ausgabe der Druckschrift "PM-Privatmarkt" vom 19.7.1991 sind die "PM-Richtlinien" auf Seite 4, der "Gutschein zur Aufgabe einer kostenlosen Kleinanzeige" auf der gegenüberliegenden Seite 5 abgedruckt.

Die Klägerin begehrt in zwei getrennt anhängig gemachten, in der Folge verbundenen Rechtssachen der Beklagten zu untersagen,

1. für Gratiseinschaltungen in der Druckschrift "PM-Privatmarkt" mit Bestellscheinen zu werben, die als "Gutschein" oder mit einem ähnlichen Ausdruck bezeichnet werden, der den unrichtigen Eindruck erweckt, daß der Inhaber eines solchen Gutscheins eine Leistung, für die andere etwas zahlen müssen, unentgeltlich erhält,

2. für Gratiseinschaltungen in der Druckschrift "PM-Privatmarkt" mit Bestellscheinen zu werben, wobei der Leser gleichzeitig aufgefordert wird, nur Originalgutscheine zu verwenden, und die Bestellscheine aus der Druckschrift der Beklagten auszuschneiden sind.

Die Klägerin begehrt überdies die Ermächtigung, den Urteilsspruch auf Kosten der Beklagten zweimal in der Druckschrift "Fundgrube" und einmal in der Tageszeitung "Neue Kronen-Zeitung" zu veröffentlichen.

Die Bezeichnung der Bestellscheine als "Gutschein" sei irreführend, weil der Eindruck vermittelt werde, daß kostenlose Kleinanzeigen nur unter Verwendung eines "Gutscheins" aufgegeben werden können; durch die Bezeichnung der Bestellscheine als "Gutschein" werde versucht, neue Leser zu gewinnen. Die Aufforderung, lediglich Originalgutscheine zu verwenden, sei ein Zugabenverstoß und auch sonst wettbewerbswidrig; die Beklagte wolle sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Die Verwendung von Gutscheinen sei zulässig, wenn ihr Inhalt - wie hier - nicht wettbewerbswidrig ist. Für jeden Leser sei klar erkennbar, daß Anzeigen auch telefonisch gratis aufgegeben werden können. Die Verwendung derartiger Gutscheine sei branchenüblich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verwies auf die rechtliche Beurteilung in dem im Provisorialverfahren ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 23.1.1992. Das Rekursgericht hatte sowohl einen Verstoß gegen § 2 UWG als auch einen Zugabenverstoß verneint, weil der Leser klar erkennen könne, daß Anzeigen nicht nur schriftlich, sondern auch telefonisch gratis aufgegeben werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes in beiden Verfahren S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Ankündigungen der Beklagten könnten beim unbefangenen Leser nicht den Eindruck erwecken, daß er mit dem Gutschein einen besonderen Vorteil erlange, den er ohne Gutschein nicht hätte. Der Leser könne auch nicht annehmen, einen Gutschein verwenden zu müssen, werde doch deutlich darauf hingewiesen, daß Inserate auch telefonisch aufgegeben werden können. Das gelte auch für die Aufforderung, nur Originalgutscheine zu verwenden. Es liege auch kein Zugabenverstoß vor. Gratiseinschaltungen könnten jederzeit auch ohne Gutschein erlangt werden; darauf werde im "PM-Privatmarkt" deutlich hingewiesen. Gratiseinschaltungen seien eine handelsübliche Nebenleistung zu einer "Gratis-Anzeigenzeitung"; daher sei auch der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs 1 lit d ZugabenG (jetzt: § 9 a Abs 2 Z 1 UWG) verwirklicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, weil über einen gleichartigen Sachverhalt bisher nicht entschieden wurde, und die Entscheidung über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin läßt die - zutreffende - Auffassung des Berufungsgerichtes unbekämpft, wonach kein Zugabenverstoß vorliegt; sie meint aber, daß beide Ankündigungen zur Irreführung geeignet seien. Der flüchtige Leser werde ausschließlich jene Seite der Druckschrift "PM-Privatmarkt" betrachten, auf der die Anzeigengutscheine abgedruckt sind; deren Gestaltung erwecke aber den Eindruck, daß der Gutschein eine Voraussetzung für die Gratiseinschaltung einer Anzeige sei. Daß auch telefonisch Gratisanzeigen bestellt werden können, werde der Leser nicht annehmen, würde doch das Bestehen dieser Möglichkeit die Verwendung von "Gutscheinen" sinnlos machen; er werde vielmehr meinen, Anzeigen entgeltlich telefonisch und unentgeltlich durch Einsendung des Gutscheins bestellen zu können. Dieser Eindruck werde durch die Aufforderung verstärkt, nur "Original-Gutscheine" zu verwenden. Die Relevanz der Irreführung für den Kaufentschluß liege auf der Hand:

