OGH 15Os128/93(15Os129/93)

OGH15Os128/93(15Os129/93)16.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.September 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Freyer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard D***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 22.April 1993, GZ 6 Vr 109/93-16, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich mit dem Urteil gefaßten Beschluß gemäß § 494 a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Gerhard D***** auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard D***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 127, 129 Z 1 StGB (I) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (II), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB (III.1) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB (III.2) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Graz

(zu I) am 11.Dezember 1992 dadurch, daß er dem abgesondert verfolgten Jugendlichen Johann S***** Aufpasserdienste leistete und ihm beim Abtransport der Beute half, zur Ausführung der strafbaren Handlung des Genannten, der dem Bogdan S***** fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich einen Taschenrechner, eine Videokassette mit Hülle, einen Kugelschreiber, eine Glühbirne, ein Bleigußset sowie verschiedenes Werkzeug und Schlösser oder Schloßbestandteile und einen Walkman nach gewaltsamem Aufbrechen seiner Wohnungstür, sohin durch Einbruch in eine Wohnstätte mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, beigetragen;

(zu II) am 9.Mai 1992 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich das Kennzeichen K 217.398 dadurch, daß er dieses vom Motorfahrrad Puch Maxi der Anna M***** abmontierte und an seinem Motorfahrrad anbrachte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß dieses im Rechtsverkehr zum Beweise der sich daraus ergebenden Rechte, Rechtsverhältnisse oder Tatsachen gebraucht werde,

(zu III) am 21.März 1992 dem Thomas K*****

(1.) durch die Äußerung:"Wegen dir war ich längere Zeit im Häfen, wenn du noch einmal so eine Aktion machst, drah ich dich ham" gefährlich mit dem Tode bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen,

(2.) durch Versetzen von zwei Faustschlägen in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich einen Nasenbeinbruch mit offensichtlich erforderlicher operativer Aufrichtung (Krankenhausaufenthalt bis 30. März 1992) zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Schuldsprüche wegen Diebstahls, Urkundenunterdrückung und gefährlicher Drohung bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird.

Begründungsmängel (Z 5) moniert der Angeklagte zu sämtlichen angefochtenen Fakten. Hinsichtlich des Schuldspruches wegen Diebstahls (I) vermißt er jegliche Begründung für die Feststellung, der unmittelbare Täter S***** habe die Spanplatte bei der Wohnungstür des Bogdan S***** "herunterreißen" und durch ein "Loch" in die Wohnung "einsteigen müssen". Nach der Verantwortung des Angeklagten sei die Platte der Tür leicht zu öffnen, nämlich nur herunterzudrücken gewesen und gemäß der Aussage des Zeugen S***** sei das Loch fast so groß wie die Tür gewesen; diese Beweisergebnisse habe das Erstgericht übergangen.

Gleichfalls eine Urteilsunvollständigkeit erblickt der Angeklagte zum Faktum II (Urkundenunterdrückung), weil das Schöffengericht die Aussage der Zeugin M***** negiert habe, daß sie das Fehlen des Kennzeichens gar nicht bemerkt und sie diese "unmittelbar wieder zurückerhalten" habe.

Unbegründet sei nach dem Beschwerdevorbringen zum Schuldspruch wegen gefährlicher Drohung (III.1) die Feststellung, wonach der Angeklagte den Thomas K***** in der Absicht gefährlich mit dem Tod bedroht hat, um ihn in Furcht und Unruhe zu "setzen"; vielmehr habe das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten und die Aussage des Zeugen K*****, nach der dieser sich nicht bedroht gefühlt habe, übergangen.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, daß der Angeklagte, dem zu Beginn der Hauptverhandlung Gegenstand und Umfang der Anklage sowie der Strafanträge der Staatsanwaltschaft Graz, AZ 5 St 4131/92 und 5 St 3369/92 zur Kenntnis gebracht wurden und der diese auch verstanden hat, sich der ihm zur Last gelegten Tathandlungen für schuldig bekannt hat (S 112). Sonach wußte der Angeklagte, daß er unter anderem wegen Einbruchsdiebstahls und gefährlicher Drohung angeklagt war. Dieses Geständnis hat das Erstgericht neben anderen Beweismitteln seinen Feststellungen zugrunde gelegt.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht ausgesagt, die Platte bei der Tür wäre leicht zu öffnen; vielmehr brachte er vor: "Die Platte bei der Tür war gleich geöffnet" (S 113). Der Zeuge S***** hinwieder bekundete in der Hauptverhandlung zwar zunächst, das Loch in der Tür wäre fast so groß wie die Tür selbst gewesen, auf anschließende Frage des Verteidigers sagte er allerdings sodann: "Das Loch ist ca 30 x 100 cm, also von einer normalen Tür ein Drittel davon. Man kommt mit gebückter Haltung schon, mit normaler Körperhaltung nicht hinein" (S 118). Da dieser Zeuge überdies vorbrachte, daß man die Spanplatte, die mit Nägeln an der Tür befestigt war, aufbrechen mußte, um in die Wohnung gelangen zu können und dies nicht mit nomaler Körperhaltung, sondern nur in gebückter Stellung und das Schöffengericht seine Feststellungen nicht nur auf das Geständnis des Angeklagten, sondern auch auf die Ergebnisse des Beweisverfahrens, zu denen gewiß auch die Aussage des Zeugen S***** zählt, stützte, erweist sich die Begründung der Einbruchsqualifikation im Faktum I als formal mängelfrei.

Die zum Faktum II vorgebrachten Bemängelungen betreffen keine entscheidenden Tatsachen in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, weil sie keinen Einfluß auf die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes haben. Denn auch dann, wenn die Zeugin M***** das Fehlen der Kennzeichentafel an ihrem Motorfahrrad nicht bemerkt hat und das Kennzeichen ihr ca vier Stunden nach der Wegnahme wieder ausgefolgt wurde (vgl S 15 und 16 in ON 10), so war ihr doch während dieses Zeitraumes die ordnungsgemäße Benützung ihres Kraftfahrzeuges, zu deren Ausstattung eben die amtliche Kennzeichentafel zählt, nicht möglich. Ob die Zeugin M***** das Kraftfahrzeug während dieser vier Stunden benützen wollte oder nicht, ist für die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes ohne Belang (Leukauf-Steininger, Komm3, § 229 RN 3 a).

Was den Vorwurf der gefährlichen Drohung anlangt, so hat das Schöffengericht die Feststellung, daß der Angeklagte den Zeugen K***** gefährlich mit dem Tod bedroht hat, auf das Geständnis des Angeklagten gestützt und somit zureichend begründet. Daß der Zeuge K***** sich durch die festgestellte Äußerung des Angeklagten nicht bedroht gefühlt hat, ist für das Vergehen nach § 107 StGB kein entscheidender Umstand (ÖJZ-LSK 1976/192).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen darzutun. Zum Faktum II wird lediglich das (wie ausgeführt unbegründete) Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) wiederholt, zum Faktum III.1 hingegen versucht, den Beweiswert des Geständnisses des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu mindern. Solcherart wird aber nur der im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nach wie vor unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahme aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 a) gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht den festgestellten Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.

Indem sie zum Faktum II die Feststellung des Gebrauchsverhinderungsvorsatzes des Angeklagten vermißt, übergeht sie die Konstatierung auf S 132, nach welcher der Angeklagte das Kennzeichen des Motorfahrrades der Zeugin M***** mit dem Vorsatz unterdrückt hat, zu verhindern, daß dieses im Rechtsverkehr zum Beweise der sich daraus ergebenden Rechte, Rechtsverhältnisse oder Tatsachen gebraucht werde (US 3 verso).

Der Einwand zum Faktum III.1 hinwieder, daß das Verhalten des Angeklagten nicht tatbildmäßig im Sinn des § 107 StGB sei, weil er die Drohung sogleich realisiert habe, negiert, daß der Angeklagte den Zeugen K***** mit dem Tod bedroht hat, den Genannten aber im Anschluß daran (bloß) verletzt hat, sodaß keine Rede davon sein kann, der Angeklagte habe seine Drohung sofort realisiert.

Sofern der Beschwerdeführer aber vermeint, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, daß bzw ob die Drohung ernst gemeint oder eine bloße Unmutsäußerung im Rauschzustand gewesen sei, übergeht er die Urteilsfeststellung, daß er den Zeugen K***** in der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB), ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, mit dem Tod bedroht hat (S 133). Diese Urteilsfeststellung steht der Annahme einer bloß milieubedingten Unmutsäußerung des Angeklagten entgegen.

Mit der Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich zielt die Beschwerde auf die rechtliche Beurteilung des Faktums I als einfachen Diebstahl nach § 127 StGB unter Ausschaltung der Qualifikation nach § 129 Z 1 StGB ab, weil weder Spanplatte noch Tür beschädigt worden seien und der "Haupttäter" weder durch Klettern noch durch Kriechen in die Wohnung eingedrungen sei.

Hierauf genügt die Erwiderung, daß dem Angeklagten nach dem Urteilstenor nicht Beteiligung an einem Einsteigdiebstahl, sondern Beteiligung am Einbruchsdiebstahl durch Aufbrechen der Wohnungstür zur Last gelegt wird. Nach den von der Beschwerde übergangenen Urteilsfeststellungen hat der unmittelbare Täter die Wohnungstür des Zeugen S***** dadurch aufgebrochen, daß er die Spanplatte der Tür heruntergerissen und sodann die zu I des Urteilsspruchs angeführten Gegenstände gestohlen hat. Das konstatierte und von der Beschwerde übergangene Herunterreißen der Spanplatte zum Zwecke des Eindringens in eine Wohnstätte steht aber einer Beurteilung der Tat als bloß unqualizierter einfacher Diebstahl entgegen, ganz abgesehen davon, daß die Beweisergebnisse auch die Annahme der Qualifikation als Einsteigdiebstahl rechtfertigen würden, weil nach der Aussage des Zeugen S***** das Eindringen in die Wohnung nicht mit normaler Körperhaltung, sondern nur in gebückter Stellung möglich war (vgl S 118 iVm Leukauf-Steininger, Komm3 § 129 RN 12).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz gemäß entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO iVm § 494 a Abs. 5 StPO).

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