Wer den Gutschein zu Unrecht für ein Wertpapier hält, sei eher geneigt, weitere Ausgaben der Druckschrift "PM-Privatmarkt" zu kaufen, um in den Besitz weiterer Gutscheine zu kommen.

Die Rechtsmittelwerberin erkennt richtig, daß ein Verstoß gegen § 2 UWG nur dann vorliegt, wenn eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse geeignet ist, bei einem nicht unerheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und seine Kaufentschließung in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise irgendwie zu beeinflussen (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 27; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 3 dUWG Rz 87 ff; stRsp: ÖBl 1987, 18 uva). Das ist (zB) dann der Fall, wenn der unrichtige Eindruck einer besonders günstigen Aktion erweckt wird (WBl 1993, 232 mwN) oder wenn bei einer generellen Preissenkung Gutscheine ausgegeben werden (4 Ob 35/88). Ob eine Ankündigung irreführend ist, hängt von ihrem Gesamteindruck ab (stRsp: ÖBl 1984, 97 uva).

Die Beklagte wirbt in ihrer Zeitung "PM-Privatmarkt" an mehreren Stellen um Anzeigen. Sie weist schon im Einleitungssatz ihrer "PM-Richtlinien" darauf hin, daß sie "kostenlose Privatinserate" veröffentliche, die telefonisch oder mit dem in der Zeitung abgedruckten Gutschein schriftlich aufgegeben werden könnten. Nur ein nicht ins Gewicht fallender Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird dabei annehmen, nur bei Verwendung des "Gutscheines" werde seine Anzeige gratis geschaltet; auch der flüchtige Durchschnittsbetrachter erkennt vielmehr, daß private Kleinanzeigen ganz allgemein unentgeltlich veröffentlicht werden. Ob das auch dann gilt, wenn nur der "Gutschein zur Aufgabe einer kostenlosen Kleinanzeige" betrachtet wird, kann dahingestellt bleiben. Kein möglicher Anzeigenkunde wird bloß jene Seite wahrnehmen, auf der die Gutscheine abgedruckt sind, wenn auf der gegenüberliegenden Seite unübersehbar darauf hingewiesen wird, daß Privatinserate (auch) telefonisch kostenlos veröffentlicht werden, und sich dies auch aus der auf derselben Seite wie die Gutscheine abgedruckten Telefonnummer und dem unmittelbar daran anschließenden Hinweis ergibt, daß "Annahmeschluß für Ihre kostenlosen privaten Kleinanzeigen ( ... ) jeweils Freitag vor dem Erscheinungstermin" ist.

An dieser Beurteilung ändert auch nichts, daß die Beklagte dazu auffordert, nur "Original-Gutscheine" zu verwenden. Wer sich auf Grund dieses Hinweises jene Seite anschaut, auf der die "Gutscheine" abgedruckt sind, erkennt, wie oben dargelegt, daß er die Anzeige(n) auch telefonisch gratis aufgeben kann; er wird also nicht dazu veranlaßt, noch Ausgaben der Zeitung "PM-Privatmarkt" zu erwerben, wenn er mehrere Anzeigen aufgeben will. Das Urteilsbegehren zu Punkt 2 ist im übrigen auf die in der Revision nicht mehr aufrecht erhaltene Behauptung eines Zugabenverstoßes und nicht auf die nunmehr behauptete Irreführung abgestellt, so daß das Rechtsmittel der Beklagten insoweit schon aus diesem Grund erfolglos bleiben muß.

Da die Bezeichnung des Anzeigen-Bestellscheins der Beklagten als "Gutschein" nicht geeignet ist, irrige und für den Kaufentschluß relevante Vorstellungen hervorzurufen, haben die Vorinstanzen das Klagebegehren zu Recht abgewiesen; die Revision mußte zur Gänze erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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